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215792

(1970) Soziologische Aufklärung 1, Wiesbaden, Verlag für Sozialwissenschaften.

Positives Recht und Ideologie

Niklas Luhmann

pp. 178-203

Das Vertrauen in die soziale und politische Ordnungskraft des Rechts hat in den letzten zweihundert Jahren in auffälliger Weise abgenommen. Die große Zeit des Vernunftrechts und seines Versuchs, das Verhältnis von Mensch-Gesellschaft als ein Rechtsverhältnis zu bestimmen, liegt weit hinter uns. Nicht einmal die ambivalente Stellung zum Thema Recht und Ideologie, die Karl Marx bezogen hatte, läßt sich heute überzeugend nachvollziehen. Marx sah das Recht bereits als Instrument einer Ideologie, als Ausdruck der wirtschaftlichen Interessen einer herrschenden Klasse, und glaubte doch, daß mit Hilfe einer Rechtsänderung, nämlich Enteignung, soziale Revolution sich durchführen und eine ideologiefreie Sozialordnung sich herbeiführen lasse. Inzwischen hat die soziologische Theorie und Forschung die Einsicht in die Komplexität sozialer Systeme so gesteigert, daß es kaum noch möglich ist, das Wesen und den Differenzpunkt verschiedener Sozialordnungen in bestimmten Rechtsfragen zu lokalisieren. Zu viele Variablen treffen zusammen, und das Recht scheint bestenfalls eine von ihnen zu sein. Eine soziologische Theorie des Rechts ist daher überfällig. Die Klärung des Verhältnisses von Recht und Ideologie könnte eine ihrer Aufgaben sein.

Publication details

DOI: 10.1007/978-3-322-96984-2_9

Full citation:

Luhmann, N. (1970). Positives Recht und Ideologie, in Soziologische Aufklärung 1, Wiesbaden, Verlag für Sozialwissenschaften, pp. 178-203.

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