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220947

(2018) Faust-Handbuch, Stuttgart, Metzler.

Sprache

Carsten Rohde

pp. 326-332

Die Verbreitung einzelner sprachlicher Bruchstücke – Zitate, Redewendungen, Begriffe, Bilder – in der geschriebenen und gesprochenen Sprache relativ breiter Bevölkerungsschichten ist zweifelsohne ein starkes Indiz für die Klassizität und Popularität von literarischen Werken. Im deutschen Sprachraum gibt es in der jüngeren Literaturgeschichte vermutlich kein anderes einzelnes Werk, das derart zahlreiche und tiefe Spuren hinterlassen hat wie Goethes Faust. Ob Zitate (›Es irrt der Mensch, solang er strebt‹, ›Hier bin ich Mensch, hier darf ich's sein‹, ›Das Ewig-Weibliche zieht uns hinan‹ u. a. m.), Redewendungen (z. B. ›des Pudels Kern‹, ›der Weisheit letzter Schluss‹) oder Begriffe (z. B. ›Gretchenfrage‹, ›mephistophelisch‹) – beide Faust-Dramen, besonders Faust I, haben sich ins nationalsprachliche Gedächtnis der Deutschen bzw. Deutschsprechenden eingeschrieben und sind zum mündlichen wie schriftsprachlichen Allgemeingut geworden. Im Hinblick auf die Rezeptionsgeschichte Goethes in der Moderne markieren diese Sprachspuren wichtige Zeugnisse, da in ihnen das Fortleben der Literatur nicht nur in der professionellen Forschung, Lehre und Kritik dokumentiert ist, sondern auch im Alltagsdeutsch, im schriftlichen und mündlichen Sprachgebrauch nicht-professioneller Rezipienten. Im Falle Goethes wie auch anderer als ›klassisch‹ kanonisierter Autoren sind es weniger Roman- und Prosatexte, sondern vor allem Gedichte und Dramen, aus denen einzelne Redebruchstücke den Weg in den Alltagsgebrauch gefunden haben. Teils hängt dies mit gattungshistorischen und -ästhetischen Rahmenbedingungen zusammen: Die enorme Popularität von Goethes Faust zwischen 1800 und 1950 ist auch einer florierenden Theaterkultur geschuldet sowie der relativ hohen Wertigkeit von Dramentexten im Spektrum der literarischen Gattungen. Umgekehrt führen der Siegeszug des Romans sowie die Transformation durch Internet und Digitalisierung im 20. und 21. Jahrhundert offensichtlich zu einem Rückgang der Literaturzitate im Sprachgebrauch, da hier ein extensiver bzw. kurztaktig-zerstreuter Mediengebrauch dominiert, der der Verbreitung herausgehobener Zitatstellen eher hinderlich ist (Zimmermann 2007).

Publication details

DOI: 10.1007/978-3-476-05363-3_37

Full citation:

Rohde, C. (2018)., Sprache, in C. Rohde, T. Valk & M. Mayer (Hrsg.), Faust-Handbuch, Stuttgart, Metzler, pp. 326-332.

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