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215977

(2005) Soziologische Aufklärung 2, Wiesbaden, Verlag für Sozialwissenschaften.

Die Weltgesellschaft

Niklas Luhmann

pp. 63-88

Die These, daß die Angelegenheiten aller Menschen irgendwie zusammenhängen, dürfte heute kaum Widerspruch finden. Die begriffliche Konstruktion dieses Zusammenhanges und dessen genaueres Verständnis bereiten jedoch beträchtliche Schwierigkeiten. Das liegt teils an der Komplexität des Gegenstandes, teils auch — wie wir sehen werden — daran, daß überlieferte Denkvoraussetzungen und Begriffsprägungen uns die unbefangene Annäherung erschweren. Die "Idee eines Weltreichs' sei "hassenswerth", ereiferte sich Heinrich von Treitschke, die Vielheit der Nationalstaaten dagegen eine "nothwendige und vernunftgemäße" (l)*. Es sei noch nicht so weit, aber die Tendenz ziele auf fortschreitende Zusammenfassung der menschheitlichen Zivilisation aller Völker in einem Gesellschaftskörper, meinte gleichzeitig Albert Schäffle (2). Die Denkmittel und Argumente, mit denen solche Positionen entfaltet wurden, sind heute als unzulänglich durchschaut; aber ein überzeugender Ersatz ist noch nicht gefunden. An die Stelle einfacher und kurzschlüssiger Kontrastierungen ist eine Konfusion okkasioneller, nicht aufeinander bezogener Meinungen und ein methodisch bedingter Agnostizismus getreten (3). Dabei wird das Problem der Weltgesellschaft kaum mehr gestellt. Es wird durch die Staubwolken verdeckt, die die Kontroversen um den Gesellschaftsbegriff und die Gesellschaftstheorie auf der einen, die Diskussion der Weltlage in politischer oder ökonomischer, spieltheoretischer oder entscheidungstaktischer Hinsicht auf der anderen Seite aufgewirbelt haben.

Publication details

DOI: 10.1007/978-3-663-11447-5_4

Full citation:

Luhmann, N. (2005). Die Weltgesellschaft, in Soziologische Aufklärung 2, Wiesbaden, Verlag für Sozialwissenschaften, pp. 63-88.

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