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(2015) Die Vierte Dimension der Schöpfung, Dordrecht, Springer.

Natur

Reiner Kümmel

pp. 107-169

Die moderne Physik taugt nicht zur Begründung religiöser oder areligiöser Einstellungen. Das liegt an ihrem Erkenntnisgegenstand – der Energie-Materie-Welt – und an ihren Erkenntnismethoden – dem oft durchaus spielerischen Experimentieren, der sorgfältigen Auswertung von Messergebnissen und dem Entwurf mathematischer Modelle zur Beschreibung der Messergebnisse. Die sprachliche Deutung der Modelle enthält oft Aussagen, die unserer Alltagsvernunft höchst verwunderlich, ja widersprüchlich erscheinen. Beispiele aus der Relativitäts- und Quantentheorie belegen das. Die Zeit ist nicht absolut, sondern mit dem Raum verbunden, und ihr Verstreichen hängt vom Bewegungszustand des Beobachters ab. Je nach Experiment zeigt sich ein Teilchen als Welle oder als Korpuskel. Ort und Impuls eines Teilchens können nicht gleichzeitig scharf gemessen werden. In der mikroskopischen Welt der Atome und Moleküle regiert der Zufall. "Schrödingers Katze", eingeschlossen in einem Kasten mit einer durch radioaktiven Zerfall aktivierbaren Tötungsmaschine, ist gleichzeitig tot und lebendig, solange man nicht nachsieht – so wenigstens in einer der statistischen Interpretationen der Quantentheorie. Ein Teilchen, das auf eine Barriere aufprallt, durchdringt sie mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit und mit der dazu komplementären Wahrscheinlichkeit wird es reflektiert. Das macht sich auch im Fließen von makroskopischen elektrischen Strömen bemerkbar. Die fundamentalen Naturgesetze sind nicht deterministisch. Dennoch können wir in unserer makroskopischen Alltagswelt dem zuverlässigen Funktionieren unserer Technik in der Regel vertrauen. Aus den Wechselwirkungen subatomarer Teilchen in den modernen Beschleunigern der Hochenergiephysik sucht man die Dynamik des Kosmos kurz nach dem Beginn der Zeit zu verstehen. Winzige Quantenfluktuationen in der Frühgeschichte des Universums bestimmen heute Verteilung und Größe der Galaxien – der größten Objekte im Universum. Das Vakuum wimmelt von virtuellen Teilchen, die innerhalb der Energie-Zeit-Unschärferelation auftauchen und verschwinden und zur Strahlung Schwarzer Löcher wie zur Supraleitung in Kristallen beitragen. Energieumwandlung und Entropieproduktion bestimmen die Entwicklung des Lebens, wie auch die von Wirtschaft und Gesellschaft. Deshalb ist bei allem Streben nach Freiheit auch die Beachtung von Beschränkungen notwendig.

Publication details

DOI: 10.1007/978-3-642-55350-9_3

Full citation:

Kümmel, R. (2015). Natur, in Die Vierte Dimension der Schöpfung, Dordrecht, Springer, pp. 107-169.

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