Repository | Book | Chapter

222098

(2003) Grundbegriffe der Soziologie, Wiesbaden, Verlag für Sozialwissenschaften.

eine soziale Gruppe, deren Mitglieder primär wegen der Gemeinsamkeit des Wohnortes miteinander interagieren (Hamm 1973). Insbes. im Zusammenhang mit der Großstadtkritik ist N. zum Gegenstand soz. Diskussion geworden: Die zahlreichen Übel, die der Großstadt angelastet wurden, ließen sich nur vor dem Hintergrund (meist idealisierter) vorindustrieller Städte und Dörfer und ihrer nachbarschaftlichen Organisationsweisen feststellen. Obgleich die strukturellen Bedingungen für solche institutionalisierten Nachbarschaften nicht mehr erfüllt sind, lässt sich ein solches nostalgisches N.sverständnis in zahlreichen Schriften aus Städtebau und Stadtsoz. nachweisen. Trotz eines erheblichen Funktionswandels ist N. auch in der modernen Großstadt unentbehrlich. Nothilfe, soziale Kontrolle, Kommunikation und Sozialisation bleiben wichtige Funktionen, auch wenn sie nach Schichtzugehörigkeit, Stellung im Familienzyklus, Mobilität und ethnisch-kulturellem Hintergrund auf höchst unterschiedliche Weise in Anspruch genommen werden. Soziale Normen verlangen, dass zumindest eine latente Bereitschaft besteht, solche Funktionen unter Nachbarn wahrzunehmen; es hängt von aktuellen Bedürfnislagen, von Homogenität oder Heterogenität der Haushalte und von der geforderten Gleichwertigkeit ausgetauschter Leistungen ab, ob und in welchem Maße sie aktualisiert werden. Die Nachbargruppe umfasst selten mehr als sechs bis acht Haushalte — maßgebend dafür sind nicht Personen, sondern die räumliche Nähe von Wohnungen. Die Nachbarposition wird also zugeschrieben. Form und Intensität nachbarschaftlicher Kontakte haben immer auch strukturelle Ursachen (u.a. soziale Segregation); so sind Nachbarn, im Gegensatz zu Angehörigen des Verkehrskreises, nicht frei wählbar. Enge nachbarschaftliche Beziehungen bedeuten immer auch intensive soziale Kontrolle. Es muss also immer eine Balance zwischen der Sicherung nachbarschaftlicher Funktionen und sozialer Distanz bestehen. N. ist eine Basis zur Ausbildung sozialer Identität, symbolischer Ortsbezogenheit und Heimat. Als Basis für die Organisation sozialer Dienste, informeller Austauschbeziehungen oder für pol. Aktivierung dürfte sie bei weiter zunehmender Arbeitslosigkeit und Verarmung erneut an Bedeutung gewinnen.

Publication details

DOI: 10.1007/978-3-322-93449-9_14

Full citation:

Hamm, B. , Zimmermann, G. E. , Peuckert, R. (2003)., Nachbarschaft, in B. Schäfers (Hrsg.), Grundbegriffe der Soziologie, Wiesbaden, Verlag für Sozialwissenschaften, pp. 249-258.

This document is unfortunately not available for download at the moment.