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Die logischen Untersuchungen, deren Veröffentlichung ich mit diesen Prolegomena beginne, sind aus unabweisbaren Problemen erwachsen, die den Fortgang meiner langjährigen Bemühungen
um eine philosophische Klärung der reinen Mathematik immer wieder gehemmt und schließlich unterbrochen haben. Neben den Fragen nach dem Ursprung der mathematischen Grundbegriffe und Grundeinsichten betrafen jene Bemühungen zumal auch die schwierigen Fragen der mathematischen Theorie und Methode.
Was nach den Darstellungen der traditionellen oder wie immer reformierten Logik hätte leicht verständlich und durchsichtig erscheinen müssen, nämlich das rationale Wesen der deduktiven Wissenschaft mit ihrer formalen Einheit und symbolischen Methodik, stellte sich mir beim Studium der wirklich gegebenen
deduktiven Wissenschaften dunkel und problematisch dar. Je tiefer ich analytisch eindrang, um so mehr kam es mir zum Bewußtsein, daß die Logik unserer Zeit an die aktuelle Wissenschaft nicht hinanreiche, welche aufzuklären sie doch berufen ist.
Besondere Schwierigkeiten bereitete mir die logische Durch
forschung der formalen Arithmetik und Mannigfaltigkeitslehre, dieser über alle Besonderheiten der speziellen Zahlen- und Ausdehnungsformen hinausreichenden Disziplin und Methode. Sie nötigte mich zu Erwägungen von sehr allgemeiner Art, welche sich über die engere mathematische Sphäre erhoben und einer
allgemeinen Theorie der formalen deduktiven Systeme zustrebten.
Die offenbare Möglichkeit von Verallgemeinerungen bzw. Abwandlungen der formalen Arithmetik, wodurch sie ohne wesent
liche Änderung ihres theoretischen Charakters und ihrer rechnerischen Methodik über das quantitative Gebiet hinausgeführt
eine in der Tat quantitätslose Mathematik kennenlernte, und zwar als eine unanfechtbare Disziplin von mathematischer Form und Methode, welche teils die alten Syllogismen, teils neue, der Überlieferung fremd gebliebene Schlußformen behandelte, gestalteten sich mir die wichtigen Probleme nach dem allgemei
nen Wesen des Mathematischen überhaupt, nach den natürlichen Zusammenhängen oder etwaigen Grenzen zwischen den Systemen der quantitativen und nichtquantitativen Mathematik, und speziell z. B. nach dem Verhältnis zwischen dem Formalen der Arithmetik und dem Formalen der Logik. Naturgemäß mußte
ich von hier aus weiter fortschreiten zu den fundamentaleren Fragen nach dem Wesen der Erkenntnisform im Unterschiede von der Erkenntnismaterie und nach dem Sinn des Unterschiedes zwischen formalen (reinen) und materialen Bestimmungen, Wahrheiten, Gesetzen.
Aber noch in einer ganz anderen Richtung fand ich mich in Probleme der allgemeinen Logik und Erkenntnistheorie verwickelt. Ich war von der herrschenden Überzeugung ausgegangen, daß es die Psychologie sei, von der, wie die Logik überhaupt, so die Logik der deduktiven Wissenschaften ihre philosophische
Aufklärung erhoffen müsse. Demgemäß nehmen psychologische Untersuchungen in dem ersten (und allein veröffentlichten) Bande meiner Philosophie der Arithmetik einen sehr breiten Raum ein. Diese psychologische Fundierung wollte
dem Ursprung der mathematischen Vorstellungen oder um die in der Tat psychologisch bestimmte Ausgestaltung der praktischen Methoden handelte, schien mir die Leistung der psychologischen Analyse klar und lehrreich. Sowie aber ein Übergang von den psychologischen Zusammenhängen des Denkens zur logischen
Einheit des Denkinhaltes (der Einheit der Theorie) vollzogen wurde, wollte sich keine rechte Kontinuität und Klarheit heraussteilen lassen. Um so mehr beunruhigte mich daher auch der prinzipielle Zweifel, wie sich die Objektivität der Mathematik und aller Wissenschaft überhaupt mit einer psychologischen Be
in immer steigendem Maße zu allgemeinen kritischen Reflexionen über das Wesen der Logik und zumal über das Verhältnis zwischen der Subjektivität des Erkennens und der Objektivität des Erkenntnisinhaltes gedrängt. Von der Logik überall im Stiche gelassen, wo ich von ihr Aufschlüsse in Beziehung auf die bestimm
ten Fragen erhoffte, die ich an sie zu stellen hatte, ward ich endlich gezwungen, meine philosophisch-mathematischen Untersuchungen ganz zurückzustellen, bis es mir gelungen sei, in den Grundfragen der Erkenntnistheorie und in dem kritischen Verständnis der Logik als Wissenschaft zu sicherer Klarheit vorzu
dringen.
Wenn ich nun diese, in vieljähriger Arbeit erwachsenen Versuche zur Neubegründung der reinen Logik und Erkenntnistheorie veröffentliche, so tue ich es in der Überzeugung, daß die Selbständigkeit, mit der ich meine Wege von denen
der herrschenden logischen Richtung abscheide, mit Rücksicht auf die ernsten sachlichen Motive, die mich geleitet haben, eine Mißdeutung nicht erfahren wird. Der Gang meiner Entwicklung hat es mit sich gebracht, daß ich mich von den
verdankt, in den logischen Grundüberzeugungen weit entfernt und mich andererseits einer Reihe von Forschern beträchtlich genähert habe, deren Schriften nach ihrem Werte zu schätzen ich früher nicht vermocht und die ich daher während meiner Arbeiten nur zu wenig zu Rate gezogen [hatte]
träglichen Einfügung umfassender literarischer und kritischer Hinweise auf verwandte Forschungen mußte ich leider absehen. Was aber die freimütige Kritik anbelangt, die ich an der psychologistischen Logik und Erkenntnistheorie geübt habe, so möchte ich an das Goethesche Wort erinnern: "Man ist gegen nichts
strenger als gegen erst abgelegte Irrtümer."
Halle, a. ┌d.┐
Die Frage, in welcher Form ich dieses nun schon seit einer Reihe von Jahren vergriffene Werk zur Neuausgabe bringen solle, hat mir nicht geringe Sorge verursacht. Die Logischen Unter
suchungen waren für mich ein Werk des Durchbruchs, und somit nicht ein Ende, sondern ein Anfang. Nach Vollendung des Druckes setzte ich die Studien sogleich wieder fort. Ich versuchte mir über Sinn, Methode, philosophische Tragweite der Phänomenologie vollkommenere Rechenschaft zu geben, die angesponne
nen Problemlinien allseitig weiter zu verfolgen, zugleich auch die parallelen Probleme in allen ontischen und phänomenologischen Gebieten aufzusuchen und in Angriff zu nehmen. Begreiflicherweise verschob sich mit der Erweiterung des in Forschung genommenen Horizonts, mit der tieferen Erkenntnis der so ver
wirrend aufeinander bezogenen intentionalen "Modifikationen", der so vielfältig sich verschlingenden Bewußtseinsstrukturen manche der im ersten Eindringen in das neue Gebiet gewonnenen Auffassungen. Verbliebene Dunkelheiten wurden geklärt, Vieldeutigkeiten entwirrt;
lich keine besondere Wichtigkeit beigemessen werden konnte, erhielten im Übergang in die großen Zusammenhänge eine grundlegende Bedeutung — kurzum, überall vollzogen sich in der ursprünglichen Forschungssphäre nicht bloß Ergänzungen, sondern Umwertungen, und vom Standpunkt der zugleich erweiterten
und vertieften Erkenntnis erschien nun selbst die Anordnung der Darstellungen nicht mehr als eine vollangemessene. In welchem Sinne und Ausmaße sich diese Fortschritte vollzogen und die Forschungskreise erweiterten, zeigt schon das jüngst erschienene erste Buch meiner Ideen zu einer reinen Phänomenologie
und phänomenologischen Philosophie, welches im ersten Bande des Jahrbuchs für Philosophie und phänomenologische For
Ich hegte ursprünglich die Hoffnung, es würde mir möglich
sein, nach Auffindung und Durchforschung der radikalen Problematik der reinen Phänomenologie und phänomenologischen Philosophie, eine Reihe systematischer Darstellungen zu geben, die einen Neudruck des alten Werkes entbehrlich machen würden: sofern sein keineswegs preisgegebener Inhalt, gereinigt und
sachgemäß verteilt, in ihnen zu angemessener Mitgeltung käme. In der Ausführung stellte sich ein ernstes Bedenken ein. Bei dem Umfange und der Schwierigkeit der zwar in concreto schon durchgeführten, aber nun erst literarisch zu vereinheitlichenden, zumeist neu darzustellenden, in schwierigen Punkten wohl auch zu
bessernden Untersuchungen mußte die Realisierung dieser Absicht noch viele Jahre in Anspruch nehmen. So entschloß ich mich zunächst die Ideen zu entwerfen. Sie sollten eine allgemeine und doch inhaltreiche (weil durchaus auf wirklich ausgeführter Arbeit beruhende) Vorstellung von der neuen Phänomenologie
geben: von ihrer Methode, ihrer systematischen Problematik, ihrer Funktion für die Ermöglichung einer streng wissenschaftlichen Philosophie, sowie einer rationalen Theoretisierung der empirischen Psychologie. Nachher aber sollten sogleich die Logischen
verbesserten Gestalt, die, dem Standpunkt der Ideen nach Möglichkeit angepaßt, dazu verhelfen könne, den Leser in die Art wirklicher phänomenologischen und erkenntnistheoretischen Arbeit einzuführen. Denn wenn diese Untersuchungen von den phänomenologisch Interessierten als hilfreich empfunden werden,
so liegt es darin, daß sie nicht ein bloßes Programm darbieten (und gar eins jener hochfliegenden Art, womit die Philosophie so überreich bedacht ist), sondern Versuche wirklich ausführender Fundamentalarbeit an den unmittelbar erschauten und ergriffenen Sachen; und daß sie sich selbst da, wo sie kritisch verfahren,
nicht in Standpunktserörterungen verlieren, vielmehr den Sachen selbst und der Arbeit an ihnen das letzte Wort belassen. In der Wirkung sollten sich die Ideen auf diejenige der Logischen Untersuchungen stützen: War der Leser durch die letzteren mit einer Gruppe von Fundamentalfragen in expliziter Untersuchung be
selbständiges Fortschreiten behilflich sein.
Die Ausführung des ersten Stücks meines Planes war relativ leicht, und wenn auch der unerwartete Umfang der in einem Zuge entworfenen beiden ersten Bücher der Ideen (die für meine Zwecke wesentlich in Betracht kamen) während des Druckes zur Teilung
der Publikation nötigte, so konnte schließlich auch das I. Buch allein vorläufig genügen. Sehr viel größer war die Schwierigkeit der Erfüllung meiner zweiten Absicht. Die Unmöglichkeit, das alte Werk ganz und gar auf das Niveau der Ideen zu erheben, sieht der Kenner ohne weiteres. Das würde ein völliges Neuver
fassen des Werkes — eine Verschiebung ad kalendas graecas — bedeuten. Demgegenüber auf eine Umarbeitung ganz zu verzichten und es bloß mechanisch nachzudrucken, erschien mir aber angesichts jener die Neuausgabe rechtfertigenden Ziele mehr bequem als gewissenhaft. Durfte ich die Leser abermals
die Versehen, Schwankungen, Selbstmißverständnisse beirren, die, mochten sie auch bei der ersten Ausgabe eines solchen Werkes schwer vermeidlich und entschuldbar sein, ihm ein klares Erfassen des Wesentlichen unnötig erschweren würden?
Es blieb also nur übrig, einen Mittelweg zu versuchen, und
dabei freilich mich selbst in gewisser Weise preiszugeben. Denn es hieß, gewisse zum einheitlichen Stil des Werkes gehörige Unklarheiten und selbst Irrtümer stehen zu lassen. Bestimmend wurden folgende Maximen für die Umarbeitung:
1. Nichts für den Neudruck zuzulassen, von dem ich nicht
völlig überzeugt sein konnte, daß es eines genauen Studiums würdig sei. In dieser Hinsicht durften also auch einzelne Irrtümer verbleiben, wenn ich sie als eine natürliche Unterstufe für die, ihre guten Motive umwertende Wahrheit gelten lassen konnte. Ich durfte mir dabei auch sagen: Leser, welche von den allgemeinen
philosophischen Richtungen der Gegenwart herkommen — die im wesentlichen ja noch dieselben sind, wie in dem Jahrzehnt der Entstehung dieses Werkes — finden, wie dereinst der Verfasser, zunächst nur Zugang zu gewissen phänomenologischen bzw. logischen Unterstufen. Erst wenn sie eine sichere Herrschaft über die
2. Alles zu verbessern, was gebessert werden konnte, ohne den
Gang und Stil des alten Werkes von Grund aus zu änderen; vor allem die neuartigen Gedankenmotive, die in demselben zum Durchbruch kommen, die aber von dem anfangs noch unsicheren und zaghaften Verfasser in der ersten Auflage bald scharf bezeichnet, bald verwischt wurden, überall zu entschiedenstem Aus
druck zu bringen.
3. Den Leser im Fortgange der Darstellungen allmählich zu einem relativ steigenden Gesamtniveau der Einsicht zu erheben, darin der ursprünglichen Eigenart des Werkes folgend. Es ist hier zu erinnern, daß das Werk eine systematisch verbundene Kette
von Untersuchungen war, aber nicht eigentlich ein
unberührt lassen. Immer neue phänomenologische Schichten treten hervor und bestimmen mit die Auffassungen der früheren. Dieser Charakter des alten Werkes ließ eine Art der Umarbeitung als möglich erscheinen, die den Leser in bewußter Weise emporleitet, und zwar so, daß in der letzten Untersuchung im wesent
lichen die Stufe der Ideen erreicht ist und in ihr die früher mit in den Kauf genommenen Unklarheiten und Halbheiten einsichtig geklärt erscheinen.
Im Sinne dieser Maximen bin ich nun vorgegangen und habe zunächst hinsichtlich der beiden vorläufig ausgegebenen Stücke
(der Prolegomena und des ersten Teiles des zweiten Bandes) den Eindruck, daß die angewandten großen Mühen nicht verschwendet sind. Ich habe natürlich bald ergänzen und bald streichen, bald einzelne Sätze, bald ganze Paragraphen und Kapitel neu schreiben müssen. Der Gedankeninhalt ist dichter und extensiv
reicher geworden, der Gesamtumfang des Werkes — spezieller gesprochen, des zweiten Bandes — ist, trotzdem jede Beigabe kritischen Füllsels unterlassen wurde, unvermeidlich angewachsen, weshalb dieser Band geteilt werden mußte.
Hinsichtlich der einzelnen Untersuchungen und ihrer Neuge
Lebendigkeit der Darstellung zusammen, die der Wirkung förderlich gewesen ist. Die Schrift ist auch gedanklich aus einem Gusse, und so glaubte ich sie nicht radikal umarbeiten zu dürfen. Andererseits fand ich die Möglichkeit, etwa von der Mitte ab viele erhebliche Verbesserungen der Darstellung zu vollziehen, Ver
sehen auszumerzen, wichtige Punkte in ein schärferes Licht zu rücken. Freilich einige z.T. sehr wesentliche Unzulänglichkeiten — wie der
suchung (jetzt der zweite Teil des zweiten Bandes) bringt in dieser Hinsicht die nötigen Aufklärungen.
Den Streit um den Psychologismus mit neuen Kritiken und gar mit Gegenkritiken zu belasten (die doch nicht das geringste neue Gedankenmotiv beigebracht hätten), schien mir wenig angemes
sen. Ausdrücklich betonen muß ich die Beziehung dieser im wesentlichen nur erneuerten Schrift vom Jahre 1899
Lipps in seinen überaus bedeutsamen und originellen Schriften seit etwa 1902 keineswegs derselbe als der hier zitierte. Andere Autoren haben ihre psychologistische Position inzwischen anders zu begründen gesucht, und auch das ist, da meine Darstellung darauf keine Rücksicht nimmt, nicht zu übersehen.
Was nun den zweiten Band der neuen Ausgabe anbelangt, so wurde die schwankende, dem wesentlichen Sinn und der Methode der wirklich ausgeführten Untersuchungen so wenig gerecht werdende Einleitung radikal umgearbeitet. Ihre Mängel fühlte ich sogleich nach dem Erscheinen und habe auch bald
Gelegenheit gefunden (in einer Rezension im Archiv. f. System.
Philos., XI. Bd., 1903, S. 397 ff.), gegen meine irreführende Be
scheint gleichgestellt der in der äußeren vollzogenen Deskription äußerer Naturvorgänge; sie wird andererseits in Gegensatz gestellt zur phänomenologischen Deskription, in welcher alle transzendierenden Deutungen der immanenten
völlig ausgeschlossen bleiben. Die Deskriptionen der Phänomenologie, heißt es da (S. 399), "betreffen nicht Erlebnisse oder Erlebnisklassen von empirischen Personen; denn von Personen, ... von meinen und anderer Erlebnissen weiß sie nichts und vermutet sie nichts; über dergleichen stellt sie keine Fragen, ver
sucht sie keine Bestimmungen, macht sie keine Hypothesen." Die volle reflektive Klarheit, die ich über das Wesen der Phänomenologie in diesen und den folgenden Jahren gewonnen habe, und die allmählich zur systematischen Lehre von den "phänomenologischen Reduktionen" geführt hat (vgl. die Ideen I, Ab
schnitt 2), wurde sowohl für die Neubearbeitung der Einleitung, als auch für den Text der ganzen weiterfolgenden Untersuchungen nutzbar gemacht und in dieser Hinsicht das ganze Werk auf eine wesentlich höhere Klarheitsstufe erhoben.
Von den fünf den ersten Teil des zweiten Bandes füllenden
Untersuchungen behält die erste — "Ausdruck und Bedeutung" — auch in der neuen Ausgabe ihren "bloß vorbereitenden" Charakter. Sie gibt zu denken, sie lenkt den Blick des phänomenologischen Anfängers auf erste und bereits sehr schwierige Probleme des Bedeutungsbewußtseins, ohne ihnen aber schon voll
gerecht zu werden. Die Art, wie sie sich mit den okkasionellen Bedeutungen (zu denen doch, genau besehen, diejenigen aller empirischen Prädikationen gehören) abfindet, ist ein Gewaltstreich — die notgedrungene Konsequenz der unvollkommenen Fassung des Wesens der "Wahrheit an sich" in den Prolegomena.
Als ein weiterer, erst im Abschluß des Bandes sich verstehender und berichtigender Mangel dieser Untersuchung ist zu erwähnen, daß der Unterschied und Parallelismus von "Noetischem" und "Noematischem" (über dessen fundamentale Rolle in allen Bewußtseinsgebieten erst die Ideen vollen Aufschluß geben, der aber
noetische Bedeutungsbegriff betont, während doch in manchen wichtigen Stellen der noematische vorzüglich in Betracht käme.
Die zweite Untersuchung über "Die ideale Einheit der Spezies und die modernen Abstraktionstheorien" hatte in ihrem Stil, aber auch in ihrer Beschränkung eine gewisse Ab
geschlossenheit, die keine durchgreifenden Umgestaltungen, wenn auch viele einzelne Besserungen, wünschenswert machte. Nach wie vor bleiben unerörtert die grundwesentlich zu scheidenden Typen von "Ideen", denen natürlich grundwesentlich zu scheidende "Ideationen" entsprechen. Es kommt in dieser Unter
suchung nur darauf an, daß man an einem Typus, etwa repräsentiert durch die Idee "rot", Ideen sehen und sich das Wesen solchen "Sehens" klarmachen lerne.
Eine sehr durchgreifende Umarbeitung hat die dritte Untersuchung "Zur Lehre von den Ganzen und Teilen" er
fahren, obschon bei ihr keinerlei unbefriedigenden Kompromisse zu vollziehen, keine nachkommenden Berichtigungen oder Vertiefungen nötig waren. Hier galt es, dem eigenen Sinn der Untersuchung und ihren m.E. wichtigen Ergebnissen zu besserer Wirksamkeit zu verhelfen und vielfache Unvollkommenheiten der
Ausführung zu beheben. Ich habe den Eindruck, daß diese Untersuchung allzuwenig gelesen worden ist. Mir selbst bot sie eine große Hilfe, wie sie ja auch eine wesentliche Voraussetzung für das volle Verständnis der folgenden Untersuchungen ist.
Ähnlich wie mit der dritten verhält es sich mit der vierten
Untersuchung "Über den Unterschied der selbständigen und unselbständigen Bedeutungen und die Idee der reinen Grammatik". Mein Standpunkt hat sich auch hier nicht geändert. Der Text erfuhr neben Besserungen auch manche inhaltliche Bereicherung, die im voraus auf künftige Publikatio
nen aus meinen logischen Vorlesungen hindeuten.
Tiefeingreifende Umarbeitungen hat die fünfte Untersuchung "Über intentionale Erlebnisse und ihre ’Inhalte’" erfahren müssen. In ihr sind kardinale Probleme der Phänomenologie (insbesondere der phänomenologischen Urteilslehre) in An
doch ließ ich die bezüglichen Ausführungen in verkürzter und formell verbesserter Gestalt stehen, als Substrat interessanter polemischer Auseinandersetzungen P. Natorps (vgl. dessen neue Allgemeine Psychologie, Band I, 1912). Völlig weggestrichen habe ich den vielzitierten, wenig klaren und im Zusammenhang
völlig entbehrlichen Paragraphen 7, "Wechselseitige Abgrenzung der Psychologie und Naturwissenschaft". Allzu konservativ war ich vielleicht nur insofern, als ich den ganz unpassenden Terminus "nominale Vorstellung" beibehielt, wie ich denn überhaupt die alte Terminologie des Werkes anzutasten mich scheute.
Für den zweiten Teil des zweiten Bandes ist die im Druck befindliche Neubearbeitung der sechsten Untersuchung bestimmt, der in phänomenologischer Beziehung wichtigsten. Bei ihr überzeugte ich mich bald, daß ich damit nicht mehr auskomme, den alten Gehalt, Paragraph für Paragraph der ursprünglichen Dar
Stellung folgend, zu verarbeiten. Zwar soll auch ihr Problembestand allein maßgebend bleiben; aber ich bin in Beziehung auf denselben erheblich weiter gekommen, und auf Kompromisse möchte ich mich im Sinne meiner "Maximen" hierbei nicht mehr einlassen. Demgemäß verfuhr ich ganz frei und fügte, um die
großen und in der ersten Ausgabe zu unvollkommen behandelten Themata wissenschaftlich durchzuführen, ganze Reihen neuer Kapitel ein, die den Umfang dieser Untersuchung in besonderem Maße anwachsen ließen.
Wie in den Prolegomena bin ich auch im zweiten Bande (mit
einer geringen Ausnahme in der vierten Untersuchung) auf die vielen Kritiken nicht eingegangen, die, wie ich leider konstatieren muß, fast ausschließlich auf Mißverständnissen des Sinnes meiner Darstellungen beruhen. Für nützlicher habe ich es daher gehalten, in allgemeiner Form die typischen Mißverständnisse
meiner philosophischen Bestrebungen und ihrer historischen Ein
Dem Werke wird ein ausführlicher, von Herrn cand. phil. Rudolf Clemens mit großer Sorgfalt bearbeiteter Index beigegeben. Überhaupt habe ich für manche freundliche Beihilfe herzlich zu danken. In erster Linie Herrn Privatdozenten Dr. Adolf
Reinach, der mir vor zwei Jahren, bei den ersten eingehenden Überlegungen für die Möglichkeiten einer Neubearbeitung, mit Eifer und Sachkunde zur Seite stand. Die Mühen der Korrektur sind durch die treue Mitwirkung der Herren Dr. Hans Lipps und cand. phil. Jean Hering wesentlich erleichtert worden.
Göttingen, im Oktober 1913.
E. Husserl.
"Es herrscht ebenso großer Meinungsstreit in betreff der Defi
nition der Logik, wie in der Behandlung dieser Wissenschaft selbst. Dies war naturgemäß bei einem Gegenstande zu erwarten, in betreff dessen die meisten Schriftsteller sich derselben Worte nur bedient haben, um verschiedene Gedanken auszudrücken."
tung der Logik eingeleitet hat, ist manches Jahrzehnt verstrichen, bedeutende Denker hier wie jenseits des Kanals haben der Logik ihre besten Kräfte gewidmet und deren Literatur um stets neue Darstellungen bereichert; aber noch heute mögen diese Sätze als passende Signatur des Zustandes der logischen Wissenschaft die
nen, noch heute sind wir von einer allseitigen Einigkeit in betreff der Definition der Logik und des Gehaltes ihrer wesentlichen Lehren weit entfernt. Nicht als ob die Logik der Gegenwart dasselbe Bild ┌böte┐
den drei Hauptrichtungen, die wir in der Logik finden, der psychologischen, der formalen und ┌ der┐
pienfragen, die
die Darstellungen, welche aus verschiedenen Lagern stammen. Die Seite, auf welcher wir die größte Regsamkeit finden, die der psychologischen Logik, zeigt uns Einheit der Überzeugung nur in Hinsicht auf die Abgrenzung der Disziplin, auf ihre wesentlichen Ziele und Methoden; aber kaum wird man es als Übertreibung
tadeln, wenn wir in Hinsicht auf die vorgetragenen Lehren und zumal auch in Hinsicht auf die gegensätzlichen Deutungen der altüberlieferten Formeln und Lehrstücke das Wort vom bellum omnium contra omnes anwenden. Vergeblich wäre der Versuch, eine Summe sachhaltiger Sätze oder Theorien abzugrenzen, in
denen wir den eisernen Bestand der logischen Wissenschaft unserer Epoche und ihr Erbe an die Zukunft sehen könnten.
Bei diesem Zustande der Wissenschaft, welcher individuelle Überzeugung von allgemein verpflichtender Wahrheit zu scheiden nicht gestattet, bleibt der Rückgang auf die Prinzipienfragen eine Aufgabe, die stets von neuem in Angriff genommen werden muß. Ganz besonders scheint dies zu gelten von den Fragen, die
im Streite der Richtungen und damit auch im Streite um die richtige Abgrenzung der Logik die bestimmende Rolle spielen. Allerdings ist das Interesse gerade für diese Fragen in den letzten Jahrzehnten sichtlich erkaltet. Nach den glänzenden Angriffen Mills gegen Hamiltons Logik und nach den nicht minder be
rühmten, obschon nicht so fruchtreichen logischen Untersuchungen Trendelenburgs schienen sie ja im ganzen erledigt zu sein. Als daher mit
einen allseitigen Ausbau der Disziplin nach Maßgabe der als gültig angenommenen Prinzipien. Indessen läßt doch eben der Umstand, daß so viele und von bedeutenden Denkern herrührende Versuche, die Logik in den sicheren Gang einer Wissenschaft zu bringen, einen durchgreifenden Erfolg vermissen lassen, die Ver
Die Auffassung von den Zielen einer Wissenschaft findet aber ihren Ausdruck in der Definition derselben. Es kann natürlich
nicht unsere Meinung sein, daß der erfolgreichen Bearbeitung einer Disziplin eine adäquate Begriffsbestimmung ihres Gebietes vorausgehen müsse. Die Definitionen einer Wissenschaft spiegeln die Etappen ihrer Entwicklung wieder, mit der Wissenschaft schreitet die ihr nachfolgende Erkenntnis der begrifflichen Eigen
art ihrer Gegenstände, der Abgrenzung und Stellung ihres Gebietes fort. Indessen übt der Grad der Angemessenheit der Definitionen bzw. der in ihnen ausgeprägten Auffassungen des Gebietes auch seine Rückwirkung auf den Gang der Wissenschaft selbst, und diese Rückwirkung kann je nach der Richtung, in welcher
die Definitionen von der Wahrheit abirren, bald von geringerem, bald von sehr erheblichem Einfluß auf den Entwicklungsgang der Wissenschaft sein. Das Gebiet einer Wissenschaft ist eine objektiv geschlossene Einheit; es liegt nicht in unserer Willkür, wo und wie wir Wahrheitsgebiete abgrenzen. Objektiv gliedert sich das
Reich der Wahrheit in Gebiete; nach diesen objektiven Einheiten müssen sich die Forschungen richten und sich zu Wissenschaften zusammenordnen. Es gibt eine Wissenschaft von den Zahlen, eine Wissenschaft von den Raumgebilden, von den animalischen Wesen usw., nicht aber eigene Wissenschaften von den Primzahlen,
den Trapezen, den
der Wissenschaft nachteilig zu beeinflussen. Es mag sein, daß das theoretische Interesse zunächst seine Befriedigung findet in dem engeren Kreise, daß die Arbeit, die hier ohne Inanspruchnahme
Ungleich gefährlicher ist aber eine andere Unvollkommenheit in der Abgrenzung des Gebietes, nämlich die Gebietsvermen
gung, die Vermischung von Heterogenem zu einer vermeintlichen Gebietseinheit, zumal wenn sie gründet in einer völligen Mißdeutung der Objekte, deren Erforschung das wesentliche Ziel der intendierten Wissenschaft sein soll. Eine derart unbemerkte μετάβασις εἰς ἄλλο γένος kann die schädlichsten Wirkungen nach
sich ziehen: Fixierung untriftiger Ziele; Befolgung prinzipiell verkehrter, weil mit den wahren Objekten der Disziplin inkommensurabler Methoden; Durcheinanderwerfung der logischen Schichten, derart, daß die wahrhaft grundlegenden Sätze und Theorien, oft in den sonderbarsten Verkleidungen, sich zwischen ganz fremd
artigen Gedankenreihen als scheinbar nebensächliche Momente oder beiläufige Konsequenzen fortschieben usw. Gerade bei den philosophischen Wissenschaften sind diese Gefahren beträchtlich, und darum hat die Frage nach Umfang und Grenzen für die fruchtbare Fortbildung dieser Wissenschaften eine ungleich größe
re Bedeutung, als bei den so sehr begünstigten Wissenschaften von
ausgesprochen, das wir uns hier zu eigen machen: "Es ist nicht Vermehrung, sondern Verunstaltung der Wissenschaften, wenn man ihre Grenzen ineinanderlaufen läßt." In der Tat hofft die
eben erörterten Gefahren fast ausnahmslos unterlegen ist, und daß durch die Mißdeutung der theoretischen Grundlagen und durch die hieraus erwachsene Gebietsvermengung der Fortschritt in der logischen Erkenntnis wesentlich gehemmt worden ist.
Die traditionellen und mit der Abgrenzung der Logik zusammenhängenden Streitfragen sind folgende:
Alle diese Streitfragen hängen so innig zusammen, daß die Stellungnahme in der einen, bis zu einem gewissen Grade wenigstens, diejenige in den übrigen mitbedingt oder faktisch beeinflußt. Der Parteien sind eigentlich nur zwei. Die Logik ist eine theoretische, von der Psychologie unabhängige und
eine formale und demonstrative Disziplin — so urteilt die eine. Der anderen gilt sie als eine von der Psychologie abhängige Kunstlehre, womit von selbst ausgeschlossen ist, daß sie den Charakter einer formalen und demonstrativen Disziplin habe im Sinne der für die Gegenseite vorbildlichen Arithmetik.
Da wir es nicht eigentlich auf eine Beteiligung an diesen traditionellen Streitigkeiten, vielmehr auf eine Klärung der in ihnen spielenden prinzipiellen Differenzen und letztlich auf eine
gangspunkt die gegenwärtig fast allgemein angenommene Bestimmung der Logik als einer Kunstlehre und fixieren ihren Sinn und ihre Berechtigung. Daran schließt sich naturgemäß die Frage nach den theoretischen Grundlagen dieser Disziplin und im besonderen nach ihrem Verhältnis zur Psychologie. Im wesentlichen
deckt sich diese Frage, wenn auch nicht dem Ganzen, so doch einem Hauptteile nach, mit der Kardinalfrage der Erkenntnistheorie, die Objektivität der Erkenntnis betreffend. Das Ergebnis unserer diesbezüglichen Untersuchung ist die Aussonderung einer neuen und rein theoretischen Wissenschaft, welche das wichtigste
Fundament für jede Kunstlehre von der wissenschaftlichen Erkenntnis bildet und den Charakter einer apriorischen und rein
gen resultiert eine klar umrissene Idee von dem wesentlichen Gehalt der strittigen Disziplin, womit von selbst eine klare Position zu den aufgeworfenen Streitfragen gegeben ist.
Es ist eine alltägliche Erfahrung, daß die Vorzüglichkeit, mit der ein Künstler seinen Stoff meistert, und daß das entschiedene und oft sichere Urteil, mit dem er Werke seiner Kunst abschätzt, nur ganz ausnahmsweise auf einer theoretischen Erkenntnis der Gesetze beruht, welche dem Verlauf der praktischen Betätigungen
ihre Richtung und Anordnung vorschreiben und zugleich die wertenden Maßstäbe bestimmen, nach denen die Vollkommenheit oder Unvollkommenheit des fertigen Werkes abzuschätzen ist. In der Regel ist der ausübende Künstler nicht derjenige, welcher über die Prinzipien seiner Kunst die rechte Auskunft zu geben
vermag. Er schafft nicht nach Prinzipien und wertet nicht nach Prinzipien. Schaffend folgt er der inneren Regsamkeit seiner harmonisch gebildeten Kräfte, und urteilend dem fein ausgebildeten künstlerischen Takt und Gefühl. So verhält es sich aber nicht allein bei den schönen Künsten, an die man zunächst
gedacht haben mag, sondern bei den Künsten überhaupt, das Wort im weitesten Sinne genommen. Es trifft also auch die Betätigungen des wissenschaftlichen Schaffens und die theoretische Schätzung seiner Ergebnisse, der wissenschaftlichen Begründungen von Tatsachen,
matiker,
bloße Unvollständigkeit, mit der sie die Wahrheiten ihres Gebietes erforschen, sondern den Mangel an innerer Klarheit und Rationalität, die wir unabhängig von der Ausbreitung der Wissenschaft fordern müssen. In dieser Hinsicht darf auch die Mathematik, die fortgeschrittenste aller Wissenschaften, eine Ausnah
mestellung nicht beanspruchen. Vielfach gilt sie noch als das Ideal aller Wissenschaft überhaupt; aber wie wenig sie dies in Wahrheit ist, lehren die alten und noch immer nicht ┌endgültig┐
nären. Dieselben Forscher, die mit unvergleichlicher Meisterschaft die wundervollen Methoden der Mathematik handhaben und sie um neue bereichern, zeigen sich oft gänzlich unfähig, von der logischen Triftigkeit dieser Methoden und den Grenzen ihrer berechtigten Anwendung ausreichende Rechenschaft zu geben. Ob
schon nun die Wissenschaften trotz dieser Mängel groß geworden sind und uns zu einer früher nie geahnten Herrschaft über die Natur verholfen haben, so können sie uns doch nicht theoretisch Genüge tun. Sie sind nicht kristallklare Theorien, in denen die Funktion aller Begriffe und Sätze völlig begreiflich, alle Voraus
Setzungen genau analysiert, und somit das Ganze über jeden theoretischen Zweifel erhaben wäre.
Um dieses theoretische Ziel zu erreichen, bedarf es, wie ziemlich
allgemein anerkannt ist, fürs erste einer Klasse von Untersuchungen, die in das Reich der Metaphysik gehören.
Die Aufgabe derselben ist nämlich, die ungeprüften, meistens sogar unbemerkten und doch so bedeutungsvollen Voraussetzungen metaphysischer Art zu fixieren und zu prüfen, die mindestens
sionalen Euklidischen, die Zeit den einer eindimensionalen orthoiden Mannigfaltigkeit hat; daß alles Werden dem Kausalitätsgesetz unterliegt usw. Unpassend genug pflegt man diese durchaus in den Rahmen der Ersten Philosophie des Aristoteles gehörigen Voraussetzungen gegenwärtig als erkenntnistheoreti
sche zu bezeichnen.
Diese metaphysische Grundlegung reicht aber nicht aus, um die gewünschte theoretische Vollendung der Einzelwissenschaften zu erreichen; sie betrifft ohnehin bloß die Wissenschaften, welche es mit der realen Wirklichkeit zu tun haben, und das tun doch
nicht alle, sicher nicht die rein mathematischen Wissenschaften, deren Gegenstände Zahlen, Mannigfaltigkeiten u. dgl. sind, die unabhängig von realem Sein oder Nichtsein als bloße Träger rein idealer Bestimmungen gedacht sind. Anders verhält es sich mit einer zweiten Klasse von Untersuchungen, deren theoretische
Erledigung ebenfalls ein unerläßliches Postulat unseres Erkennt-nisstrebens bildet; sie gehen alle Wissenschaften in gleicher Weise an, weil sie, kurz gesagt, auf das gehen, was Wissenschaften überhaupt zu Wissenschaften macht. Hierdurch aber ist das Gebiet einer neuen und, wie sich alsbald zeigen wird, komplexen
Disziplin bezeichnet, deren Eigentümliches es
Die Möglichkeit und die Berechtigung einer solchen Disziplin — als einer zur Idee der Wissenschaft gehörigen normativen und praktischen Disziplin — kann durch folgende Überlegung begründet werden.
Wissenschaft geht, wie der Name besagt, auf Wissen. Nicht als
ob sie selbst eine Summe oder ein Gewebe von Wissensakten wäre. Objektiven Bestand hat die Wissenschaft nur in ihrer Literatur, nur in der Form von Schriftwerken hat sie ein eigenes, wenn auch
staltungen, die, wie sie aus Wissensakten vieler Einzelner hervorgegangen sind, wieder in eben solche Akte ungezählter Individuen übergehen können, in einer leicht verständlichen, aber nicht ohne Weitläufigkeiten exakt zu beschreibenden Weise. Uns genügt hier, daß die Wissenschaft gewisse nähere Vorbedingungen für die
Erzeugung von Wissensakten beistellt bzw. beistellen soll, reale Möglichkeiten des Wissens, deren Verwirklichung von dem "normalen" bzw. "entsprechend begabten" Menschen unter bekannten "normalen" Verhältnissen als ein erreichbares Ziel seines Wollens angesehen werden kann. In diesem Sinne also zielt die
Wissenschaft auf Wissen.
Im Wissen aber besitzen wir die Wahrheit. Im aktuellen Wissen, worauf wir uns letztlich zurückgeführt sehen, besitzen wir sie als Objekt eines richtigen Urteils. Aber dies allein reicht nicht aus; denn nicht jedes richtige Urteil, jede mit der Wahrheit überein
stimmende Setzung oder Verwerfung eines
haben; eine Gewißheit, die wir in bekannter Weise scheiden müssen von der blinden Überzeugung, vom vagen und sei es noch so fest entschiedenen Meinen, wofern wir nicht an den Klippen des extremen Skeptizismus scheitern sollen. Bei diesem strengen Begriffe des Wissens bleibt die gemeinübliche Redeweise aber
nicht stehen. Wir sprechen z.B. von einem Wissensakt auch da, wo mit dem gefällten Urteil zugleich die klare Erinnerung verknüpft ist, daß wir früher ein von Evidenz begleitetes Urteil identisch desselben Gehaltes gefällt haben, und besonders, wo die Erinnerung auch einen beweisenden Gedankengang betrifft, aus
dem diese Evidenz hervorgewachsen ist und den zugleich mit dieser Evidenz wiederzuerzeugen wir uns mit Gewißheit Zutrauen. ("Ich weiß, daß der Pythagoräische Lehrsatz ┌wahr ist┐
So fassen wir überhaupt den Begriff des Wissens in einem weiteren, aber doch nicht ganz laxen Sinne; wir scheiden ihn ab
von dem grundlosen Meinen und beziehen uns hierbei auf irgendwelche "Kennzeichen" für ┌das Bestehen┐
der unvergleichlichen Mehrheit der Fälle entbehren wir dieser absoluten Erkenntnis der Wahrheit, statt ihrer dient uns (man denke nur an die Funktion des Gedächtnisses in den obigen Beispielen) die Evidenz für die mehr oder minder hohe Wahrscheinlichkeit des Sachverhalts, an welche sich bei entsprechend "er
heblichen" Wahrscheinlichkeitsgraden das fest entschiedene Urteil anzuschließen pflegt. Die Evidenz der Wahrscheinlichkeit eines Sachver
negativen Wahrscheinlichkeitswerten vernünftige von unvernünftigen, besser begründete von schlechter begründeten Annahmen, Meinungen, Vermutungen zu scheiden vermögen. Im letzten Grunde beruht also jede echte und speziell jede wissenschaftliche Erkenntnis auf Evidenz, und so weit die Evidenz reicht, so weit
reicht auch der Begriff des Wissens.
Trotzdem bleibt eine Doppelheit im Begriff des Wissens (oder was uns als gleichbedeutend gilt: der Erkenntnis) bestehen. Wissen im engsten Sinne des Wortes ist Evidenz davon, daß ein gewisser Sachverhalt ┌ besteht oder nicht besteht┐
ist oder nicht ist; also ist auch die Evidenz davon, daß ein gewisser Sachverhalt in dem oder jenem Grade wahrscheinlich ist, in Beziehung darauf, daß er dies ist, ein Wissen im engsten Sinne; dagegen liegt hier in Beziehung auf ┌den Bestand┐
im weiteren, geänderten Sinne vor. In diesem letzteren spricht
scheinlichkeiten für das P-Sein des S in ihrer Steigerungsfolge asymptotisch annähern.
Zum Begriff der Wissenschaft und ihrer Aufgabe gehört nun aber mehr als bloßes Wissen. Wenn wir innere Wahrnehmungen, einzeln oder gruppenweise, erleben und als daseiend anerkennen,
so haben wir Wissen, aber noch lange nicht Wissenschaft. Und nicht anders verhält es sich mit zusammenhangslosen Gruppen von Wissensakten überhaupt. Zwar Mannigfaltigkeit des Wissens, aber nicht ┌bloße┐
ihr eigentümliche Einheit in der Mannigfaltigkeit des Wissens aus. Eine Gruppe vereinzelter
Begründung des Wissens und gehörige Verknüpfung und Ordnung in der Folge der Begründungen.
Zum Wesen der Wissenschaft gehört also die Einheit des Begründungszusammenhanges, in dem mit den einzelnen Erkenntnissen auch die Begründungen selbst und mit diesen auch die
höheren Komplexionen von Begründungen, die wir Theorien nennen, eine systematische Einheit erhalten. Ihr Zweck ist es eben, nicht Wissen schlechthin, sondern Wissen in solchem Ausmaße und in solcher Form zu vermitteln, wie es unseren höchsten theoretischen Zielen in möglichster Vollkommenheit entspricht.
Daß uns die systematische Form als die reinste Verkörperung der Idee des Wissens erscheint, und daß wir sie praktisch anstreben, darin äußert sich nicht etwa ein bloß ästhetischer Zug unserer Natur. Die Wissenschaft will und darf nicht das Feld eines architektonischen Spiels sein. Die Systematik, die der
Wissenschaft eignet, natürlich der echten und rechten Wissenschaft, erfinden wir nicht, sondern sie liegt in den Sachen, wo wir
Gesetzlichkeit; und so muß auch die Erforschung und Darlegung der Wahrheiten systematisch sein, sie muß deren systematische Zusammenhänge widerspiegeln und sie zugleich als Stufenleiter des Fortschrittes benützen, um von dem uns gegebenen oder bereits gewonnenen Wissen aus in immer höhere Regionen des
Wahrheitsreiches eindringen zu können.
Dieser hilfreichen ┌Stufenleiter┐
tungen
unmittelbarem Innewerden teilhaftig wird? Faktisch stellt sich aber die Evidenz, die den vorgestellten Sachverhalt als ┌beste-hend┐
Gruppe primitiver Sachverhalte unmittelbar ein; unzählige wahre Sätze erfassen wir als Wahrheiten nur dann, wenn sie methodisch "begründet" werden, d.h. in diesen Fällen stellt sich im bloßen Hinblick auf den Satzgedanken, wenn überhaupt urteilsmäßige Entscheidung, so doch nicht Evidenz ein; aber es stellt sich, ge
wisse normale Verhältnisse vorausgesetzt, beides zugleich ein, sowie wir von gewissen Erkenntnissen ausgehen und dann einen gewissen Gedankenweg zu dem intendierten Satze einschlagen. Es mag für denselben Satz mannigfaltige Begründungswege geben, die einen von diesen, die anderen von jenen Erkenntnissen
auslaufend; aber charakteristisch und wesentlich ist der Umstand,
Und daß es sich so verhält, daß wir Begründungen brauchen,
um in der Erkenntnis, im Wissen über das unmittelbar Evidente und darum Triviale hinauszukommen, das macht nicht nur Wissenschaften möglich und nötig, sondern mit den Wissenschaften auch eine Wissenschaftslehre, eine Logik. Verfahren alle Wissenschaften methodisch im Verfolge der Wahrheit,
haben sie alle mehr oder minder künstliche Hilfsmittel in Gebrauch, um Wahrheiten bzw. Wahrscheinlichkeiten, die sonst verborgen blieben, zur Erkenntnis zu bringen, und um das Selbstverständ|liche oder bereits Gesicherte als Hebel zu nützen für die
dürfte doch die
struktion derselben je nach den verschiedenen Klassen von Fällen.
Überlegen wir, um etwas tiefer in die Sache zu dringen, die bedeutsamsten Eigentümlichkeiten dieser merkwürdigen Gedan
kenverläufe, die wir Begründungen nennen.
Sie haben, um auf ein Erstes hinzuweisen, in Beziehung auf ihren Gehalt den Charakter fester Gefüge. Nicht können wir, um zu einer gewissen Erkenntnis, z.B. der des Pythagoräischen Lehrsatzes, zu gelangen, ganz beliebige aus den unmittelbar gegebenen
Erkenntnissen zu Ausgangspunkten wählen, und nicht dürfen wir im weiteren Verlaufe beliebige Gedankenglieder einfügen und ausschalten: soll die Evidenz des zu begründenden Satzes wirklich aufleuchten, die Begründung also wahrhaft Begründung sein.
Noch ein Zweites merken wir alsbald. Von vornherein, d.h.
vor dem vergleichenden Hinblick auf die Beispiele von Begründungen, die uns von überall her in Fülle Zuströmen, möchte es als denkbar erscheinen, daß jede Begründung nach Gehalt und Form
formen eines jeden Sinnes bar und als Gemeinsames bei der Vergleichung irgendwelcher Begründungen immer nur das eine zu konstatieren wäre: Daß eben ein Satz S, der für sich evidenzlos ist, den Charakter der Evidenz er|hält, wenn er im Zusammen-
Erkenntnis von S anknüpfen muß. In keinem einzigen Falle verhält es sich so. Nicht Willkür und Zufall herrscht in den Begründungszusammenhängen, sondern Vernunft und Ordnung, und das heißt: regelndes Gesetz. Kaum bedarf es eines Beispiels zur Verdeutlichung. Wenn wir in einer mathematischen Aufgabe,
die ein gewisses Dreieck ABC betrifft, den Satz anwenden "ein gleichseitiges Dreieck ist gleichwinklig", so vollziehen wir eine Begründung, die expliziert lautet: Jedes gleichseitige Dreieck ist gleichwinklig, das Dreieck ABC ist gleichseitig, also ist es gleichwinklig. Setzen wir daneben die arithmetische Begründung: Jede
dekadische Zahl mit gerader Endziffer ist eine gerade Zahl, 364 ist eine dekadische Zahl mit gerader Endziffer, also ist sie eine gerade Zahl. Wir bemerken sofort, daß diese Begründungen etwas Gemeinsames haben, eine gleichartige innere Konstitution, die wir verständlich ausdrücken in der "Schlußform": Jedes A ist B,
X ist A, also ist XB. Aber nicht bloß diese zwei Begründungen haben diese gleiche Form, sondern ungezählte andere. Und noch mehr. Die Schlußform repräsentiert einen Klassenbegriff, unter den die unendliche Mannigfaltigkeit von Sätzeverknüpfungen der in ihr scharf ausgeprägten Konstitution fällt. Zugleich besteht
aber das apriorische Gesetz, daß jede vorgebliche Begründung, die ihr gemäß verläuft, auch wirklich eine richtige ist, wofern sie überhaupt von richtigen Prämissen ausgeht.
Und dies gilt allgemein. Wo immer wir von gegebenen Erkenntnissen begründend aufsteigen zu neuen, da wohnt dem Begrün
Keine Begründung steht, dies ist die höchst merkwürdige Tatsache, isoliert. Keine knüpft Erkenntnisse an Erkenntnisse, ohne daß, sei es in dem äußerlichen Modus der Verknüpfung, sei es in diesem und zugleich in dem inneren Bau der einzelnen Sätze, ein bestimmter Typus ausgeprägt wäre, der, in allgemeine Begriffe
gefaßt, sofort zu einem allgemeinen, auf eine Unendlichkeit möglicher Begründungen bezüglichen Gesetze überleitet.
Endlich sei noch ein Drittes als merkwürdig hervorgehoben. Von vornherein, d.h. vor der Vergleichung der Begründungen verschiedener Wissenschaften, möchte man den Gedanken
für möglich halten, daß die Begründungsformen an Erkenntnisgebiete gebunden seien. Wenn schon nicht überhaupt mit den Klassen von Objekten die zugehörigen Begründungen wechseln, so könnte es doch sein, daß sich die Begründungen nach gewissen sehr allgemeinen Klassenbegriffen, etwa denjenigen, welche die
Wissenschaftsgebiete abgrenzen, scharf sondern. Ist es also nicht so, daß keine Begründungsform existiert, die zwei Wissenschaften gemeinsam ist, der Mathematik z.B. und der Chemie? Indessen auch dies ist offenbar nicht der Fall, wie schon das obige Beispiel lehrt. Keine Wissenschaft, in der nicht Gesetze auf singuläre Fälle
übertragen ┌würden┐
Erkenntnisgebiet frei werden.
Diese Eigentümlichkeiten der Begründungen, deren Merkwürdigkeit uns nicht auffällt, weil wir allzuwenig geneigt sind,
Daß es Begründungen gibt, reicht in dieser Beziehung nicht
hin. Wären sie form- und gesetzlos, bestände nicht ┌diese┐
die Richtigkeit der Schlüsse dieser ganzen Klasse eben durch ihre Form verbürgt ist, bestände vielmehr in all dem das Gegenteil — dann gäbe es keine Wissenschaft. Das Reden von einer Methode, von einem systematisch geregelten Fortschritt von Erkenntnis zu Erkenntnis, hätte keinen Sinn mehr, jeder Fortschritt wäre Zu
fall. Da würden einmal zufällig die Sätze P1P2... in unserem Bewußtsein Zusammentreffen, die dem Satze S die Evidenz zu verleihen fähig sind, und richtig würde die Evidenz aufleuchten. Es wäre nicht mehr möglich, aus einer zustande gekommenen Begründung für die Zukunft das Geringste zu lernen in Beziehung
auf neue Begründungen von neuer Materie; denn keine Begründung hätte etwas Vorbildliches für irgendeine andere, keine verkörperte in sich einen Typus, und so hätte auch keine Urteilsgruppe, als Prämissensystem gedacht, etwas Typisches an sich, das sich uns (ohne begriffliche Hervorhebung, ohne Rekurs auf
die explizierte "Schlußform") im neuen Falle und bei Gelegenheit ganz anderer "Materien" aufdrängen und
durchprobieren, ob sie als Prämissen für den vorliegenden Satz brauchbar seien? Der Klügste hätte hier vor dem Dümmsten nichts voraus, und ┌es ist fraglich, ob er vor ihm überhaupt noch etwas Wesentliches voraus hätte┐
Denn es gilt allgemein, daß in einer beliebigen psychischen
Komplexion nicht bloß die Elemente, sondern auch die verknüpfenden Formen assoziative bzw. reproduktive Wirksamkeit üben. So kann sich also die Form unserer theoretischen Gedanken und Gedankenzusammenhänge als förderlich erweisen. Wie z.B. die Form gewisser Prämissen den zugehörigen Schlußsatz mit be
sonderer Leichtigkeit hervorspringen läßt, weil uns früher Schlüsse derselben Form gelungen waren, so kann auch die Form eines zu beweisenden Satzes gewisse Begründungsformen in Erinnerung bringen, welche ähnlich geformte Schlußsätze früher ergeben hatten. Ist es auch nicht klare und eigentliche Erinnerung, so ist
es doch ein Analogon davon, gewissermaßen latente Erinnerung, es ist "unbewußte Erregung" (im Sinne B. Erdmanns); jedenfalls ist es etwas, das sich für das leichtere Gelingen von Beweiskonstruktionen (und nicht allein in den Gebieten, wo die argumenta in forma vorherrschen, wie in der Mathematik) höchst
förderlich zeigt. Der geübte Denker findet leichter Beweise als der ungeübte, und warum dies? Weil sich ihm die Typen der Beweise durch mannigfache Erfahrung immer tiefer eingegraben haben und darum für ihn viel leichter wirksam und die Gedankenrichtung bestimmend sein müssen. In gewissem Umfang übt das
wissenschaftliche Denken beliebiger Gattung für wissenschaftliches Denken überhaupt; daneben aber gilt, daß in besonderem Maß und Umfang das mathematische Denken speziell für Mathematisches, das physikalische speziell für Physikalisches prädisponiert usw. Ersteres beruht auf dem Bestande typischer Formen,
die allen Wissenschaften gemein sind, letzteres auf dem Bestande anderer (eventuell als bestimmt gestaltete Komplexionen jener zu charakterisierenden) Formen, die zu der Besonderheit der einzelnen Wissenschaften ihre besondere Be|ziehung haben. Die
Intuition und Divination hängen hiermit zusammen. Wir sprechen von einem philologischen Takt und Blick, von einem mathematischen usw.
Erfindung und Entdeckung beruht so auf den Gesetzmäßigkeiten der Form.
Ermöglicht nach all dem die geregelte Form den Bestand von Wissenschaften, so ermöglicht auf der anderen Seite die in weitem Umfange bestehende Unabhängigkeit der Form
vom Wissensgebiet den Bestand einer Wissenschaftslehre. Gälte diese Unabhängigkeit nicht, so gäbe es nur einander beigeordnete und den einzelnen Wissenschaften einzeln entsprechende Logiken, aber nicht die allgemeine Logik. In Wahrheit finden wir aber beides nötig: wissenschaftstheoretische Untersuchungen,
welche alle Wissenschaften gleichmäßig betreffen, und zur Ergänzung derselben besondere Untersuchungen, welche die Theorie und Methode der einzelnen Wissenschaften betreffen und das diesen Eigentümliche zu erforschen suchen.
So dürfte die Hervorhebung jener Eigentümlichkeiten, die sich
bei der vergleichenden Betrachtung der Begründungen ergaben, nicht nutzlos gewesen sein, auf unsere Disziplin selbst, auf die Logik im Sinne einer Wissenschaftslehre, einiges Licht zu werfen.
Doch es bedarf noch einiger Ergänzungen, zunächst hinsichtlich unserer Beschränkung auf die Begründungen, die
ein für allemal Sinn und Wert empfangen haben, bei ihrer praktischen Verwendung zwar die Leistung, aber nicht den einsichtigen Gedankengehalt von Begründungen in sich schließen; oder
neben ihnen selbständige Bedeutung beanspruchen dürfen.
So ist es z.B., um uns an die zweiterwähnte Methodengruppe anzuschließen, ein wichtiges Vorerfordernis für die Sicherung von Begründungen überhaupt, daß die Gedanken in angemessener Weise zum Ausdruck kommen mittels wohl unterscheidbarer und
eindeutiger Zeichen. Die Sprache bietet dem Denker ein in weitem Umfang anwendbares Zeichensystem zum Ausdruck seiner Gedanken, aber obschon niemand desselben entraten kann, so stellt es doch ein höchst unvollkommenes Hilfsmittel der strengen Forschung dar. Die schädlichen Einflüsse der Äquivokationen
auf die Triftigkeit der Schlußfolgerungen sind allbekannt. Der vorsichtige Forscher darf die Sprache also nicht ohne kunstmäßige Vorsorgen verwenden, er muß die gebrauchten Termini, soweit sie ┌nicht eindeutig sind┐
ein methodisches Hilfsverfahren zur Sicherung der Begründungen, dieser primär und eigentlich theoretischen Prozeduren.
| Ähnlich verhält es sich mit der Nomenklatur. Kurze und
da unerläßlich, wo diese Begriffe mit dem ursprünglichen Vorrat von definierten Ausdrücken nur sehr umständlich zum Ausdruck
Von ähnlichen Gesichtspunkten läßt sich auch die Methode der Klassifikation betrachten usf.
Beispiele zur ersten Methodengruppe bieten uns die so überaus fruchtbaren algorithmischen Methoden, deren eigentümliche Funktion es ist, uns durch künstliche Anordnungen
mechanischer Operationen mit sinnlichen Zeichen einen möglichst großen Teil der eigentlichen deduktiven Geistesarbeit zu ersparen. Wie Wunderbares diese Methoden auch leisten, sie ge
methodischen Verfahrungsweisen zur Feststellung objektiv gültiger Erfahrungsurteile, wie die mannigfaltigen Methoden zur Bestimmung einer Sternposition, eines elektrischen Widerstandes, einer trägen Masse, eines Brechungsexponenten, der Konstanten der Erdschwere usw. Jede solche Methode repräsentiert eine
Summe von Vorkehrungen, deren Auswahl und Anordnung durch einen Begründungszusammenhang bestimmt wird, welcher allgemein nachweist, daß ein so geartetes Verfahren, mag es auch blind vollzogen sein, notwendigerweise ein objektiv gültiges Einzelurteil liefern müsse.
Doch genug der Beispiele. Es ist klar: Jeder wirkliche Fortschritt der Erkenntnis vollzieht sich in der Begründung; auf sie haben daher alle die methodischen Vorkehrungen und Kunstgriffe Beziehung, von denen über die Begründungen hinaus die Logik noch handelt. Dieser Beziehung verdanken sie auch
schen Charakter, der ja zur Idee der Methode wesentlich gehört. Um dieses Typischen willen ordnen sie sich übrigens in die Betrachtungen des vorigen Paragraphen ebenfalls mit ein.
Aber noch einer weiteren Ergänzung bedarf es. Natürlich hat ┌es┐
auch außerhalb der Wissenschaft, und somit ist klar, daß einzelne Begründungen — und ebenso zusammengeraffte Haufen von Begründungen — noch keine Wissenschaft ausmachen. Dazu gehört, wie wir uns oben ausdrückten, eine gewisse Einheit des Begründungszusammenhanges, eine gewisse Einheit in der Stu
fenfolge von Begründungen; und diese Einheitsform hat selbst
natürlichen Provinzen, in die es sich gliedert — nach Möglichkeit zu fördern.
Die Aufgabe der Wissenschaftslehre wird es also auch sein, von den Wissenschaften als so und so gearteten systematischen Einheiten zu handeln, m.a.W. von dem, was sie der
Form nach als Wissenschaften charakterisiert, was ihre wechselseitige Begrenzung, was ihre innere Gliederung in Gebiete, in relativ geschlossene Theorien bestimmt, welches ihre wesentlich verschiedenen Arten oder Formen sind, u. dgl.
Man kann diese systematischen Gewebe von Begründungen
ebenfalls dem Begriff der Methode unterordnen und somit der Wissenschaftslehre nicht bloß die Aufgabe zuweisen, von den Wissensmethoden zu handeln, die in den Wissenschaften auf
sondern auch gültige und ungültige Theorien und Wissenschaften zu scheiden, fällt ihr zu. Die Aufgabe, die ihr damit zugewiesen wird, ist
heiten ist nicht denkbar ohne die vorgängige Erforschung der Begründungen. Jedenfalls liegen beide im Begriffe einer Wissenschaft von der Wissenschaft als solcher.
Nach dem, was wir bisher erörtert haben, ergibt sich die Logik — in dem hier fraglichen Sinne einer Wissenschaftslehre — als eine normative Disziplin. Wissenschaften sind Geistesschöpfungen, die nach einem gewissen Ziele gerichtet und darum auch diesem Ziele gemäß zu beurteilen sind. Und dasselbe gilt von den
Theorien, Begründungen und allem überhaupt, was wir Methode nennen. Ob eine Wissenschaft in Wahrheit Wissenschaft, eine Methode in Wahrheit Methode ist, das hängt davon ab, ob sie
Wissenschaften ihrer Idee entsprechen, oder inwieweit sie sich ihr nähern, und worin sie gegen sie verstoßen. Dadurch bekundet sich die Logik als normative Wissenschaft und scheidet von sich ab die vergleichende Betrachtungsweise der historischen Wissenschaft, welche die Wissenschaften als konkrete Kulturerzeugnisse
der jeweiligen Epochen nach ihren typischen Eigentümlichkeiten und Gemeinsamkeiten zu erfassen und aus den Zeitverhältnissen zu erklären versucht. Denn das ist das Wesen der normativen Wissenschaft, daß sie allgemeine Sätze
eine Idee oder einen obersten Zweck — bestimmte Merkmale angegeben sind, deren Besitz die Angemessenheit an das Maß verbürgt oder umgekehrt eine unerläßliche Bedingung für diese Angemessenheit
Nichtvorhandensein solcher Sachlagen ausgesprochen ist. Nicht als ob sie allgemeine Kennzeichen zu geben brauchte, die besagen, wie ein Objekt überhaupt beschaffen sein soll, um der Grundnorm zu entsprechen; so wenig die Therapie Universalsymptome angibt, so wenig gibt irgendeine normative Disziplin Universalkri
terien. Was uns im besonderen die Wissenschaftslehre gibt und allein geben kann, sind Spezialkriterien. Indem sie feststellt, daß im Hinblick auf das oberste Ziel der Wissenschaften und auf die faktische Konstitution des menschlichen Geistes, und was sonst noch in Betracht kommen mag, die und die Methoden, etwa
M1M2..., erwachsen, spricht sie Sätze der Form aus: Jede Gruppe von Geistesbetätigungen der Arten aß..die in der Komplexionsform M1 (bzw. M2...) sich abwickeln, liefert einen Fall richtiger Methode; oder was gleichwertig ist: Jedes (angeblich) methodische Verfahren der Form M1 (bzw. M2-..) ist ein
richtiges. Gelänge es, alle an sich möglichen und gültigen Sätze dieser und verwandter Art wirklich aufzustellen, dann allerdings enthielte die normative Disziplin die messende Regel für jede angebliche Methode überhaupt, aber auch dann nur in Form von Spezialkriterien.
Wo die Grundnorm ein Zweck ist oder Zweck werden kann, geht aus der normativen Disziplin durch eine naheliegende Erweiterung ihrer Aufgabe eine Kunstlehre hervor. So auch hier. Stellt sich die Wissenschaftslehre die weitergehende Aufgabe, die
unserer Macht unterliegenden Bedingungen zu erforschen, von denen die Realisierung gültiger Methoden abhängt, und Regeln aufzustellen, wie wir in der methodischen Überlistung der Wahrheit verfahren, wie wir Wissenschaften triftig
förderlichen Methoden erfinden oder anwenden, und wie wir uns in allen diesen Beziehungen vor Fehlern hüten sollen: so wird sie zur Kunstlehre von der Wissenschaft. Offenbar schließt diese die normative Wissenschaftslehre ┌ganz┐
gemessen, wenn man den Begriff der Logik entsprechend erweitert und sie im Sinne dieser Kunstlehre definiert.
Die Definition der Logik als einer Kunstlehre ist von alters her sehr beliebt, doch lassen die näheren Bestimmungen in der Regel
zu wünschen übrig. Definitionen wie Kunstlehre des Urteilens, des Schließens, der Erkenntnis, des Denkens (l’art de penser) sind mißdeutlich und jedenfalls zu enge. Begrenzen wir z.B. in der letzterwähnten und noch heute gebrauchten Definition die vage Bedeutung des Terminus "denken" auf den Begriff des richtigen
Urteils, so lautet die Definition: Kunstlehre vom richtigen Urteil. Daß diese Definition aber zu enge ist, geht nun daraus hervor, daß aus ihr der Zweck der wissenschaftlichen Erkenntnis nicht ableitbar ist. Sagt man: der Zweck des Denkens werde ┌vollkommen┐
haft richtig; aber es ist damit auch zugegeben, daß eigentlich nicht das Denken bzw. die Erkenntnis, der Zweck der fraglichen Kunstlehre ist, sondern dasj enige, dem das Denken selbst Mittel ist.
Ähnlichen Bedenken unterliegen die übrigen Definitionen. Sie unterliegen auch dem neuerdings wieder von Bergmann erhobenen Einwande, daß wir in der Kunstlehre einer Tätigkeit — z.B. des Malens, des Singens, des Reitens — vor allem erwarten
müßten, "daß sie zeige, was man tun müsse, damit die betreffende Tätigkeit richtig vollzogen werde, z.B. wie man beim Malen den Pinsel fassen und führen, beim Singen die Brust, die Kehle und den Mund gebrauchen, beim Reiten
in den Bereich der Logik ihr ganz fremdartige Lehren.
zu berücksichtigen und, was sie fördern kann, zu erforschen haben; während die entfernteren Vorbedingungen, welche das Zustandekommen von Erkenntnis überhaupt begünstigen, der Pädagogik, der Hygiene usw. überlassen bleiben. Indessen kommt in Schleiermachers Definition nicht ganz deutlich zum Aus
druck, daß es dieser Kunstlehre auch obliege, die Regeln aufzustellen, denen gemäß Wissenschaften abzugrenzen und aufzubauen sind, während umgekehrt dieser Zweck den der wissenschaftlichen Erkenntnis einschließt. Vortreffliche Gedanken zur Umgrenzung unserer Disziplin findet man in Bolzanos Wissen
schaftslehre, aber mehr in den kritischen Voruntersuchungen als in der Definition, die er selbst bevorzugt. Diese lautet befremdlich genug: die Wissenschaftslehre (oder Logik) sei "diejenige Wissenschaft, welche uns anweise, wie wir ┌die┐
Aus unseren letzten Betrachtungen ist die Berechtigung einer Logik als Kunstlehre als so selbstverständlich hervorgegangen, daß es verwunderlich erscheinen muß, wie in diesem Punkte ein Streit je hat bestehen können. Eine praktisch gerichtete Logik ist ein unabweisbares Postulat aller Wissenschaften, und dem ent
spricht es auch, daß die Logik historisch aus praktischen Motiven des Wissenschaftsbetriebes erwachsen ist. Dies geschah bekanntlich in jenen denkwürdigen Zeiten, als die neu aufkeimende griechische Wissenschaft in Gefahr geriet, den Angriffen der Skeptiker und Subjektivisten zu unterliegen, und alles weitere
Gedeihen der Wissenschaft davon abhing, objektive Wahrheitskriterien zu finden, welche den täuschenden Schein der sophistischen Dialektik zu zerstören ┌vermochten┐
Wenn man gleichwohl, zumal in neuerer Zeit unter Kants Einflusse, der Logik den Charakter einer Kunstlehre wiederholt
aberkannt hat, während man dieser Charakterisierung auf der anderen Seite fortgesetzt Wert beimaß, so kann sich der Streit doch nicht um die bloße Frage gedreht haben, ob es möglich sei, der Logik praktische Ziele zu setzen und sie darnach als eine Kunstlehre zu fassen. Hat doch Kant selber von einer ange
wandten Logik gesprochen, welcher die Regelung des Verstandesgebrauchs "unter den zufälligen Bedingungen des Subjekts, die
er sie auch nicht eigentlich als Wissenschaft gelten lassen will, wie die reine Logik,
darüber streiten — und dies ist auch ausreichend geschehen —, ob für die Förderung der menschlichen Erkenntnis durch eine Logik als praktische Wissenschaftslehre ein erheblicher Gewinn zu erhoffen sei; ob man sich z.B. von einer Erweiterung der alten Logik, die nur zur Prüfung gegebener Erkenntnisse dienen könne,
um eine ars inventiva, eine "Logik der Entdeckung" wirklich so große Umwälzungen und Fortschritte versprechen dürfe, wie Leibniz dies bekanntlich geglaubt hat, u. dgl. Aber dieser Streit betrifft keine prinzipiell bedeutsamen Punkte, und er entscheidet sich durch die klare Maxime, daß schon eine mäßige Wahrschein
lichkeit für eine künftige Förderung der Wissenschaften die Be-arbeitung einer
Die eigentliche und prinzipiell wichtige Streitfrage, die leider
welcher das Recht der Logik als einer eigenen wissenschaftlichen Disziplin begründe, während vom theoretischen Standpunkte aus all das, was die Logik an Erkenntnissen sammle, einerseits in rein theoretischen Sätzen bestehe, die in sonst bekannten theoretischen Wissenschaften, hauptsächlich aber in der Psychologie,
ihr ursprüngliches Heimatsrecht beanspruchen müssen, und andererseits in Regeln, die auf diese theoretischen Sätze gegründet sind.
In der Tat liegt wohl auch das Wesentliche
bestreitet, sondern daß er eine gewisse Begrenzung bzw. Einschränkung der Logik für möglich und in erkenntnistheoretischer Hinsicht für fundamental hält, wonach sie als eine völlig unabhängige, im Vergleich mit den anderweitig bekannten Wissenschaften neue, und zwar rein theoretische Wissenschaft dasteht,
welcher nach Art der Mathematik jeder Gedanke an eine mögliche Anwendung äußerlich bleibt, und welche der Mathematik auch darin gleicht, daß sie eine apriorische und rein demonstrative Disziplin ist.
Die Einschränkung der Logik auf ihren theoretischen Wissens
gehalt führt nach der vorherrschenden Form der gegnerischen Lehre auf psychologische, evtl. auch grammatische und andere Sätze; also auf kleine Ausschnitte aus anderweitig abgegrenzten und dazu empirischen Wissenschaften; nach Kant stoßen wir vielmehr noch auf ein in sich geschlossenes, selbständiges und dazu
apriorisches Gebiet theoretischer Wahrheit, auf die reine Logik.
diese, als unseren nächsten Interessen fernliegend, ab, so bleibt nur die oben hingestellte Streitfrage übrig; wir abstrahieren auf
anderweitig bekannte theoretische Wissenschaften glaubt einordnen zu können.
Den letzteren Standpunkt hat schon Beneke mit Lebhaftigkeit vertreten;
Auf demselben Boden steht auch das führende Werk der neueren logischen Bewegung in Deutschland, die Logik Sigwar ts. Scharf und entschieden spricht sie es aus: "Die oberste Aufgabe der Logik und diejenige, die ihr eigentliches Wesen ausmacht, [ist es,] Kunstlehre zu sein."
Auf dem anderen Standpunkte finden wir neben Kant insbesondere Herbart, dazu eine große Zahl ihrer Schüler.
Wie wohl sich übrigens in dieser Beziehung der extremste Empirismus mit der Kantschen Auffassung verträgt, ersieht man aus Bains Logik, die zwar als Kunstlehre aufgebaut ist,
aber eine Logik als eigene theoretische und abstrakte Wissen
anderen Wissenschaften als eine absolut unabhängige Wissenschaft voraus; aber sie ist doch eine eigene Wissenschaft, sie ist nicht wie bei Mill eine bloße Zusammenordnung psychologischer Kapitel, geboten durch die Absicht auf eine praktische Regelung der Erkenntnis.
In den mannigfachen Bearbeitungen, welche die Logik in die
und in der Regel auch von beiden Seiten als nützlich zugestanden worden ist, erschien manchen der ganze Streit um den (wesentlich) praktischen oder theoretischen Charakter der Logik als bedeutungslos. Sie hatten sich den Unterschied der Standpunkte eben nie klargemacht.
Unsere Zwecke erfordern es nicht, auf die Streitigkeiten der älteren Logiker — ob die Logik eine Kunst sei oder eine Wissenschaft oder beides oder keines von beiden; und wieder ob sie im zweiten Falle eine praktische oder spekulative Wissenschaft sei oder beides zugleich — kritisch einzugehen. Sir William Hamilton urteilt über sie und
damit zugleich über den Wert der Fragen wie folgt: "The controversy ... is perhaps one of the most futile in the history of speculation. In so far as Logic is concerned, the decision of the question is not of the very smallest import. It was not in consequence of any diversity of opinion in regard to the scope and nature of this doctrine, that philosophers disputed by what
name it should be called. The controversy was, in fact, only about what was properly an art, and what was properly a science; and as men attached one meaning or another to these terms, so did they affirm Logic
dungen und Kontroversen nicht sehr tief geforscht hat. Bestände eine angemessene Übereinstimmung in bezug auf die Behandlungsweise der Logik und den Inhalt der ihr beizurechnenden Lehren, dann wäre die Frage, ob und wie die Begriffe art und Science zu ihrer Definition gehören, von geringerer Bedeutung, obschon lange noch nicht eine
Frage der bloßen Etikettierung. Aber der Streit um die Definitionen ist (wie wir bereits ausgeführt haben) in Wahrheit ein Streit um die Wissenschaft selbst, und zwar nicht um die fertige, sondern um die werdende und vorläufig nur prätendierte Wissenschaft, bei der noch die Probleme, die Methoden, die Lehren, kurz alles und jedes zweifel
haft ist. Schon zu Hamiltons Zeiten und lange vor ihm waren die Differenzen in Ansehung des wesentlichen Gehalts, des Umfangs und der Behandlungsweise der Logik sehr erheblich. Man vergleiche nur Hamiltons, Bolzanos, Mills und Benekes Werke. Und wie sind die Differenzen seitdem erst gewachsen. Stellen wir Erdmann und 40 Drobisch, Wundt und Bergmann, Schuppe und Brentano, Sigwart und Überweg zusammen — ist das alles eine Wissenschaft
ständigen. Hält man nun damit zusammen, was wir in der Einleitung betont haben — daß die Definitionen nur die Überzeugungen ausprägen, die man über die wesentlichen Aufgaben und den methodischen Charakter der Logik besitzt, und daß hierauf bezügliche Vorurteile und Irrtümer bei einer so zurückgebliebenen Wissenschaft dazu bei
tragen können, die Forschung von vornherein auf falsche Bahnen zu lenken — so wird man Hamilton sicherlich nicht zustimmen können, wenn er sagt: "the decision of the question is not of the very smallest import".
Nicht wenig hat zur Verwirrung der Umstand beigetragen, daß
auch von seiten ausgezeichneter Vorkämpfer für die Eigenberechtigung einer reinen Logik, wie Drobisch und Berg|mann, der
Liegt nicht im Begriffe der Normierung die Beziehung auf einen leitenden Zweck und ihm zugeordnete Tätigkeiten? Besagt also normative Wissenschaft nicht genau dasselbe wie Kunstlehre?
Die Art, wie Drobisch seine Bestimmungen einführt und faßt, kann nur zur Bestätigung dienen. In seiner noch immer
wertvollen Logik lesen wir: "Das Denken kann in doppelter Beziehung Gegenstand einer wissenschaftlichen Untersuchung werden: einmal nämlich, sofern es eine Tätigkeit des Geistes ist, nach deren Bedingungen und Gesetzen geforscht werden kann; sodann aber, sofern es als Werkzeug zur Erwerbung mittelbarer Erkennt
nis, das nicht nur einen richtigen, sondern auch einen fehlerhaften Gebrauch zuläßt, im ersteren Falle zu wahren, im anderen zu falschen Ergebnissen führt. Es gibt daher sowohl Naturgesetze des Denkens als Normalgesetze für dasselbe, Vorschriften (Normen), nach denen es sich zu richten hat, um zu wahren
Ergebnissen zu führen. Die Erforschung der Naturgesetze des Denkens ist eine Aufgabe der Psychologie, die Feststellung seiner Normalgesetze aber die Aufgabe der Logik."
Von gegnerischer Seite wird man sagen: Hier ist kein Wort, das nicht Beneke oder Mill unterschreiben und zu eigenen Gunsten verwerten könnte. Gesteht man aber die Identität der Begriffe
"normative Disziplin" und "Kunstlehre" zu, so ist es auch selbstverständlich, daß, wie bei Kunstlehren überhaupt, nicht die sachliche Zusammengehörigkeit, sondern der leitende Zweck das Band ist, welches die logischen Wahrheiten zu einer Disziplin einigt.
zu ziehen, wie es die traditionelle aristotelische Logik — denn darauf kommt ja wohl die "reine" Logik hinaus — tut. Es ist widersinnig, der Logik einen Zweck zu setzen und dann gleichwohl Klassen von Normen und normativen Untersuchungen, die zu diesem Zwecke gehören, von der Logik auszuschließen. Die
Vertreter der reinen Logik stehen eben noch unter dem Banne der Tradition; der verwunderliche Zauber, den der hohle Formelkram der scholastischen Logik durch Jahrtausende geübt hat, ist in ihnen noch übermächtig.
Dies die Kette naheliegender Einwände, ganz dazu angetan,
das moderne Interesse von einer genaueren Erwägung der sachlichen Motive abzulenken, welche bei großen und selbständigen Denkern zugunsten einer reinen Logik als eigener Wissenschaft gesprochen haben, und welche auch jetzt noch auf ernste Prüfung Anspruch erheben könnten. Der treffliche Drobisch mag sich
mit seiner Bestimmung vergriffen haben; aber das beweist nicht, daß seine Position, sowie die seines Meisters Herbart und endlich diejenige des ersten Anregers, Kant,
lehren. Der Arithmetik entspricht die praktische Rechenkunst, der Geometrie die Feldmeßkunst. Wieder schließen sich, obschon in etwas anderer Weise, an die theoretischen abstrakten Naturwissenschaften Technologien, an die Physik die physikalischen, an die Chemie die chemischen Technologien. Mit Rücksicht dar
auf liegt die Vermutung nahe, es sei der eigentliche Sinn der prätendierten reinen Logik, eine abstrakte theoretische Disziplin zu sein, die in analoger Weise wie in den bezeichneten Fällen eine Technologie begründe, eben die Logik im gemeinen, praktischen Sinne. Und wie nun überhaupt bei Kunstlehren mitunter
vorzugsweise eine, mitunter aber mehrere theoretische Disziplinen den Unterbau für die Ableitung ihrer Normen beistellen, so könnte auch die Logik im Sinne der Kunstlehre von einer Mehrheit solcher Disziplinen abhängen, also in jener reinen Logik bloß das eine, wenn auch vielleicht das hauptsächlichste, Fundament
besitzen. Würde sich dann überdies zeigen, daß die im prägnanten Sinne logischen Gesetze und Formen einem theoretisch abgeschlossenen Kreis abstrakter Wahrheit angehören, der auf keine Weise in die bislang abgegrenzten theoretischen Disziplinen einzuordnen und somit selbst als die fragliche reine Logik in An
sprach zu nehmen sei: dann würde sich die weitere Vermutung aufdrängen, daß Unvollkommenheiten der Begriffsbestimmung dieser Disziplin, sowie die Unfähigkeit, sie in ihrer Reinheit darzustellen und ihr Verhältnis zur Logik als Kunstlehre klarzulegen, die Vermengung mit dieser Kunstlehre begünstigt und den Streit,
ob die Logik wesentlich als theoretische oder praktische Disziplin abgegrenzt werden solle, ermöglicht habe. Während die eine Partei auf jene rein theoretischen und im prägnanten Sinne logischen Sätze hinblickte, hielt sich die andere an die angreifbaren Definitionen der prätendierten theoretischen Wissen
schaft und an ihre tatsächliche Durchführung.
immerhin als erster Anfang und Angriff tüchtig und achtenswert. Es ist ja auch fraglich, ob die Verachtung der traditionellen Logik nicht eine ungerechtfertigte Nachwirkung der Stimmungen der Renaissance ist, deren Motive uns heute nicht mehr berühren können. Begreiflicherweise richtete sich der historisch berechtigte,
aber in der Sache oft unverständige Kampf gegen die scholastische Wissenschaft vor allem gegen die Logik als der zu ihr zugehörigen Methodenlehre. Aber daß die formale Logik in den Händen der Scholastik (zumal in der Periode der Entartung) den Charakter einer falschen Methodik annahm, beweist vielleicht
nur: daß es an einem rechten philosophischen Verständnis der logischen Theorie (soweit sie schon entwickelt war) fehlte, daß darum die praktische Nutzung derselben irrige Wege einschlug, und daß ihr methodische Leistungen zugemutet wurden, denen sie ihrem Wesen nach nicht gewachsen ist. So beweist ja auch die
Zahlenmystik nichts gegen die Arithmetik. Es ist bekannt, daß die logische Polemik der Renaissance sachlich hohl und ergebnislos war; in ihr sprach sich Leidenschaft, nicht Einsicht aus. Wie sollten wir uns von ihren verächtlichen Urteilen noch leiten lassen? Ein theoretisch schöpferischer Geist wie Leibniz, bei dem sich
der überschwengliche Reformationsdrang der Renaissance mit der wissenschaftlichen Nüchternheit der Neuzeit paarte, wollte von dem antischolastischen Kesseltreiben jedenfalls nichts wissen. Mit warmen Worten nahm er sich der geschmähten aristotelischen Logik an, so sehr sie gerade ihm als der Erweiterung und Besse
rung bedürftig erschien. Jedenfalls können wir die Vor|würfe, daß
ins klare gekommen sind.
Wir wollen, diese Vermutungen zu prüfen, nicht etwa darauf ausgehen, alle Argumente, die für die eine oder andere Auffassung der Logik historisch aufgetreten sind, zu sammeln und einer kritischen Analyse zu unterziehen. Dies wäre nicht der Weg, dem
Wir beginnen mit der Fixierung eines Satzes, der für die weitere Untersuchung von entscheidender Wichtigkeit ist, nämlich daß jede normative und desgleichen jede praktische Disziplin auf einer
oder mehreren theoretischen Disziplinen beruht, sofern ihre Regeln einen von dem Gedanken der Normierung (des Sollens) abtrennbaren theoretischen Gehalt besitzen müssen, dessen wissenschaftliche Erforschung eben jenen theoretischen Disziplinen obliegt.
Erwägen wir, um dies klarzustellen, zunächst den Begriff der normativen Wissenschaft in seinem Verhältnis zu dem der theoretischen. Die Gesetze der ersteren besagen, so heißt es gewöhnlich, was sein soll, obschon es vielleicht nicht ist und unter den gegebenen Umständen nicht sein kann; die Gesetze der letzteren
hingegen besagen schlechthin, was ist. Es wird sich nun fragen, was mit dem Seinsollen gegenüber dem schlichten Sein gemeint ist.
Zu enge ist offenbar der ursprüngliche Sinn des Sollens, welcher Beziehung hat zu einem gewissen Wünschen oder Wollen,
einer Forderung oder einem Befehl, z.B.: Du sollst mir ge
oder Wollen. Sagen wir: "Ein Krieger soll tapfer sein", so heißt das nicht, daß wir oder jemand sonst dies wünschen oder wollen, befehlen oder fordern. Eher könnte man die Meinung dahin fassen, daß allgemein, d.h. in Beziehung auf jeden Krieger, ein entsprechendes Wünschen und Fordern Berechtigung habe; obschon
auch dies nicht ganz zutrifft, da es doch nicht geradezu nötig ist, daß hier solch eine Bewertung eines Wunsches oder einer Forderung wirklich Platz greife. "Ein Krieger soll tapfer sein", das heißt
jedermann recht, der von einem Krieger fordert, daß er tapfer sei; aus demselben Grunde ist, daß er es sei, auch wünschenswert, lobenswert usw. Ebenso in anderen Beispielen. "Ein Mensch soll Nächstenliebe üben", d.h. wer dies unterläßt, ist nicht mehr ein "guter" und damit eo ipso ein (in dieser Hinsicht) "schlechter"
Mensch. "Ein Drama soll nicht in Episoden zerfallen" — sonst ist es kein "gutes" Drama, kein "rechtes" Kunstwerk. In allen diesen Fällen machen wir also unsere positive Wertschätzung, die Zuerkennung eines positiven Wertprädikates, abhängig von einer zu erfüllenden Bedingung, deren Nichterfüllung das entsprechen
de negative Prädikat nach sich zieht. Überhaupt dürfen wir als gleich, zum mindesten als äquivalent setzen ┌ die┐
Der Terminus "gut" dient uns hier natürlich im weitesten
Sinne des irgendwie Wertvollen; er ist in den konkreten, unter
von Werthaltungen, also Arten von — wirklichen oder vermeintlichen — Werten gibt.
Die negativen Aussagen des Sollens sind nicht als Negationen der entsprechenden affirmativen zu deuten; wie ja auch im gewöhnlichen Sinne die Leugnung einer Forderung nicht den Wert
eines Verbotes hat. Ein Krieger soll nicht feige sein, das heißt nicht, es sei falsch, daß ein Krieger feige sein soll, sondern: es sei ein feiger Krieger auch ein schlechter. Es sind also die Formen äquivalent: "Ein A soll nicht B sein" und "Ein A, welches B ist, ist allgemein ein schlechtes A", oder "Nur ein A, welches nicht
B ist, ist ein gutes A".
Daß sich Sollen und Nichtsollen ausschließen, ist eine formal — logische Konsequenz der interpretierenden Aussagen, und dassel
Die soeben klargelegten Urteile normativer Form sind offenbar nicht die einzigen, die man als solche wird gelten lassen, mag
auch im Ausdruck das Wörtchen ┌"soll"┐
rischen Gegensätze zu den obigen darstellen. Es ist also "muß nicht" die Negation von "soll" oder — was gleich gilt — von "muß"; "darf" die Negation von "soll nicht" oder — was gleich gilt — von "darf nicht"; wie man aus den interpretierenden Werturteilen leicht ersieht: "Ein A muß nicht B sein’’ = "Ein A,
das nicht B ist, ist darum noch kein schlechtes A". "Ein A darf B sein" = "Ein A, das B ist, ist darum noch kein schlechtes A".
Aber noch andere Sätze werden wir hierher rechnen müssen.
welche notwendigen Bedingungen für die Zuerkennung oder Aberkennung der positiven oder negativen Wertprädikate betreffen, handelt es sich in den jetzt vorliegenden um hinreichende Bedingungen. Andere Sätze wiederum wollen zugleich notwendige und hinreichende Bedingungen aussagen.
Damit dürften die wesentlichen Formen allgemeiner normativer Sätze erschöpft sein; ihnen entsprechen natürlich auch Formen partikulärer und individueller Werturteile, die der Analyse nichts Bedeutsames hinzufügen, und von denen jedenfalls die letzteren für unsere Zwecke auch nicht in Betracht kommen; sie haben
allezeit eine nähere oder fernere Beziehung zu gewissen normativen Allgemeinheiten und können in abstrakten, normativen Disziplinen nur in Anlehnung an die sie regelnden Allgemeinheiten als Beispiele auftreten. Solche Disziplinen halten sich überhaupt jenseits aller individuellen Existenz, ihre Allgemeinheiten
sind "rein begrifflicher" Art, sie haben den Charakter von Gesetzen im echten Sinne des Wortes.
Wir ersehen aus diesen Analysen, daß jeder normative Satz
darnach diese Objekte in gute und schlechte. Um das normative Urteil "Ein Krieger soll tapfer sein" fällen zu können, muß ich irgendeinen Begriff von "guten" Kriegern haben, und dieser Begriff kann nicht in einer willkürlichen Nominaldefinition gründen, sondern nur in einer allgemeinen Werthaltung, die nach diesen
oder jenen Beschaffenheiten die Krieger bald als gute, bald als schlechte zu schätzen gestattet. Ob diese Schätzung eine in irgendwelchem Sinne "objektiv gültige" ist oder nicht, ob überhaupt ein Unterschied zwischen subjektiv und objektiv "Gutem" zu machen ist, kommt hier bei der bloßen Fest
der Sollenssätze
Ist umgekehrt auf Grund einer gewissen allgemeinen Werthaltung ein Paar von Wertprädikaten für die zugehörige Klasse
festgelegt, dann ist auch die Möglichkeit normativer Urteile gegeben; alle Formen normativer Sätze erhalten ihren bestimmten Sinn. Jedes konstitutive Merkmal B des "guten" A liefert z.B. einen Satz der Form: "Ein A soll B sein"; ein mit B unverträgliches Merkmal B' einen Satz: "Ein A darf nicht (soll nicht) B'
sein" usw.
Was endlich den Begriff des normativen Urteils anbelangt, so können wir ihn nach unseren Analysen folgendermaßen beschreiben: Mit Beziehung auf eine zugrunde liegende ┌ allgemeine┐
des zugehörigen Paares von Wertprädikaten heißt jeder Satz ein normativer, der irgendwelche notwendige oder hinreichende, oder notwendige und hinreichende Bedingungen für den Besitz eines solchen Prädikates ausspricht. Haben wir einmal einen Unterschied zwischen "gut" und "schlecht" in bestimmtem Sinne, also
auch in bestimmter Sphäre wertschätzend gewonnen, dann sind
um einem Objekte der Sphäre den Wert des Guten noch geben zu können usf.
Wo wir von gut und schlecht sprechen, da pflegen wir auch in vergleichender Wertschätzung Unterschiede des Besseren und Besten bzw. des Schlechteren und Schlechtesten zu voll
ziehen. Ist die Lust das Gute, so ist von zwei Lüsten die intensivere und wieder die länger andauernde die bessere. Gilt uns die Erkenntnis als das Gute, so gilt uns noch nicht jede Erkenntnis als "gleich gut". Die Gesetzeserkenntnis werten wir höher als die Erkenntnis singulärer Tatsachen; die Erkenntnis allgemeine
rer
stitutive Inhalt des als gut — beziehungsweise schlecht — zu Bewertenden fixiert, so fragt es sich, was in vergleichender Wertung konstitutiv als besser oder schlechter zu gelten habe; des weiteren dann, welches die näheren und ferneren, notwendigen und hinreichenden Bedingungen für die relativen Prädikate sind, die den
Inhalt des Besseren — beziehungsweise Schlechteren — und schließlich des relativ Besten konstitutiv bestimmen. Die konstitutiven Inhalte der positiven und relativen Wertprädikate sind sozusagen die messenden Einheiten, nach denen wir Objekte der bezüglichen Sphäre abmessen.
Die Gesamtheit dieser Normen bildet offenbar eine durch die fundamentale Werthaltung bestimmte, in sich geschlossene Gruppe. Der normative Satz, welcher an die Objekte der Sphäre die allgemeine Forderung stellt, daß sie den konstitutiven Merkmalen des positiven Wertprädikates in größtmöglichem Ausmaße ge
nügen sollen, hat in jeder Gruppe zusammengehöriger Normen eine ausgezeichnete Stellung und kann als die Grundnorm bezeichnet werden. Diese Rolle spielt z.B. der kategorische Imperativ in der Gruppe normativer Sätze, welche Kants Ethik ausmachen; ebenso das Prinzip vom "größtmöglichen Glück der größtmöglichen Anzahl" in der Ethik der Utilitarier.
Die Grundnorm ist das Korrelat der Definition des im fraglichen Sinne "Guten" und "Besseren"; sie gibt an, nach welchem Grundmaße (Grundwerte) alle Normierung zu vollziehen ist, und stellt somit im eigentlichen Sinne nicht einen normativen
Satz dar. Das Verhältnis der Grundnorm zu den eigentlich normierenden Sätzen ist analog demjenigen zwischen den sogenannten Definitionen der Zahlenreihe und den — immer
"Definition" des maßgebenden Begriffes vom Guten — z.B. des sittlich Guten — bezeichnen; womit freilich der gewöhnliche logische Begriff der Definition verlassen wäre.
Stellen wir uns das Ziel,
meine Wertung, die Gesamtheit zusammengehöriger normativer Sätze wissenschaftlich zu erforschen, so erwächst die Idee einer normativen Disziplin. Jede solche Disziplin ist also eindeutig charakterisiert durch ihre Grundnorm bzw. durch die Definition dessen, was in ihr als das "Gute" gelten soll. Gilt uns
z.B. die Erzeugung und Erhaltung, Mehrung und Steigerung von Lust als das Gute, so werden wir fragen, welche Objekte erregen die Lust, bzw. unter welchen subjektiven und objektiven Umständen tun sie es; und überhaupt, welches sind die notwendigen und hinreichenden Bedingungen für den Eintritt der Lust, für
ihre Erhaltung, Mehrung usw. Diese Fragen als Zielpunkte für eine wissenschaftliche Disziplin genommen, ergeben eine Hedo-nik; es ist die normative Ethik im Sinne der Hedoniker. Die Wertung der Lusterregung liefert hier die die Einheit der Disziplin bestimmende und sie von jeder anderen normativen Disziplin
unterscheidende Grundnorm. Und so hat eine jede ihre eigene Grundnorm, und diese stellt jeweils das einsmachende Prinzip der normativen Disziplin dar. In den theoretischen Disziplinen entfällt hingegen diese zentrale Beziehung aller Forschungen auf eine fundamentale Werthaltung als Quelle eines herrschenden
Interesses der Normierung; die Einheit ihrer Forschungen und die Zusammenordnung ihrer Erkenntnisse wird ausschließlich
forschenden.
Das normative Interesse beherrscht uns naturgemäß besonders bei realen Objekten als Objekten praktischer Wertungen; daher die unverkennbare Neigung, den Begriff der normativen
Disziplin mit dem der praktischen Disziplin, der Kunstlehre, zu identifizieren. Man sieht aber leicht, daß diese Identifizierung nicht zu Recht bestehen kann. Für Schopenhauer, welcher in Konsequenz seiner Lehre vom angeborenen Charakter alles praktische Moralisieren grundsätzlich verwirft, gibt es keine Ethik
im Sinne einer Kunstlehre, wohl aber eine Ethik als normative Wissenschaft, die er ja selbst bearbeitet. Denn keineswegs läßt er auch die moralischen Wertunterscheidungen fallen. — Die Kunstlehre stellt jenen besonderen Fall der normativen Disziplin dar, in welchem die Grundnorm in der Erreichung eines allge
meinen praktischen Zweckes besteht. Offenbar schließt so jede Kunstlehre eine normative, aber selbst nicht praktische Disziplin ganz in sich. Denn ihre Aufgabe setzt die Lösung der engeren voraus, zunächst, abgesehen von allem auf die praktische Erreichung Bezüglichen, die Normen zu fixieren, nach welchen die
Angemessenheit an den allgemeinen Begriff des zu realisierenden Zieles, an das Haben der die bezügliche Klasse von Werten charakterisierenden Merkmale beurteilt werden kann. Umgekehrt erweitert sich jede normative Disziplin, in welcher sich die fundamentale Werthaltung in eine entsprechende Zwecksetzung ver
wandelt, zu einer Kunstlehre.
Es ist nun leicht einzusehen, daß jede normative und a fortiori jede praktische Disziplin eine oder mehrere theoretische Disziplinen als Fundamente voraussetzt, in dem Sinne nämlich, daß
sie einen von aller Normierung ablösbaren theoretischen Gehalt
stimmt, wie wir sahen, die Einheit der Disziplin; sie ist es auch, die in alle normativen Sätze derselben den Gedanken der Normierung hineinträgt. Aber neben diesem gemeinsamen Gedanken der Abmessung an der Grundnorm besitzen diese Sätze einen eigenen, den einen vom anderen unterscheidenden theoretischen
Gehalt. Ein jeder drückt den Gedanken einer abmessenden Beziehung zwischen Norm und Normiertem aus; aber diese Beziehung selbst charakterisiert sich — wenn wir von dem wertschätzenden Interesse absehen — objektiv als eine Beziehung zwischen Bedingung und Bedingtem, die in dem betreffenden
normativen Satze als bestehend oder nicht bestehend hingestellt ist. So schließt z.B. jeder normative Satz der Form "Ein A soll B sein" den theoretischen Satz ein "Nur ein A, welches B ist, hat die Beschaffenheiten C", wobei wir durch C den konstitutiven Inhalt des maßgebenden Prädikates "gut" andeuten (z.B. die
Lust, die Erkenntnis, kurz das durch die fundamentale Werthaltung im gegebenen Kreise eben als gut Ausgezeichnete). Der neue Satz ist ein rein theoretischer, er enthält nichts mehr von dem Gedanken der Normierung. Und umgekehrt, gilt irgendein Satz dieser letzteren Form und erwächst als ein Neues die Wert
haltung eines C als solchen, die eine normierende Beziehung zu ihm erwünscht sein läßt, so nimmt der theoretische Satz die normative Form an: ┌ "Nur ein A, welches B ist, ist ein gutes"┐
das theoretische Interesse legt in solchen Zusammenhängen Wert auf den Bestand eines Sachverhaltes der Art M (etwa auf den Bestand der Gleichseitigkeit eines zu bestimmenden Dreiecks) und mißt daran anderweitige Sachverhalte (z.B. die Gleichwink-ligkeit: Soll das Dreieck gleichseitig sein, so muß es gleich
winklig sein), nur daß diese Wendung in den theoretischen Wissenschaften
Es ist nun klar, daß die theoretischen Beziehungen, die nach
dem Erörterten in den Sätzen der normativen Wissenschaften stecken, ihren logischen Ort haben müssen in gewissen theoretischen Wissenschaften. Soll die normative Wissenschaft also ihren Namen verdienen, soll sie die Beziehungen der zu normierenden Sachverhalte zur Grundnorm wissenschaftlich erforschen, dann
muß sie den theoretischen Kerngehalt dieser Beziehungen studieren und daher in die Sphären der betreffenden theoretischen Wissenschaften eintreten. Mit anderen Worten: Jede normative Disziplin verlangt die Erkenntnis gewisser nicht normativer Wahrheiten; diese aber entnimmt sie gewissen theoretischen
Wissenschaften oder gewinnt sie durch Anwendung der aus ihnen entnommenen Sätze auf die durch das normative Interesse bestimmten Konstellationen von Fällen. Dies gilt natürlich auch für den spezielleren Fall der Kunstlehre und offenbar noch in erweitertem Maße. Es treten die theoretischen Erkenntnisse hin
zu, welche die Grundlage für eine fruchtbare Realisierung der Zwecke und Mittel bieten müssen.
Noch eines sei im Interesse des Folgenden bemerkt. Natürlich können diese theoretischen Wissenschaften in verschiedenem Ausmaße Anteil haben an der wissenschaftlichen Begründung
und Ausgestaltung der bezüglichen normativen Disziplin; auch kann ihre Bedeutung für sie eine größere oder geringere sein. Es kann sich zeigen, daß zur Befriedigung der Interessen einer normativen Disziplin die Erkenntnis gewisser Klassen von theoretischen Zusammenhängen in erster Linie erforderlich, und
daß somit die Ausbildung und Heranziehung des theoretischen Wissensgebietes, dem sie angehören, für die Ermöglichung der normativen Disziplin geradezu entscheidend ist. Andererseits kann es aber auch sein, daß für den Aufbau dieser Disziplin
sehr wichtig, aber doch nur von sekundärer Bedeutung sind, sofern
keine Ethik überhaupt; entfallen jene ersteren Sätze, so gibt es nur keine Möglichkeit ethischer Praxis bzw. keine Möglichkeit einer Kunstlehre vom sittlichen Handeln.
Mit Beziehung auf derartige Unterschiede soll nun die Rede von den wesentlichen theoretischen Fundamenten einer nor
mativen Wissenschaft verstanden werden. Wir meinen damit die für ihren Aufbau schlechterdings wesentlichen theoretischen Wissenschaften, eventuell aber auch die bezüglichen Gruppen theoretischer Sätze, welche für die Ermöglichung der normativen Disziplin von entscheidender Bedeutung sind.
Machen wir von den allgemeinen Feststellungen des letzten Kapitels Anwendung auf die Logik als normative Disziplin, so erhebt sich als Erstes und Wichtigstes die Frage: Welche theore
tischen Wissenschaften liefern die wesentlichen Fundamente der Wissenschaftslehre? Und daran fügen wir sogleich die weitere
gehörigen, ihre theoretische Stelle innerhalb der bereits abgegrenzten und selbständig entwickelten Wissenschaften besitzen?
Hier stoßen wir auf die Streitfrage nach dem Verhältnis zwischen Psychologie und Logik; denn auf die angeregten Fragen
hat eine, gerade in unserer Zeit herrschende Richtung die Antwort fertig zur Hand: Die wesentlichen theoretischen Fundamente liegen in der Psychologie; in deren Gebiet gehören ihrem theoretischen Gehalt nach die Sätze, die der Logik ihr charakteristisches Gepräge geben. Die Logik verhält sich zur Psychologie wie
irgendein Zweig der chemischen Technologie zur Chemie, wie die Feldmeßkunst zur Geometrie u. dgl. Zur Abgrenzung einer neuen theoretischen Wissenschaft, zumal einer solchen, die in einem engeren und prägnanteren Sinne den Namen Logik verdienen sollte, besteht für diese Richtung kein Anlaß. Ja nicht selten
koordinierte Wissenschaft. Sofern sie überhaupt Wissenschaft ist, ist sie ein Teil oder Zweig der Psychologie, sich von ihr einerseits unterscheidend wie der Teil vom Ganzen und andererseits wie die Kunst von der Wissenschaft. Ihre theoretischen Grundlagen verdankt sie ┌ sämtlich┐
soviel von dieser Wissenschaft ein, als nötig ist, die Regeln der Kunst zu begründen."
Fragen wir nach der Berechtigung derartiger Ansichten, so bietet sich uns eine höchst plausible Argumentation dar, die jeden weiteren Streit von vornherein abzuschneiden scheint. Wie immer man die logische Kunstlehre definieren mag — ob als
Kunstlehre vom Denken, Urteilen, Schließen, Erkennen, Beweisen, Wissen, von den Verstandesrichtungen beim Verfolge der Wahrheit, bei der Schätzung von Beweisgründen usf. — immer finden wir psychische Tätigkeiten oder Produkte als die Objekte praktischer Regelung bezeichnet. Und wie nun überhaupt kunst
mäßige Bearbeitung eines Stoffes die Erkenntnis seiner Beschaffenheiten voraussetzt, so wird es sich auch hier, wo es sich speziell um einen psychologischen Stoff handelt, verhalten. Die wissenschaftliche Erforschung der Regeln, nach denen er zu bearbeiten ist, wird selbstverständlich auf die wissenschaftliche Erforschung
dieser Beschaffenheiten zurückführen: das theoretische Fundament für den Aufbau einer logischen Kunstlehre liefert also die
Klassifikationen usw. — alles Psychologie, nur ausgewählt und geordnet nach den normativen und praktischen Gesichtspunkten. Man möge der reinen Logik noch so enge Grenzen ziehen, das Psychologische wird man nicht fernhalten können. Es steckt schon in den Begriffen, welche für die logischen Gesetze konstitu
tiv sind, wie z.B. Wahrheit und Falschheit, Bejahung und Verneinung, Allgemeinheit und Besonderheit, Grund und Folge, u.dgl.
Merkwürdig genug glaubt man von der Gegenseite die scharfe
Trennung beider Disziplinen gerade in Hinblick auf den normativen Charakter der Logik begründen zu können. Die Psychologie, sagt man, betrachtet das Denken, wie es ist, die Logik, wie es sein soll. Die erstere hat es mit den Naturgesetzen, die letztere mit den Normalgesetzen des Denkens zu tun. So heißt es in Jäsches
Bearbeitung der Kantschen Vorlesungen über Logik:
gen über unseren Verstand, so würden wir bloß sehen, wie das Denken vor sich geht, und wie es ist unter den mancherlei subjektiven Hindernissen und Bedingungen; dieses würde aber nur zur Erkenntnis bloß zufälliger Gesetze führen. In der Logik ist aber die Frage nicht nach zufälligen, sondern nach not
wendigen Regeln — nicht, wie wir denken, sondern, wie wir denken sollen. Die Regeln der Logik müssen daher nicht vom zufälligen, sondern vom notwendigen Vernunftgebrauche
mit sich selbst übereinstimmenden Gebrauch des Verstandes lehren." Eine ähnliche Position nimmt Herbart ein, indem er gegen die Logik seiner Zeit und "die psychologisch sein sollenden Erzählungen vom Verstande und der Vernunft, mit denen sie anhebt", einwendet, es sei dies ein
einer Sittenlehre, welche mit der Naturgeschichte der menschlichen Neigungen, Triebe und Schwachheiten beginnen wollte, und indem er zur Begründung des Unterschiedes auf den normativen Charakter der Logik, wie Ethik hinweist.
Derartige Argumentationen setzen die psychologistischen Lo
giker in keinerlei Verlegenheit. Sie antworten: der notwendige Verstandesgebrauch ist eben auch ein Verstandesgebrauch und gehört mit dem Verstande selbst in die Psychologie. Das Denken, wie es sein soll, ist ein bloßer Spezialfall des Denkens, wie es ist. Gewiß hat die Psychologie die Naturgesetze des Denkens zu er
forschen, also die Gesetze für alle Urteile überhaupt, ob richtige oder falsche; aber ungereimt wäre es, diesen Satz so zu interpretieren, als gehörten nur solche Gesetze in die Psychologie, welche sich in umfassendster Allgemeinheit auf alle Urteile überhaupt beziehen, während Spezialgesetze des Urteilens, wie die
Gesetze des richtigen Urteilens, aus ihrem Bereich ausgeschlossen werden müßten.
angeben, wie man zu verfahren habe, vorausgesetzt, daß man richtig denken will. "Wir denken richtig, im materialen Sinne, wenn wir die Dinge denken, wie sie sind. Aber die Dinge sind so oder so, sicher und unzweifelhaft, dies heißt in unserem Munde, wir können sie der Natur unseres Geistes zufolge nicht
anders als eben auf diese Weise denken. Denn es braucht ja nicht wiederholt zu werden, was oft genug gesagt worden ist, daß selbst
sein zufälliges, von Gewohnheit, Tradition, Neigung und Abneigung beeinflußtes Denken an demjenigen Denken messen kann, das von ┌ solchen┐
"Dann sind aber die Regeln, nach denen man verfahren muß,
um richtig zu denken, nichts anderes als Regeln, nach denen man verfahren muß, um so zu denken, wie es die Eigenart des Denkens, seine besondere Gesetzmäßigkeit, verlangt, kürzer ausgedrückt, sie sind identisch mit den Naturgesetzen des Denkens selbst. Die Logik ist Physik des Denkens oder sie ist überhaupt nichts."
Vielleicht sagt man von antipsychologistischer Seite:
Logik. Beide erforschen die Gesetze dieser Betätigungen; aber "Gesetz" bedeutet für beide etwas total Verschiedenes. Die Aufgabe der Psychologie ist es, den realen Zusammenhang der Bewußtseinsvorgänge untereinander, sowie mit den zugehörigen psychischen Dispositionen und den ┌korrespondierenden┐
gängen im körperlichen Organismus gesetzlich zu erforschen. Gesetz bedeutet hier eine zusammenfassende Formel für notwendige und ausnahmslose Verknüpfung in Koexistenz und Sukzession. Der Zusammenhang ist ein kausaler. Ganz anders geartet ist die Aufgabe der Logik. Nicht nach kausalen Ursprüngen und Folgen
der intellektuellen Betätigungen fragt sie, sondern nach ihrem Wahrheitsgehalt; sie fragt, wie solche Betätigungen beschaffen
mene; den Logiker aber interessieren nicht diese natürlichen Zusammenhänge, sondern er sucht ideale, die er nicht immer, ja nur ausnahmsweise im faktischen Verlaufe des Denkens verwirklicht findet. Nicht eine Physik, sondern eine Ethik des Denkens ist sein Ziel. Mit Recht betont daher Sigwart: In der psycholo
gischen Betrachtung des Denkens hat "der Gegensatz von wahr und falsch ebensowenig eine Rolle ... wie der Gegensatz von gut und böse im menschlichen Handeln ein psychologischer ist".
Mit solchen Halbheiten — so werden die Psychologisten antworten — können wir uns nicht zufrieden geben. Gewiß hat die
Logik eine ganz andere Aufgabe als die Psychologie, wer wird dies auch leugnen? Sie ist eben Technologie der Erkenntnis; aber wie könnte sie dann von der Frage nach den kausalen Zusammenhängen absehen, wie könnte sie nach idealen Zusammenhängen suchen, ohne die natürlichen zu studieren? "Als ob nicht jedes
Sollen auf ein Sein sich gründen, jede Ethik sich zugleich als Physik ausweisen müßte."
erreicht werde."
ständlich mache".
ist hier greifbar. Der psychologische Charakter der Evidenz ist ein kausaler Erfolg gewisser Antezedenzien. Wie beschaffener? Dies zu erforschen ist eben die Aufgabe.
Nicht besser glückt es dem folgenden und oft wiederholten Argument, die psychologistische Partei ins Schwanken zu bringen:
Die Logik, sagt man, kann auf der Psychologie ebensowenig ruhen, wie auf irgendeiner anderen Wissenschaft; denn eine jede ist Wissenschaft nur durch Harmonie mit den Regeln der Logik, sie setzt die Gültigkeit dieser Regeln schon voraus. Es wäre darnach ein Zirkel, Logik allererst auf Psychologie gründen zu
wollen.
Man wird von der Gegenseite antworten: Daß diese Argumentation nicht richtig sein kann, erhellt schon daraus, daß aus ihr die Unmöglichkeit der Logik überhaupt folgen würde. Da die Logik als Wissenschaft selbst logisch verfahren muß, so verfiele
sie ja demselben Zirkel; die Triftigkeit der Regeln, die sie voraussetzt, müßte sie zugleich begründen.
der Voraussetzung. Eine Wissenschaft setzt die Gültigkeit gewisser Regeln voraus, das kann heißen: sie sind Prämissen für ihre Begründungen; es kann aber auch heißen: sie sind Regeln, denen gemäß die Wissenschaft verfahren muß, um überhaupt Wissenschaft zu sein. Beides wirft das Argument zusammen; nach
logischen Regeln schließen und aus ihnen schließen, gilt ihm
also können logische Gesetze nicht deren Prämissen gewesen sein. Und was von einzelnen Beweisen gilt, das gilt auch von ganzen Wissenschaften.
Unleugbar erscheinen die Antipsychologisten mit diesen und
verwandten Argumentationen im Nachteil. Nicht wenigen gilt der Streit für zweifellos entschieden, sie halten die Entgegnungen der psychologistischen Partei für durchaus schlagend. Immerhin möchte hier eines die philosophische Verwunderung reizen, nämlich der Umstand, daß überhaupt ein Streit bestand und noch
fortbesteht, und daß dieselben Argumentationen immer wieder vorgebracht und deren Widerlegungen nicht als bindend anerkannt wurden. Läge wirklich alles plan und klar, wie die psycho-logistische Richtung versichert, dann wäre diese Sachlage nicht recht verständlich, zumal doch vorurteilslose, ernste und scharf
sinnige Denker auch auf der Gegenseite stehen. Ob nicht die Wahrheit wieder einmal in der rechten Mitte liegt, ob nicht jede der Parteien ein gutes Stück der Wahrheit erkannt hat und sich nur unfähig zeigte, es in begrifflicher Schärfe abzugrenzen und eben als bloßes Stück der ganzen zu begreifen?
in den Argumenten der Antipsychologisten — ┌bei manchen Unrichtigkeiten oder Unklarheiten im einzelnen, welche die Handhaben zu den Widerlegungen darboten┐
für meinen Teil möchte diese Frage bejahen; es will mir sogar scheinen, daß der wichtigere Teil der Wahrheit auf antipsycho-logistischer Seite liegt, nur daß die entscheidenden Gedanken nicht gehörig herausgearbeitet und durch mancherlei Untriftigkeiten getrübt sind.
Kehren wir zu der oben aufgeworfenen Frage nach den wesentlichen theoretischen Fundamenten der normativen Logik zurück. Ist sie durch die Argumentation der Psychologisten wirklich erledigt? Hier ┌bemerken┐
wiesen ist durch das Argument nur das eine, daß die Psychologie an der Fundierung der Logik mitbeteiligt ist, nicht aber, daß sie an ihr allein oder auch nur vorzugsweise beteiligt ist, nicht, daß sie ihr das wesentliche Fundament in dem von uns (§ 16) definierten Sinn beistellt. Die Möglichkeit bleibt offen, daß eine
andere Wissenschaft und vielleicht in ungleich bedeutsamerer Weise zu ihrer Fundierung beitrüge. Und hier mag die Stelle sein für jene "reine Logik", welche nach der anderen Partei ihr von aller Psychologie unabhängiges Dasein führen soll, als eine natürlich begrenzte, in sich geschlossene Wissenschaft. Wir gestehen
gerne zu, es entspricht, was von den Kantianern und Herbartia-nern unter diesem Titel bearbeitet worden ist, nicht ganz dem Charakter, der ihr nach der angeregten Vermutung eignen müßte. Ist doch bei ihnen allerwege die Rede von normativen Gesetzen des Denkens, im besonderen der Begriffsbildung, der Urteilsbil
dung usw.; Beweis genug, möchte man sagen, daß der Stoff weder ein theoretischer, noch ein der Psychologie fremder ist. Aber dieses Bedenken verlöre seine Kraft, wenn sich bei näherer Untersuchung die Vermutung bestätigte, die sich uns oben (§ 13, S. 38) aufdrängte, nämlich, daß jene Schulen zwar in der Definition
im Aufbau
heit ahnen ließen. Und waren es gerade diejenigen Wahrheiten, auf welche alle logische Regelung letztlich bezogen ist, und an welche man daher, wo von logischen Wahrheiten die Rede war, vorzugsweise denken mußte, dann konnte man leicht dazu kommen, in ihnen das Wesentliche der ganzen Logik zu sehen und
ihre theoretische Einheit mit dem Namen "reine Logik" zu benennen. Daß hiermit die wahre Sachlage gekennzeichnet ist, hoffe ich in der Tat nachweisen zu können.
Stellen wir uns für den Augenblick auf den Boden der psychologistischen Logik, nehmen wir also an, es lägen die wesentlichen theoretischen Fundamente der logischen Vorschriften in der Psychologie. Wie immer diese Disziplin nun definiert werden mag
— ob als Wissenschaft von den psychischen Phänomenen oder als Wissenschaft von den Tatsachen des Bewußtseins, von den Tatsachen der inneren Erfahrung, von den Erlebnissen in ihrer Abhängigkeit von erlebenden Individuen oder wie immer sonst — darin besteht allseitige Einigkeit, daß die Psychologie eine Tat
sachenwissenschaft ist und somit eine
nur vage
verlieren sie auch sofort den prätendierten Gesetzescharakter. Dies vorausgesetzt, ergeben sich für die psychologistischen Logiker recht bedenkliche Konsequenzen:
Erstens. In vagen theoretischen Grundlagen können nur vage Regeln gründen. Entbehren die psychologischen Gesetze der Ex
aktheit, so muß dasselbe von den logischen Vorschriften gelten. Nun ist es unzweifelhaft, daß manche dieser Vorschriften allerdings mit empirischen Vagheiten behaftet sind. Aber gerade die im prägnanten Sinne sogenannten logischen Gesetze, von denen wir früher erkannt haben, daß sie als Gesetze der Begründungen
den eigentlichen Kern aller Logik ausmachen: die logischen "Prinzipien", die Gesetze der Syllogistik, die Gesetze der mannigfachen sonstigen Schlußarten, wie der Gleichheitsschluß, der Bernoullische Schluß von n auf n + 1, die Prinzipien der Wahrscheinlichkeitsschlüsse usw., sind von
heit; jede Interpretation, die ihnen empirische Unbestimmtheiten unterlegen, ihre Geltung von vagen "Umständen" abhängig machen wollte, würde ihren wahren Sinn von Grund auf ändern. Sie sind offenbar echte Gesetze und nicht "bloß empirische", d.i. ungefähre Regeln.
Ist, wie Lotze meinte, die reine Mathematik nur ein selbständig entwickelter Zweig der Logik, so gehört auch die unerschöpfliche Fülle rein mathematischer Gesetze in die eben bezeichnete Sphäre exakter logischer Gesetze. Auch in allen weiteren Einwänden möge mit dieser Sphäre auch die des rein Mathematischen
im Auge behalten werden.
Zweitens. Würde jemand, um dem ersten Einwande zu entgehen, die durchgängige Inexaktheit der psychologischen Gesetze leugnen und die Normen der soeben ausgezeichneten Klasse auf vermeintlich exakte Naturgesetze des Denkens gründen wollen,
so wäre noch nicht viel gewonnen.
Kein Naturgesetz ist ┌a priori erkennbar, ist selbst einsichtig begründbar┐
Wahrscheinlichkeit und nicht das Gesetz. Folglich müßten auch die logischen Gesetze, und zwar ausnahmslos, den Rang bloßer Wahrscheinlichkeiten haben. Demgegenüber scheint nichts offenkundiger, als daß die "rein logischen" Gesetze insgesamt a priori gültig sind. Nicht durch Induktion, sondern durch apodiktische
Evidenz finden sie Begründung und Rechtfertigung. Einsichtig gerechtfertigt sind nicht bloße Wahrscheinlichkeiten ihrer Geltung, sondern ihre Geltung oder Wahrheit selbst.
Der Satz vom Widerspruch besagt nicht, es sei zu vermuten, daß von zwei kontradiktorischen Urteilen eines wahr und eines
falsch sei; der modus Barbara besagt nicht, es sei, wenn zwei Sätze der Form: "Alle A sind B" und "alle B sind C" wahr sind, zu vermuten, daß ein zugehöriger Satz der
offen halten, daß sich die Vermutung bei Erweiterung unseres allzeit nur begrenzten Erfahrungskreises nicht bestätigte. Vielleicht sind unsere logischen Gesetze dann nur "Annäherungen" an die wahrhaft gültigen, uns aber unerreichbaren Denkgesetze. Solche Möglichkeiten werden bei den Naturgesetzen ernstlich und
mit Recht erwogen. Obschon das Gravitationsgesetz durch die umfassendsten Induktionen und Verifikationen empfohlen ist, faßt es heutzutage doch kein Naturforscher als absolut gültiges Gesetz auf. Man probiert es gelegentlich mit neuen Gravitationsformeln, man wies z.B. nach, daß Webers Grundgesetz der
elektrischen Erscheinungen ganz wohl auch als Grundgesetz der Schwere fungieren könnte. Der unterscheidende Faktor der beiderseitigen Formeln bedingt eben Unterschiede in den berechneten Werten, welche die Sphäre der unvermeidlichen Beobachtungsfehler nicht überschreiten. Derartiger Faktoren sind aber
unendlich viele denkbar; daher wissen wir a priori, daß unendlich viele Gesetze dasselbe leisten können und leisten müssen, wie das (nur durch besondere Einfachheit empfohlene) Gravitationsgesetz Newtons; wir wissen, daß schon die Suche nach dem einzig wahren Gesetz bei der nie und nimmer zu beseitigenden Unge
Wahrscheinlichkeit, sondern in die Wahrheit der logischen Gesetze. Wir sehen die Prinzipien der Syllogistik, der Bernoulli-schen Induktion, der Wahrscheinlichkeitsschlüsse, der allgemeinen Arithmetik u. dgl. ein, d.h. wir erfassen in ihnen die Warhheit selbst; somit verliert die Rede von Ungenauigkeitssphären, von
bloßen Annäherungen u. dgl. ihren möglichen Sinn. Ist aber, was die psychologische Begründung der Logik als Konsequenz verlangt, absurd, so ist sie selbst absurd.
kommen; Wahrscheinlichkeit kann nicht gegen Wahrheit, Vermutung nicht gegen Einsicht streiten. Mag sich, wer in der Sphäre allgemeiner Erwägungen stecken bleibt, durch die psychologistischen Argumente täuschen lassen. Der bloße Hinblick auf irgendeines der logischen Gesetze, auf seine eigentliche Meinung und die
Einsichtigkeit, mit der es als Wahrheit an sich erfaßt wird, müßte der Täuschung ein Ende machen.
Wie klingt doch plausibel, was die so naheliegende ┌psychologistische┐
anderes denn eigenartige Gedankenverläufe des Menschen, in welchen unter gewissen normalen Verhältnissen die als Endglieder auftretenden Urteile mit dem Charakter der notwendigen Folge behaftet erscheinen. Dieser Charakter ist selbst ein psychischer, eine gewisse Art des Zumuteseins und nichts weiter. Und ┌all┐
diese psychischen Phänomene stehen selbstverständlich nicht isoliert, sie sind einzelne Fäden des vielverschlungenen Gewebes von psychischen Phänomenen, psychischen Dispositionen und organischen Prozessen, die wir menschliches Leben nennen. Wie sollte unter diesen Umständen anderes resultieren als empirische All
gemeinheiten? Wo gäbe die Psychologie auch mehr?
Wir antworten: Gewiß gibt die Psychologie nicht mehr. Eben
Hier ist auch der Ort, zu einer verbreiteten Auffassung der logischen Gesetze Stellung zu nehmen, welche das richtige Denken durch seine Angemessenheit an gewisse (wie immer zu formulierende) Denkgesetze bestimmt, zugleich aber geneigt ist,
diese Angemessenheit in folgender Weise psychologistisch zu interpretieren: nämlich, wie ihr die Denkgesetze als die Naturgesetze gelten, welche die Eigenart unseres Geistes als eines denkenden charakterisieren, so soll das Wesen der das richtige Denken definierenden Angemessenheit in der reinen, durch keine
anderweitigen psychischen Einflüsse (wie Gewohnheit, Neigung, Tradition) getrübten Wirksamkeit dieser Denkgesetze liegen.
in Form von ┌Wahrscheinlichkeit┐
Probabilismus. Auch die Behauptung, daß alles Wissen ein bloß wahrscheinliches ┌sei┐
ernstlich besorgt sein. Hoffentlich trifft es sich aber glücklich genug, daß die Wahrscheinlichkeitsgrade dieser unendlichen
Unzuträglichkeiten, wenn man die Denkgesetze als einsichtig gegebene gelten läßt. Aber wie sollten wir von Kausalgesetzen Einsicht haben?
Und angenommen, es bestände diese Schwierigkeit nicht, dann dürfen wir doch fragen: Wo ist in aller Welt der Nachweis ge
führt, daß aus der reinen Wirksamkeit dieser Gesetze
Gang solcher Kausationen bestimmen, die das logische Denken hervorgehen lassen, während für das alogische Denken auch die anderen mitbestimmend sind? Ist die Bemessung eines Denkens ┌nach den logischen Gesetzen┐
als Naturgesetzen?
Es scheint, daß hier einige naheliegende Verwechslungen den psychologistischen Irrtümern den Weg geebnet haben. Zunächst verwechselt man die logischen Gesetze mit den Urteilen┌ , im Sinne von Urteilsakten┐
werden, also die Gesetze als "Urteilsinhalte" mit den Urteilen selbst. Die letzteren sind reale Vorkommnisse, die ihre Ursachen und Wirkungen haben. Insbesondere wirken die Urteile gesetzlichen Inhalts des öfteren als Denkmotive, welche den Gang unserer Denkerlebnisse so bestimmen, wie es eben jene
Inhalte, die Denkgesetze, vorschreiben. In solchen Fällen ist die reale Anordnung und Verknüpfung unserer Denkerlebnisse dem, was in der leitenden gesetzlichen Erkenntnis allgemein gedacht ist, angemessen; sie ist ein konkreter Einzelfall zu dem allgemei
eine zweite Verwechslung an, nämlich zwischen dem Gesetz als Glied der Kausation und dem Gesetz als der Regel der Kausation. Es ist uns ja auch sonst die mythische Rede von den Naturgesetzen als waltenden Mächten des natürlichen Geschehens nicht fremd — als ob die Regeln ursächlicher Zu
sammenhänge selbst wieder als Ursachen, somit als Glieder eben solcher Zusammenhänge sinnvoll fungieren könnten. Die ernsthafte Vermengung so wesentlich verschie
logischen Gesetze erschienen ja bereits als treibende Motoren im Denken. Sie regieren, dachte man sich, den Denkverlauf kausal — also sind sie Kausalgesetze des Denkens, sie drücken aus, wie wir der Natur unseres Geistes zufolge denken müssen, sie kennzeichnen den menschlichen Geist als einen (im prägnanten Sinne)
denkenden. Denken wir gelegentlich anders als diese Gesetze es verlangen, so "denken" wir, eigentlich gesprochen, überhaupt nicht, wir urteilen nicht, wie es die Naturgesetze des Denkens oder wie es die Eigenart unseres Geistes als eines denkenden fordert, sondern wie es andere Gesetze, und zwar wiederum
kausal, bestimmen, wir folgen trübenden Einflüssen der Gewohnheit, Leidenschaft u. dgl.
Natürlich können auch andere Motive zu dieser selben Auffassung gedrängt haben. Die Erfahrungstatsache, daß die in gewisser Sphäre normal Disponierten, z.B. die wissenschaftlichen Forscher
in ihren Gebieten, logisch richtig zu urteilen pflegen, scheint die natürliche Erklärung zu fordern, daß die logischen Gesetze, nach denen die Richtigkeit des Denkens bemessen wird, zugleich in der Weise von Kausalgesetzen den Gang des jeweiligen Denkens bestimmen, während die vereinzelten Abweichungen von der Norm
leicht auf Rechnung jener trübenden Einflüsse aus anderen psychologischen Quellen zu setzen ┌wären┐
Demgegenüber genügt es, folgende Erwägung anzustellen. Wir
Verlauf der psychischen Erlebnisse dieses Wesens von gewissen ersten "Kollokationen’’ aus in einer gewissen Weise regeln. Ich frage nun: Wären diese Naturgesetze und jene logischen Gesetze unter den gemachten Annahmen iden
Denken so ablaufen muß, wie es nach den idealen Normen der Logik gerechtfertigt werden könnte, und diese Normen selbst — das ist doch keineswegs dasselbe. Ein Wesen ist so konstituiert, daß es in keinem einheitlichen Gedankenzuge widersprechende Urteile fällen, oder daß es keinen Schluß vollziehen kann, der
gegen die syllogistischen Modi verstieße — darin liegt durchaus nicht, daß der Satz vom Widerspruch, der modus Barbara u. dgl. Naturgesetze ┌seien┐
springenden Ziffern wird naturgesetzlich so geregelt, wie es die arithmetischen Sätze für ihre Bedeutungen fordern. Aber niemand wird, um den Gang der Maschine physikalisch zu erklären, statt der mechanischen die arithmetischen Gesetze heranziehen. Die Maschine ist freilich keine denkende, sie versteht sich selbst nicht
und nicht die Bedeutung ihrer Leistungen; aber könnte nicht unsere Denkmaschine sonst in ähnlicher Weise funktionieren, nur daß der reale Gang des einen Denkens durch die in einem anderen Denken hervortretende Einsicht in die logische Gesetzlichkeit allzeit als richtig anerkannt werden müßte? Dieses andere Denken
könnte ebensogut zu der Leistung derselben wie anderer Denkmaschinen gehören, aber ideale Bewertung und kausale Erklärung blieben immer noch heterogen. Man vergesse auch nicht die "ersten Kollokationen", die für die kausale Erklärung unerläßlich, für die ideale Wertung aber sinnlos sind.
Die psychologistischen Logiker verkennen die grundwesentlichen und ewig unüberbrückbaren Unterschiede zwischen Ideal
herzustellen. Es ist kennzeichnend für den Tiefstand der
zugleich eine reale wäre, die wirkliches Denken hervorbringt", oder wenn er zur Erklärung des Begriffes "logischer Grund" den Begriff des Denkzwanges benützt.
Beziehungen wirklich um logische Grundirrtümer handelt, wird der Lauf der weiteren Untersuchungen hoffentlich auch dem Voreingenommenen zu voller Gewißheit bringen.
Drittens.
für Psychisches sein und zugleich die Existenz von Psychischem voraussetzen bzw. einschließen. Dies ist nachweislich falsch. Kein logisches Gesetz impliziert ein "matter of fact", auch nicht die Existenz von Vorstellungen oder Urteilen oder sonstigen Erkenntnisphänomenen. Kein logisches Gesetz ist — nach seinem echten
Sinne — ein Gesetz für Tatsächlichkeiten des psychischen Lebens,
Die meisten Psychologisten stehen zu sehr unter dem Einflusse
ihres allgemeinen Vorurteils, als daß sie daran
Interpretationen der logischen Gesetze nötigen würde, welche ihrem wahren Sinn von Grund aus fremd wären. Man übersieht, daß die natürlich verstandenen Gesetze weder der Begründung noch dem Inhalt nach Psychologisches (also Tatsächlichenkeiten des Seelenlebens) voraussetzen und jedenfalls nicht mehr als die
Gesetze der reinen Mathematik.
Wäre der Psychologismus auf richtigem Wege, so müßten wir in der Lehre von den Schlüssen durchaus nur Regeln folgender Art erwarten: Erfahrungsgemäß knüpft sich ein mit dem Charakter apodiktisch notwendiger Folge versehener Schlußsatz der
Form S unter den Umständen U an Prämissen der Form P. Um also "richtig" zu schließen, das heißt Urteile dieses auszeichnenden Charakters beim Schließen zu gewinnen, hat man demgemäß zu verfahren und für die Realisierung der Umstände U und der bezüglichen Prämissen zu sorgen. Psychische Tatsächlichkeiten
erschienen hier als das Geregelte, und zugleich wäre die Existenz solcher Tatsächlichkeiten, wie in der Begründung der Regeln vorausgesetzt, so in ihrem Inhalt mit eingeschlossen. Aber kein einziges Schlußgesetz entspricht diesem Typus. Was besagt z.B. der modus Barbara? Doch nichts anderes als dies: ┌"Allgemein
gilt für beliebige Klassentermini A, B, C, daß, wenn alle AB und alle BC sind, auch alle AC sind"┐
ähnlichen Gesetze empirisch sind, so wenig sind sie auch psychologisch. Allerdings werden sie in der traditionellen Logik in Absicht auf die Normierung der Urteilstätigkeiten aufgestellt. Aber
Schlußweise aus ihm ableiten lassen. Aber wo sind die Schlußformen, die aus einem reinen Gesetz eine Tatsache abzuleiten gestatten?
Man wird nicht einwenden, daß in aller Welt die Rede von logischen Gesetzen nicht hätte aufkommen können, wenn wir nie
Vorstellungen und Urteile im aktuellen Erlebnis gehabt und die betreffenden logischen Grundbegriffe aus ihnen abstrahiert hätten; oder gar, daß in jedem Verstehen und Behaupten des Gesetzes die Existenz von Vorstellungen und Urteilen impliziert, also daraus wieder zu erschließen sei. Denn kaum braucht gesagt
zu werden, daß hier die Folge nicht aus dem Gesetz, sondern aus dem Verstehen und Behaupten des Gesetzes gezogen ist, daß dieselbe Folge aus jeder beliebigen Behauptung zu ziehen wäre, und daß psychologische Voraussetzungen oder Ingredienzien der Behauptung eines Gesetzes nicht mit logischen Momenten
seines Inhaltes vermengt werden dürfen.
"Empirische Gesetze" haben eo ipso einen Tatsachengehalt. Als unechte Gesetze sagen sie, roh gesprochen, nur aus, daß unter gewissen Umständen erfahrungsmäßig gewisse Koexistenzen oder Sukzessionen einzutreten pflegen, oder je nach Umständen mit
größerer oder geringerer Wahrscheinlichkeit zu erwarten sind. Darin liegt, daß solche Umstände, solche Koexistenzen oder Sukzessionen tatsächlich Vorkommen. Aber auch die strengen Gesetze der Erfahrungswissenschaften sind nicht ohne Tatsachengehalt. Sie sind nicht bloß Gesetze über Tatsachen, sie
implizieren auch die Existenz von Tatsachen.
Doch es bedarf hier größerer Genauigkeit. Die exakten Gesetze in ihrer normalen Formulierung haben freilich den Charakter reiner Gesetze, sie schließen keinerlei Existenzialgehalt in sich. Aber denken wir an die Begründungen, aus denen sie die wissen
schaftliche Rechtfertigung schöpfen, so ist
matisch denkbarer Gesetze, welche von Newtons Gesetz nur innerhalb der Sphäre unvermeidlicher Beobachtungsfehler differieren können. Diese Wahrheit ist mit Tatsächlichkeitsgehalt reichlich beschwert, sie selbst ist also nichts weniger als ein Gesetz im echten Sinne des Wortes. Sie schließt offenbar auch mehrere
Begriffe vager Umgrenzung ein.
Und so sind alle Gesetze der exakten Wissenschaften über Tatsachen zwar echte Gesetze, aber, erkenntnistheoretisch betrachtet, nur idealisierende Fiktionen — obschon Fiktionen cum funda-mento in re. Sie erfüllen die Aufgabe, theoretische Wissenschaften
als der Wirklichkeit nächstangepaßte Ideale zu ermöglichen, also das höchste theoretische Ziel aller wissenschaftlichen Tatsachenforschung, das Ideal der erklärenden Theorie, der Einheit aus Gesetzlichkeit, insoweit zu realisieren, als es nach Maßgabe der unüberbrückbaren Schranken der menschlichen Erkenntnis mög
lich ist. An Stelle der absoluten Erkenntnis, die uns versagt ist, arbeiten wir uns durch einsichtiges Denken aus dem Gebiet empirischer Einzelheiten und Allgemeinheiten zunächst jene sozusagen apodiktischen Wahrscheinlichkeiten heraus, in denen alles erreichbare Wissen betreffs der Wirklichkeit beschlossen ist. Diese redu
zieren wir dann auf gewisse exakte Gedanken von echtem Gesetzescharakter, und so gelingt uns der Aufbau formell vollkommener Systeme erklärender Theorien. Aber diese Systeme (wie z.B die theoretische Mechanik, die theoretische Akustik, theoretische Optik, theoretische Astronomie u. dgl.) können sachlich nur gel
ten als
Leistungen zur erfolgreichen Vorausbestimmung der künftigen und Rekonstruktion der vergangenen Tatsachen und ihrer technischen Leistungen für die praktische Naturbeherrschung. Wir gehen also wieder zu unserem Falle über.
Ist echte Gesetzlichkeit, wie soeben gezeigt wurde, ein bloßes
sprochen, ihre rechtfertigende Begründung, nehmen sie nicht aus der Induktion; so führen sie auch nicht den existenzialen Gehalt mit sich, der allen Wahrscheinlichkeiten als solchen, auch den höchsten und wertvollsten, anhaftet. Was sie besagen, gilt voll und ganz; einsichtig begründet sind sie selbst in ihrer absoluten
Exaktheit, und nicht an ihrer Statt gewisse Wahrscheinlichkeitsbehauptungen mit ersichtlich vagen Bestandstücken. Das jeweilige Gesetz erscheint nicht als eine von unzähligen theoretischen Möglichkeiten einer gewissen, obschon sachlich abgegrenzten Sphäre. Es ist die eine und alleinige Wahrheit, die jede anders
artige Möglichkeit ausschließt und sich als einsichtig erkannte Gesetzlichkeit von allen Tatsachen dem Inhalt wie der Begründung nach rein erhält.
Man sieht aus diesen Betrachtungen, wie innig die beiden Hälften der psychologistischen Konsequenz — nämlich daß die logi
schen Gesetze nicht bloß existenziale Behauptungen über psychische Tatsächlichkeiten mit sich führen, sondern daß sie auch Gesetze für solche Tatsächlichkeiten sein müßten — Zusammenhängen. Die Widerlegung der ersten Hälfte ergab sich uns zunächst. Die der anderen erscheint darin mitbe|schlossen
folgendem Argument: Wie jedes Gesetz, das der Erfahrung und Induktion aus Einzeltatsachen entstammt, ein Gesetz für Tatsachen ist, so ist umgekehrt jedes Gesetz für Tatsachen ein Gesetz aus Erfahrung und Induktion; und folglich sind von ihm, wie oben nachgewiesen, Behauptungen existenzialen Gehalts unabtrennbar.
Selbstverständlich dürfen wir hier unter Tatsachengesetzen nicht auch die allgemeinen Aussagen befassen, welche rein begriffliche Sätze — d.i. Sätze, die sich als allgemeingültige Beziehungen auf Grund reiner Begriffe darstellen — auf Tatsächlichkeiten übertragen. Ist 3 > 2, so sind auch 3 Bücher jenes Tisches
mehr als 2 Bücher jenes Schrankes. Und so allgemein für beliebige Dinge. Der reine Zahlensatz spricht aber nicht von Dingen, sondern von Zahlen ┌in reiner Allgemeinheit┐
Wird dies alles zugestanden, so ist es natürlich ausgeschlossen, daß die logischen Gesetze ┌(in ihrer Reinheit genommen)┐
Vielleicht wird mancher unserer Konsequenz zu entgehen
suchen, indem er einwendet: Nicht jedes Gesetz für Tatsachen entspringt aus Erfahrung und Induktion. Man muß hier vielmehr unterscheiden: Jede Gesetzeserkenntnis beruht auf Erfahrung, aber nicht jede erwächst aus ihr in der Weise der Induktion, also in jenem wohlbekannten logischen Prozeß, der von singulären
Tatsachen oder empirischen Allgemeinheiten niedriger Stufe zu den gesetzlichen Allgemeinheiten hinleitet. So sind im besonderen die logischen Gesetze erfahrungsmäßige, aber nicht induktive Gesetze. In der psychologischen Erfahrung abstrahieren wir die logischen Grundbegriffe und die mit ihnen gegebenen rein
begrifflichen Verhältnisse. Was wir im
das Ergebnis nicht mit ihren Unvollkommenheiten behaftet, es hat nicht den bloßen Charakter der Wahrscheinlichkeit, sondern den apodiktischer Gewißheit, es ist nicht von vager, sondern von exakter Begrenzung, es schließt auch in keiner Weise Behauptungen existenzialen Gehalts ein.
Indessen, was man hier einwendet, kann nicht genügen. Niemand wird bezweifeln, daß die Erkenntnis der logischen Gesetze, als psychischer Akt, die Einzelerfahrung voraussetzt, daß sie ihre Grundlage hat in der konkreten Anschauung. Aber man vermenge nicht psychologische "Voraussetzungen" und
"Grundlagen" der Gesetzeserkenntnis mit logischen Vor
und Folge, während sich die erstere auf die psychischen Zusammenhänge in der Koexistenz und Sukzession bezieht. Niemand kann ernstlich behaupten, daß die etwa vor Augen stehenden konkreten Einzelfälle, auf "Grund" welcher die Einsicht in das Gesetz zustande kommt, die Funktion von logischen Gründen,
von Prämissen haben, als ob aus dem Dasein des Einzelnen die Folge statthätte auf die Allgemeinheit des Gesetzes. Die intuitive Erfassung des Gesetzes mag psychologisch zwei Schritte verlangen: den Hinblick auf die Einzelheiten der Anschauung und die darauf bezogene gesetzliche Einsicht. Aber logisch ist nur eines
da. Der Inhalt der Einsicht ist nicht Folgerung aus der Einzelheit.
Alle Erkenntnis "fängt mit der Erfahrung an", aber sie "entspringt" darum nicht schon aus der Erfahrung. Was wir behaupten, ist dies, daß jedes Gesetz für Tatsachen aus
Induktion aus einzelnen Erfahrungen zu begründen ist. Gibt es einsichtig erkannte Gesetze, so können sie also nicht (unmittelbar) Gesetze für Tatsachen sein. ┌Wo immer bisher unmittelbare Ein-sichtigkeit von Tatsachengesetzen angenommen wurde┐
Gesetze der Koexistenz und Sukzession, vermengt hat mit idealen Gesetzen, denen die Beziehung auf zeitlich Bestimmtes an sich fremd ist; oder daß man den lebhaften Überzeugungsdrang, den die wohlvertrauten empirischen Allgemeinheiten mit sich führen, mit der Einsichtigkeit, die wir nur im Gebiete des rein Begriff
lichen erleben, verwechselte.
Kann ein Argument dieser Art auch nicht entscheidend wirken, so kann es immerhin die Kraft anderweitiger Argumente verstärken. Noch ein solches sei hier angefügt.
Schwerlich wird jemand leugnen, daß alle rein logischen Geset
ze ein und desselben Charakters sind; können wir von einigen zeigen, ┌daß es unmöglich sei, sie als Gesetze über Tatsachen auf
tradiktorisches Gegenteil keine Wahrheit ist. Für jedes Paar Wahrheiten A, B gilt, daß auch ihre konjunktiven und disjunktiven Verknüpfungen
für Wahrheiten als solche gelten, als Gesetze für Tatsachen zu bezeichnen. Keine
erhaben, d.h. es hat keinen Sinn, ihr zeitliches Sein, Entstehen oder Vergehen zuzuschreiben. Am klarsten tritt die Absurdität für die Wahrheitsgesetze selbst hervor. Als Realgesetze wären sie Regeln der Koexistenz und Sukzession von Tatsachen, spezieller von Wahrheiten, und zu diesen Tatsachen, die sie regeln, müßten
sie selbst, nämlich als Wahrheiten, gehören. Da schriebe ein Gesetz gewissen Tatsachen, genannt Wahrheiten, Kommen und Gehen vor, und unter diesen Tatsachen sollte sich nun, als eine neben anderen, das Gesetz selbst finden. Das Gesetz entstände und verginge nach dem Gesetz — ein offenbarer Widersinn. Und
ähnlich, wenn wir das Wahrheitsgesetz als Koexistenzgesetz deuten wollten, als zeitlich Einzelnes und doch als allgemeine Regel für alles und jedes zeitlich Seiende maßgebend. Derartige Absurditäten
sprechend den Unterschied zwischen Ideal- und Realgesetzen nicht beachtet oder nicht in rechtem Sinne versteht; immer wieder werden wir sehen, daß dieser Unterschied für die Streitfragen zwischen psychologistischer und reiner Logik entscheidend ist.
Wir haben oben bemerkt, daß eine konsequent durchgeführte Auffassung der logischen Gesetze als Gesetze über psychische Tatsachen zu wesentlichen Mißdeutungen derselben führen müßte. Aber in diesen, wie in allen anderen Punkten hat die herrschen
de Logik die Konsequenz in der Regel gescheut. Fast würde ich sagen, der Psychologismus lebe nur durch Inkonsequenz, wer ihn folgerichtig zu Ende denke, habe ihn schon aufgegeben, wenn nicht der extreme Empirismus ein merkwürdiges Beispiel dafür liefern würde, wie viel stärker eingewurzelte Vorurteile sein können, als die klarsten Zeugnisse der Einsicht. In unerschrocke
ner Folgerichtigkeit zieht er die härtesten Konsequenzen, aber nur, um sie auf sich zu nehmen und zu einer, freilich widerspruchsvollen Theorie zusammenzubinden. Was wir gegen die bestrittene logische Position geltend gemacht haben — daß die logischen Wahrheiten statt a priori gewährleisteter und absolut
exakter Gesetze rein begrifflicher Art, vielmehr durch Erfahrung und Induktion begründete, mehr oder minder vage Wahrscheinlichkeiten sein müßten, gewisse Tatsächlichkeiten menschlichen Seelenlebens betreffend — dies ist (wenn wir etwa von der Betonung der Vagheit absehen) gerade die ausdrückliche Lehre des
Empirismus. Es kann nicht unsere Aufgabe sein, diese erkenntnistheoretische Richtung einer erschöpfenden Kritik zu unterwerfen.
Bekanntlich lehrt J. St. Mill
— so fährt er wörtlich fort — aus den einfachsten Beobachtungen unseres eigenen Geistes. Und richten wir unsere Beobachtung nach außen, so finden wir auch hier, daß Licht und Dunkel, Schall und Stille, Gleichheit und Ungleichheit, Vorangehen und Nachfolgen, Aufeinanderfolge und Gleichzeitigkeit, kurz jedes positive
Phänomen und seine Verneinung (negative) unterschiedene Phänomene sind, im Verhältnis eines zugespitzten Gegensatzes, und ┌das┐
Wo es sich um die prinzipiellen Fundamente seiner empiristi-schen Vorurteile handelt, ist der sonst so scharfsinnige Mill wie von allen Göttern verlassen. Und so macht hier nur eines Schwierigkeit: zu begreifen, wie eine solche Lehre überzeugen konnte. Auffällig ist zunächst die offenbare Inkorrektheit der
Behauptung, es sei das Prinzip, daß zwei kontradiktorische Sätze nicht zusammen wahr sind und sich in diesem Sinne ausschließen, eine Verallgemeinerung der angeführten "Tatsachen", daß Licht und Dunkel, Schall und Stille u. dgl. sich ausschließen, welche doch alles eher sind als kontradiktorische Sätze. Es ist
überhaupt nicht recht verständlich, wie Mill den Zusammenhang dieser ┌angeblichen┐
a correlative negative mode; and that the negative mode cannot occur without excluding the correlative positive mode".
ist aber der Satz vom Widerspruch nichts weniger als eine Tautologie. Es liegt nicht in der Definition kontradiktorischer Sätze, daß sie sich ausschließen, und tun sie es auch vermöge des genannten Prinzips, so gilt doch nicht das Umgekehrte: nicht jedes Paar sich ausschließender Sätze ist ein Paar kontradiktorischer
— Beweis genug, daß unser Prinzip nicht zusammengeworfen werden darf mit jener Tautologie. Und als Tautologie will es ja auch Mill nicht verstanden wissen, da es nach ihm allererst durch Induktion aus der Erfahrung entspringen soll.
Jedenfalls besser als die so wenig verständlichen Beziehungen
auf ┌ Inkoexistenzen┐
als "laws of our thoughts by the native structure of the mind" gelten dürfen, oder ob sie Denkgesetze nur sind "because we perceive them to be universally true of observed phenomena" — was Mill übrigens nicht positiv entscheiden möchte. Da lesen wir in Beziehung auf diese Gesetze: "They
alteration by experience, but the conditions of our existence deny to us the experience which would be required to alter them. Any assertion, therefore, which conflicts with one of these laws — any proposition, for instance, which asserts a contradiction, though it were on a subject wholly removed from the sphere of our experience,
Wir entnehmen daraus, daß die Inkonsistenz, die im Satze vom Widerspruch ausgedrückt wird, nämlich das Nichtzusammen
wahrsein kontradiktorischer Sätze, von Mill als Unverträglichkeit solcher Sätze in unserem belief gedeutet wird. Mit anderen Worten: dem Nichtzusammenwahrsein der Sätze wird substituiert die reale Unverträglichkeit der entsprechenden Urteilsakte. Dies harmoniert auch mit der wiederholten Be
hauptung Mills, daß Glaubensakte die einzigen Objekte seien, die man im eigentlichen Sinne als wahr und falsch bezeichnen könne. Zwei kontradiktorisch entgegengesetzte Glaubensakte können nicht koexistieren — so müßte das Prinzip verstanden werden.
Hier regen sich nun allerlei Bedenken. Zunächst ist der Ausspruch des Prinzips sicher unvollständig. Unter welchen Um
ständen, so wird man fragen müssen, können die entgegengesetzten Glaubensakte nicht koexistieren? In verschiedenen Individuen können, wie allbekannt, entgegengesetzte Urteile sehr wohl koexistieren. Wir werden also, zugleich den Sinn der realen Koexistenz auseinanderlegend, genauer sagen
selben Individuum, oder noch besser, in demselben Bewußtsein, können während einer noch so kleinen Zeitstrecke kontradiktorische Glaubensakte nicht andauern. Aber ist dies wirklich ein Gesetz? Dürfen wir es wirklich mit unbeschränkter Allgemeinheit aussprechen? Wo sind die psychologischen Induktionen, die
zu seiner Annahme berechtigen? Sollte es nicht Menschen gegeben haben und noch geben, die gelegentlich, z.B. durch Trugschlüsse verwirrt, Entgegengesetztes zu gleicher Zeit für wahr hielten? Hat man wissenschaftliche Forschungen darüber ange
Vielleicht begrenzt der Empirist, um diesen Einwänden zu entgehen, sein "Gesetz" durch passende Zusätze, z.B. daß es nur für normale und im Zustande normaler Denkverfassung befindliche Individuen der Spezies homo Geltung beanspruche. Aber es genügt, die verfängliche Frage nach der genaueren Bestimmung
der Begriffe "normales Individuum" und "normale Denkverfassung" aufzuwerfen, und wir erkennen, wie kompliziert und wie inexakt der Inhalt des Gesetzes geworden ist, mit dem wir es nun zu tun haben.
Es ist nicht nötig diese Betrachtungen weiter fortzusetzen (ob
schon z.B. das im Gesetz auftretende Zeitverhältnis einigen Anhalt bieten würde): sie sind ja mehr als ausreichend, um die erstaunliche Konsequenz zu begründen, daß unser wohlvertrautes principium contradictionis, welches man allzeit für ein evidentes, absolut exaktes und ausnahmslos gültiges Gesetz gehalten hatte,
in Wahrheit das Muster eines grob ungenauen und unwissenschaftlichen Satzes ist, welcher erst nach mancherlei Korrekturen, die seinen scheinbar exakten Gehalt in einen recht vagen umwandeln, zum Range einer plausiblen Vermutung erhoben werden kann. So muß es sich freilich verhalten, wenn der Empirismus darin im
Rechte ist, daß die Unverträglichkeit, von der das Prinzip spricht, als
psychologischen Deutung zunächst hervorgeht, wissenschaftlich zu begrenzen und zu begründen; er nimmt ihn, so wie er sich gibt, so ungenau, wie es bei "einer der frühesten und nächstliegenden Verallgemeinerungen aus der Erfahrung", d.h. bei einer rohen Verallgemeinerung der vorwissenschaftlichen Empirie nur
irgend zu erwarten ist. Gerade da, wo es sich um die letzten Fundamente aller Wissenschaft handelt, soll es bei dieser naiven Empirie mit ihrem blinden Assoziationsmechanismus sein Bewenden haben. Überzeugungen, die ohne alle Einsicht aus psychologischen Mechanismen erwachsen, die keine bessere Recht
Rechtfertigung aller im strengsten Wortsinne wissenschaftlichen Erkenntnis darstellen.
Doch dies haben wir hier nicht weiter zu verfolgen. Wichtig ist es aber, auf den Grundirrtum der gegnerischen Lehre mit der Frage zurückzugehen, ob denn jener empirische und wie immer
zu formulierende Satz über Glaubensakte wirklich der Satz ist, von dem in der Logik Gebrauch gemacht wird. Er sagt: Unter gewissen subjektiven (leider nicht näher erforschten und komplett angebbaren) Umständen X können in demselben Bewußtsein zwei ┌wie┐
zusammen bestehen. Ist das wirklich gemeint, wenn die Logiker sagen: "Zwei kontradiktorische Sätze sind nicht beide wahr"? Wir brauchen nur auf die Fälle hinzublicken, wo wir uns dieses Gesetzes zur Regelung der Urteilstätigkeiten bedienen, und wir erkennen, daß seine Meinung eine ganz andere ist. In seiner
normativen Wendung besagt es offenbar dies und nichts anderes: Welche Paare entgegengesetzter Glaubensakte heraus
gilt in absoluter Strenge und Ausnahmslosigkeit, daß die Glieder des jeweiligen Paares nicht beide richtig, d.i. wahrheitsgemäß sind. Ich denke, man wird an der Gültigkeit dieser Norm selbst auf empiristischer Seite nicht zweifeln können. Jedenfalls hat es die Logik da, wo sie von den Denkgesetzen spricht, nur mit dem
zweiten, logischen Gesetze zu tun und nicht mit jenem vagen, dem Inhalt nach total verschiedenen und bisher noch nicht einmal formulierten "Gesetz" der Psychologie.
Bei der innigen Verschwisterung zwischen Empirismus und Psy-chologismus dürfte eine kleine Abschweifung gerechtfertigt erscheinen,
welche die Grundirrtümer des Empirismus bloßlegt. Der extreme Empirismus als eine Theorie der Erkenntnis ist nicht minder absurd als der extreme Skeptizismus. Er hebt die Möglichkeit einer vernünftigen Rechtfertigung der mittelbaren Erkenntnis auf, und damit hebt er seine eigene Möglichkeit als einer
wissenschaftlich begründeten Theorie auf.
verläuft, und kann ihre höchste Rechtfertigung nur durch Rekurs auf diese Prinzipien vollzogen werden, dann führte es entweder auf einen Zirkel oder ┌auf┐
sichtig und unmittelbar zu erkennen, auf welchen alle Begründung im letzten Grunde beruht. Alle rechtfertigenden Prinzipien möglicher Begründungen müssen sich sonach deduktiv zurückführen lassen auf gewisse letzte, unmittelbar evidente Prinzipien, und zwar so, daß die Prinzipien dieser Deduktion selbst sämtlich unter diesen Prinzipien
Vorkommen müssen.
Der extreme Empirismus aber, indem er im Grunde nur den empirischen Einzelurteilen volles Vertrauen schenkt (und ein gänzlich unkritisches, da er die Schwierigkeiten nicht beachtet, welche gerade diese Einzelurteile in so reichem Maße betreffen), verzichtet eo ipso
auf die Möglichkeit einer vernünftigen Rechtfertigung der mittelbaren Erkenntnis. Anstatt die letzten Prinzipien, von denen die Rechtfertigung der mittelbaren Erkenntnis abhängt, als unmittelbare Einsichten
Empirismus, da ihm der Hinweis auf unmittelbar einsichtige allgemeine Prinzipien verschlossen ist, vielmehr durch Hinweis auf die naive, unkritische Alltagserfahrung. Und für diese selbst glaubt er eine höhere Dignität gewinnen zu können, indem er sie in Humescher Art psychologisch erklärt. Er übersieht also, daß, wenn es keine ein
sichtige Rechtfertigung von mittelbaren Annahmen überhaupt gibt, also keine Rechtfertigung nach unmittelbar evidenten allgemeinen Prinzipien, an denen die bezüglichen Begründungen fortlaufen, auch die ganze psychologische Theorie, die ganze auf mittelbarer Erkenntnis beruhende Lehre des Empirismus selbst jeder vernünftigen Recht
fertigung entbehrte, daß sie also eine willkürliche Annahme wäre, nicht besser als das nächste Vorurteil.
Es ist sonderbar, daß der Empirismus einer Theorie, die mit solchen Widersinnigkeiten beschwert ist, mehr Vertrauen schenkt als
Psychologismus zeigt er überall die Neigung, die psychologische Entstehung gewisser allgemeiner Urteile aus der Erfahrung, wohl vermöge dieser vermeintlichen "Natürlichkeit", mit einer Rechtfertigung derselben zu verwechseln.
Es ist bemerkenswert, daß die Partie nicht etwa besser steht für
den gemäßigten Empirismus Humes, welcher die Sphäre der reinen Logik und Mathematik (bei allem auch sie verwirrenden Psychologismus) als a priori gerechtfertigte festzuhalten versucht und nur die Tatsachenwissenschaften empiristisch preisgibt. Auch dieser erkenntnistheoretische Standpunkt erweist sich als unhaltbar, ja als wider
sinnig; dies zeigt ein ähnlicher Einwand, wie derjenige, welchen wir oben gegen den extremen Empirismus gerichtet haben. Mittelbare Tatsachenurteile — so können wir den Sinn der Humeschen Theorie kurz ausdrücken — lassen, und zwar ganz allgemein, keine vernünftige Rechtfertigung, sondern nur eine psychologische
Erklärung zu. Man braucht bloß die Frage aufzuwerfen, wie es denn mit der vernünftigen Rechtfertigung der psychologischen Urteile steht (über Gewohnheit, Ideenassoziation u. dgl.), auf welche sich diese Theorie selbst stützt, und der Tatsachenschlüsse, die sie selbst verwendet — und man erkennt den evidenten Widerstreit zwischen dem 40 Sinn des Satzes, den die Theorie beweisen, und dem Sinn der Herleitungen, die sie dazu verwenden will. Die psychologischen Prämissen der Theorie sind selbst mittelbare Tatsachenurteile, ermangeln also im Sinne der zu beweisenden These jeder vernünftigen Rechtfertigung. Mit anderen Worten: die Richtigkeit der Theorie setzt die Unvernünf-45 tigkeit ihrer Prämissen, die Richtigkeit der Prämissen die Unvernünftigkeit der Theorie (bzw. These) voraus. (Auch Humes Lehre ist danach in dem prägnanten, im Kapitel VII zu definierenden Sinne eine skeptische.)
Es ist leicht einzusehen, daß Einwände der Art, wie wir sie in
den letzten Paragraphen erhoben haben, jedwede psychologische Mißdeutung der sog. Denkgesetze und aller
ihnen im logischen Denken anhaftende Evidenz ausweichen wollte. Die Einsichtigkeit der logischen Gesetze steht fest. Aber sowie man ihren Gedankengehalt als einen psychologischen versteht, hat man ihren originären Sinn, an den die Einsichtigkeit geknüpft war, total geändert. Aus exakten Gesetzen sind, wie wir
sahen, empirisch vage Allgemeinheiten geworden, die, bei gehöriger Beachtung ihrer Unbestimmtheitssphäre, Gültigkeit haben mögen, aber von aller Evidenz weit entfernt sind. Dem natürlichen Zuge ihres Denkens folgend, aber ohne sich dessen klar bewußt zu sein, verstehen zweifellos auch die psychologischen Er
kenntnistheoretiker alle die hierhergehörigen Gesetze zunächst — nämlich bevor ihre philosophische Interpretationskunst zu spielen beginnt — in dem objektiven Sinne. Dann aber verfallen sie in den Irrtum, die auf diesen eigentlichen Sinn bezogene Evidenz, welche ihnen die absolute Gültigkeit der Gesetze verbürgte,
auch für jene wesentlich geänderten Deutungen in Anspruch zu nehmen, die sie bei nachträglicher Reflexion den Gesetzesformeln glauben unterlegen zu dürfen. Hat in aller Welt die Rede von der Einsicht, in der wir der Wahrheit selbst innewerden, irgendwo Berechtigung, so gewiß bei dem Satze, daß von zwei kontradikto
rischen Sätzen nicht beide wahr sind; und wieder: müssen wir dieser Rede die Berechtigung irgendwo versagen, so gewiß bei jeder psychologisierenden Umdeutung desselben Satzes (oder seiner Äquivalente), z.B. "daß Bejahung und Verneinung im Denken sich ausschließen", daß "gleichzeitig in ┌einem┐
wußtsein als widersprechend erkannte Urteile nebeneinander
Verweilen wir, um keine Unklarheit übrig zu lassen, bei der
Erwägung dieser schillernden Fassungen. Bei näherer Betrachtung merkt man sogleich den beirrenden Einfluß mitspielender Äquivokationen, infolge deren das echte Gesetz oder irgendwelche ihm äquivalente normative Wendungen mit psychologischen Behauptungen verwechselt wurden. So bei der er
sten Fassung. Im Denken schließen sich Bejahung und Verneinung aus. Der Terminus Denken, der in weiterem Sinne alle intellektiven Betätigungen befaßt, wird im Sprachgebrauch vieler Logiker mit Vorliebe in Beziehung auf das vernünftige, "logische" Denken, also in Beziehung auf das richtige Urteilen ge
braucht. Daß sich im richtigen Urteilen Ja und Nein ausschließen, ist evident, aber damit ist auch ein mit dem logischen Gesetz äquivalenter, nichts weniger als psychologischer Satz ausgesprochen. Er besagt, daß kein Urteilen ein richtiges wäre, in welchem derselbe Sachverhalt zugleich bejaht und verneint wür
de; aber mitnichten sagt er irgend etwas darüber, ob — gleichgültig ob in ┌einem┐l Bewußtsein oder in mehreren — kontradiktorische Urteilsakte realiter koexistieren können oder nicht.
beneinander nicht bestehen können) ausgeschlossen, es sei denn, daß man das "Bewußtsein" als "Bewußtsein überhaupt", als überzeitliches Normalbewußtsein interpretiert. Natürlich kann aber ein primitives logisches Prinzip nicht den Begriff des
Eine ähnliche Äquivokation wie in der ersten spielt in der dritten und vierten Formulierung. Niemand kann an einen Widerspruch glauben, niemand kann annehmen, daß dasselbe sei und nicht sei — niemand Vernünftiger, wie selbstverständlich ergänzt werden muß. Für jeden, der richtig urteilen will, und für
niemand sonst besteht diese Unmöglichkeit. Sie drückt also keinen psychologischen Zwang aus, sondern die Einsicht, ┌daß entgegengesetzte Sätze nicht zusammen wahr sind bzw. ihnen entsprechende Sachverhalte nicht zusammen bestehen können┐
heißt, das Wahre als wahr, das Flasche als falsch gelten zu lassen, so urteilen muß, wie dieses Gesetz es vorschreibt. Im faktischen Urteilen mag es anders kommen; kein psychologisches Gesetz zwingt den Urteilenden unter das Joch der logischen Gesetze. Wieder haben wir es also mit einer äquivalenten Wendung des
logischen Gesetzes zu tun, der nichts ferner liegt als der Gedanke an eine psychologische
Inkompatibilität der entsprechenden Sätze (als ihr gesetzliches Nichtzusammenwahrsein) gefaßt wird.
Der Satz: kein "Vernünftiger" oder auch nur "Zurechnungsfähiger" kann an einen Widerspruch glauben, läßt noch eine andere Interpretation zu. Wir nennen den einen Vernünftigen,
dem wir die habituelle Disposition Zutrauen, "bei normaler Denkverfassung" "in seinem Kreise" richtig zu urteilen. Wer die habituelle Befähigung besitzt, in normaler Denkverfassung zum mindesten das "Selbstverständliche", "auf der Hand
rechnungsfähig". Natürlich zählen wir die Vermeidung expliziter Widersprüche in den — übrigens recht vagen — Bereich dieses
niemanden zurechnungsfähig nennen, der sich anders verhielte. Von einem psychologischen Gesetz ist also wiederum keine Rede.
Doch wir sind mit den möglichen Interpretationen nicht zu Ende. Eine arge Zweideutigkeit des Wortes Unmöglichkeit, nach der es nicht bloß die objektiv gesetzliche Unverein
barkeit, sondern auch ein subjektives Unvermögen, Vereinigung zustande zu bringen, bedeuten kann, trägt nicht wenig zur Begünstigung psychologistischer Tendenzen bei. Daß Widersprüche zusammen bestehen, kann ich nicht glauben — ich mag mich noch so sehr bemühen, der Versuch scheitert an
dem gefühlten und unüberwindlichen Widerstand. Dieses Nichtglaubenkönnen, so möchte man argumentieren, ist ein evidentes Erlebnis, ich sehe also ein, daß der Glaube an Widersprechendes für mich, also auch für jedes Wesen, das ich mir analog denken muß, eine Unmöglichkeit ist; ich habe damit eine evidente Ein
sicht in eine psychologische Gesetzlichkeit, die eben im Satze vom Widerspruch ausgedrückt ist.
Wir antworten, nur auf den neuen Irrtum der Argumentation Rücksicht nehmend, folgendes: Erfahrungsmäßig mißlingt, wo wir uns urteilend entschieden haben, jedweder Versuch, die Über
zeugung, von der wir eben erfüllt sind, aufzugeben und den gegenteiligen Sachverhalt anzunehmen; es sei denn, daß neue Denkmotive auftauchen, nachträgliche Zweifel, ältere und mit der gegenwärtigen unverträgliche Überzeugungen, oft nur ein dunkles "Gefühl" feindlich aufstrebender Gedankenmassen. Der ver
gebliche Versuch, der gefühlte Widerstand u. dgl., das sind individuelle Erlebnisse, beschränkt auf Person
rische Evidenz für das Dasein des einzelnen Erlebnisses mit der apodiktischen Evidenz für den Bestand eines allgemeinen Gesetzes. Kann die Evidenz für das Dasein jenes als Unfähigkeit gedeuteten Gefühls uns die Einsicht gewähren, daß, was wir soeben faktisch nicht zustande bringen, uns auch für immer und gesetz
versteigen: Es ist undenkbar, daß jemand non-A urteile. In gleichem Sinne können wir nun auch sagen: Es ist undenkbar, daß jemand den Satz des Widerspruches — von dem wir ja die festeste Überzeugung haben — nicht annehme; und wieder: Niemand bringt es fertig, zwei kontradiktorische ┌Sätze┐
gleich für wahr zu halten. Es mag sein, daß hierfür ein aus vielfältiger Erprobung an Beispielen erwachsenes und eventuell recht lebhaftes Erfahrungsurteil spricht; aber die Evidenz, daß es sich allgemein und notwendig so verhalte, besitzen wir nicht.
Die wahre Sachlage können wir so beschreiben: Apodik
tische Evidenz, d.i. Einsicht im prägnanten Sinne des Wortes, haben wir bezüglich des Nichtzusammenwahrseins kontradiktorischer Sätze ┌ bzw. für das Nichtzusammenbestehen der entgegengesetzten Sachverhalte┐
Evidenz erstreckt sich dann auch auf eine psychologische Nutzanwendung; wir haben auch die Einsicht, daß zwei Urteile von kontradiktorischem Gehalt nicht in der Weise koexistieren können, daß sie beide nur urteilsmäßig fassen, was in fundierenden Anschauungen wirklich gegeben ist. Allgemeiner haben wir die Einsicht, daß nicht bloß assertorisch, sondern auch apodik
tisch evidente Urteile von kontradiktorischem Gehalt ┌weder in einem Be|wußtsein, noch auf verschiedene Bewußtseine
schauung und seiner Einsicht als koexistierend vorgefunden werden können — was keineswegs ausschließt, daß sie für koexistierend gehalten werden. Dagegen fehlt uns apodiktische Evidenz in Beziehung auf kontradiktorische Urteile überhaupt;
In unserer psychologisch interessierten Zeit haben sich nur wenige Logiker von den psychologischen Mißdeutungen der lo
gischen Prinzipien ganz frei zu halten gewußt;
klärung zugänglich ist, daß also jeder noch so wohlgemeinte Versuch, durch psychologische Forschungen auf das Wesen der "Denkgesetze" ein Licht zu werfen, deren psychologische Umdeutung voraussetzt, so wird man alle deutschen Logiker der von Sigwart angebahnten Richtung hierher zählen müssen, mögen
sie auch der ausdrücklichen Formulierung oder Kennzeichnung dieser Gesetze als psychologischer ferngeblieben sein und sie wie immer den sonstigen Gesetzen der Psychologie gegenübergestellt haben. Findet man die gedanklichen Verschiebungen nicht in den gewählten Gesetzesformeln ausgeprägt, dann um so sicherer in
den begleitenden Erläuterungen oder in dem Zusammenhang der jeweiligen Darstellungen.
Macht unseres tatsächlichen Urteilens, andererseits als Normalgesetz das Fundament aller logischen Regeln bilden soll. In besonders ansprechender Weise vertritt diese Auffassung F. A. Lange in den Logischen Studien, einer geistvollen Schrift, die im übrigen ein Beitrag nicht zur Förderung einer psychologisti
schen Logik im Stile Mills, sondern "zur Neubegründung der
"da sie die strenge Richtigkeit aller Erkenntnis überhaupt verbürgen", "die Grundlagen unserer intellektuellen Organisation sind", und daß also "die Gesetzmäßigkeit, die wir an ihnen bewundern, aus uns selbst stammt ... aus der unbewußten Grundlage unserer selbst"
die Langesche Stellung wieder als einen Psychologismus zu klassifizieren, nur von einem anderen Genus, unter welches auch Kants formaler Idealismus — im Sinne der vorherrschenden Interpretation desselben — und die sonstigen Spezies der Lehre von den angeborenen Erkenntnisvermögen oder "Erkenntnis
quellen" gehören.
derliche Tätigkeit im natürlichen, von keiner Regel geleiteten Denken sowohl Wahrheit als Irrtum in ewig sprudelnder Fülle hervorbringen, werden ergänzt, beschränkt und in ihrer Wirkung zu einem bestimmten Ziele geleitet durch die Tatsache, daß wir Entgegengesetztes in unserem Denken nicht vereinigen können, sobald es gleichsam zur
Deckung gebracht wird. Der menschliche Geist nimmt die größten Widersprüche in sich auf, solange er das Entgegengesetzte in verschiedene Gedankenkreise einhegen und so auseinanderhalten kann; allein wenn dieselbe Aussage sich unmittelbar mit ihrem Gegenteil auf denselben Gegenstand bezieht, so hört diese Fähigkeit der Vereinigung
auf; es entsteht völlige Unsicherheit, oder eine der beiden Behaup
stört werden, wenn man durch bloße Folgerungen zeigt, daß es widersprechend ist. Auf dem Punkte freilich, wo man die Konsequenzen des einen und des anderen Satzes unmittelbar zur Deckung bringt, bleibt die Wirkung nicht aus, allein sie schlägt nicht immer durch die ganze Reihe der Folgerungen hindurch bis in den Sitz der ursprünglichen
Widersprüche. Zweifel an der Bündigkeit der Schlußreihe, an der Identität des Gegenstandes der Folgerung schützen den Irrtum häufig; aber auch wenn er für den Augenblick zerstört wird, bildet er sich aus dem gewohnten Kreise der Vorstellungsverbindungen wieder neu und behauptet sich, wenn er nicht endlich durch wiederholte Schläge zum
Weichen gebracht wird.
Trotz dieser Zähigkeit des Irrtums muß gleichwohl das psychologische Gesetz der Unvereinbarkeit unmittelbarer Widersprüche im Denken mit der Zeit eine große Wirkung ausüben. Es ist die scharfe Schneide, mittels welcher im Fortgang der Erfahrung allmählich die
unhaltbaren Vorstellungsverbindungen vernichtet werden, während die besser haltbaren fortdauern. Es ist das vernichtende Prinzip im natürlichen Fortschritt des menschlichen Denkens, welches,
die große Masse wieder vernichtet wird, während die besseren überleben und weiter wirken.
Dieses psychologische Gesetz des Widerspruches ... ist unmittelbar durch unsere Organisation gegeben und wirkt vor aller Erfahrung als Bedingung aller Erfahrung. Seine Wirksamkeit ist eine ob
jektive, und es braucht nicht erst zum Bewußtsein gebracht zu werden, um tätig zu sein.
Sollen wir nun aber dasselbe Gesetz als Grundlage der Logik auffassen, sollen wir es als Normalgesetz alles Denkens anerkennen, wie es als Naturgesetz auch ohne unsere Anerkennung wirksam ist,
dann allerdings bedürfen wir hier so gut, wie bei allen anderen Axiomen der typischen Anschauung, um uns zu überzeugen."
"Was ist hier das Wesentliche für die Logik, wenn wir alle psychologischen Zutaten weglassen? Nichts als die Tatsache der beständigen Aufhebung des Widersprechenden. Es ist auf dem Boden der An-40 schauung im Schema ein bloßer Pleonasmus, wenn man sagt, daß der Widerspruch nicht bestehen kann; als ob hinter dem Grunde des Notwendigen noch einmal eine Notwendigkeit steckte. Die Tatsache ist, daß er nicht besteht, daß jedes Urteil, welches die Grenze des Begriffs überschreitet, sofort durch ein entgegengesetztes und fester 45 begründetes Urteil aufgehoben wird. Diese tatsächliche Aufhebung ist
hier mitsamt ihrem Grundgesetze des Widerspruchs erst ihren Ursprung nimmt."
Diese Lehren F. A. Langes haben insbesondere auf Kroman
einer Betrachtung, welche, durchaus zutreffend, der logischen Notwendigkeit "absolute Gültigkeit für jedes vernünftig denkende Wesen" beimißt, "gleichviel ob dessen sonstige Konstitution mit der unsrigen zusammenstimme oder nicht".
Was wir gegen diese Lehren einzuwenden haben, ist nach dem
Obigen klar. Wir leugnen nicht die psychologischen Tatsachen, von denen in Langes so eindringlicher Darstellung die Rede ist; aber wir vermissen alles, was es rechtfertigen könnte, hier von einem Naturgesetz zu sprechen. Vergleicht man die verschiedenen gelegentlichen Formulierungen des vermeintlichen
Gesetzes mit den Tatsachen, so erweisen sie sich als sehr nachlässige Ausdrücke derselben. Hätte Lange den Versuch einer begrifflich genauen Beschreibung und Umgrenzung der uns wohlvertrauten Erfahrungen unternommen, so hätte ihm nicht entgehen können, daß sie keineswegs als Einzelfälle eines Gesetzes
in dem exakten Sinne gelten können, der bei den logischen Prinzipien in Frage kommt. In der Tat reduziert sich, was man uns als "Naturgesetz vom Widerspruch" darbietet, auf eine rohe empirische Allgemeinheit, die als solche mit einer des Genaueren überhaupt nicht fixierbaren Unbestimmtheitssphäre behaftet ist.
Es bezieht sich überdies nur auf die normalen psychischen Individuen; denn wie sich psychisch Abnorme verhalten, darüber
Wir erheben den entschiedensten Einspruch gegen die Vermengung jener
herzuleiten, oder auch beide zu dem vermeintlich zweiseitigen Gesetz vom Widerspruch zusammenzuschweißen. Nur die Unachtsamkeit auf den schlichten Bedeutungsgehalt des logischen Gesetzes ließ es übersehen, daß dieses zur tatsächlichen Aufhe
bung des Widersprechenden im Denken weder direkt noch indirekt die mindeste Beziehung hat. Diese tatsächliche Aufhebung betrifft offenbar nur die Urteilserlebnisse eines und desselben Individuums in einem und demselben Zeitpunkt und Akt; es betrifft nicht Bejahung und Verneinung verteilt auf verschiedene Individuen oder auf verschiedene Zeiten und Akte. Für das Tat
sächliche, das hier in Frage ist, kommen dergleichen Unterscheidungen wesentlich in Betracht, das logische Gesetz wird durch sie überhaupt nicht berührt. Es spricht eben nicht von dem Kampfe kontradiktorischer Urteile, dieser zeitlichen, real so und so bestimmten Akte, sondern von der gesetzlichen Unverträglichkeit
unzeitlicher, idealer Einheiten, die wir kontradiktorische Sätze nennen. Die Wahrheit, daß ┌von┐
macht haben, um die Untriftigkeit der kritisierten Auffassung einzusehen.
Auf Seiten der hier bestrittenen Lehre vom doppelten Charakter der logischen Grundsätze finden wir schon vor Lange her
(Schlußworte des § 2).
wägung seiner bezüglichen Ausführungen rechtfertigt.
"In keinem anderen Sinne", meint dieser bedeutende Logiker, "tritt das Prinzip des Widerspruchs ... als Normalgesetz auf, als in welchem es ein Naturgesetz war und einfach die Bedeutung der Verneinung feststellte; aber während es als Naturgesetz nur sagt,
daß es unmöglich ist, mit Bewußtsein in irgendeinem Moment zu sagen, A ist b und A ist nicht b, wird es jetzt als Normalgesetz auf den gesamten Umkreis konstanter Begriffe angewendet, über welchen sich die Einheit des Bewußtseins überhaupt erstreckt; unter dieser Voraussetzung begründet es das gewöhnlich soge
nannte principium contradictionis, das jetzt aber kein Seitenstück zum Prinzip der Identität (im Sinne der Formel A ist A) bildet, sondern dieses, d.h. die absolute Konstanz der Begriffe selbst wieder als erfüllt voraussetzt."
Ebenso heißt es in paralleler Ausführung in Beziehung auf den
(als Prinzip der Übereinstimmung interpretierten) Satz der Identität: "Der Unterschied, ob das Prinzip der Übereinstimmung als Naturgesetz oder Normalgesetz betrachtet wird, liegt ... nicht in seiner eigenen Natur, sondern in den Voraussetzungen, auf die es angewendet wird; im ersten Falle wird es angewendet auf das
eben dem Bewußtsein Gegenwärtige; im zweiten auf den idealen Zustand einer durchgängigen ┌veränderlichen┐
Nun unsere Bedenken. Wie kann ein Satz, der (als Satz vom
Widerspruch) "die Bedeutung der Verneinung feststellt", den Charakter eines Naturgesetzes haben? Natürlich meint Sigwart nicht, daß der Satz in der Weise einer Nominaldefinition den Sinn des Wortes Verneinung angibt. Nur daß
Naturgesetzes ausmachen, zumal auch nicht desjenigen, das Sigwart in den anschließenden Worten so formuliert: Es sei unmöglich mit Bewußtsein in irgendeinem Moment zu sagen, A ist b und A ist nicht b. Sätze, die in Begriffen gründen (und
können nichts darüber aussagen, was wir mit Bewußtsein in irgendeinem Moment tun oder nicht tun können; sind sie, wie Sigwart an anderen Stellen lehrt, überzeitlich, so können sie keinen wesentlichen Inhalt haben, der Zeitliches, also Tatsächliches betrifft. Jedes Hineinziehen von Tatsachen in Sätze dieser
Art hebt ihren eigentlichen Sinn unvermeidlich auf. Demgemäß ist es klar, daß jenes Naturgesetz, das von Zeitlichem, und das Normalgesetz (das echte Prinzip vom Widerspruch), das von Unzeitlichem spricht, durchaus heterogen sind, und daß es sich also nicht um ein Gesetz handeln kann, das in demselben Sinne
nur in verschiedener Funktion oder Anwendungssphäre auftritt. Übrigens müßte doch, wenn die Gegenansicht richtig wäre, eine allgemeine Formel angebbar sein, welche jenes Gesetz über Tatsachen und dieses Gesetz über ideale Objekte gleichmäßig befaßte. Wer hier ein Gesetz lehrt, muß über eine
begrifflich bestimmte Fassung verfügen. Begreiflicherweise ist aber die Frage nach dieser einheitlichen Fassung eine vergebliche.
Wiederum habe ich folgendes Bedenken. Das Normalgesetz soll die absolute Konstanz der Begriffe als erfüllt voraussetzen? Dann würde das Gesetz also nur Geltung unter der Voraussetzung
haben, daß die Ausdrücke allzeit in identischer Bedeutung gebraucht werden, und wo diese Voraussetzung nicht erfüllt ist, verlöre es auch seine Geltung. Dies kann nicht die ernstliche Überzeugung des ausgezeichneten
griffe bzw. Sätze, welche als Bedeutungen unserer Ausdrücke
sche wäre, sondern die Voraussetzung möglicher Anwendung auf vorgegebene Einzelfälle. So wie es die Voraussetzung der Anwendung eines Zahlengesetzes ist, daß uns gegebenenfalls eben Zahlen vorliegen, und zwar Zahlen von solcher Bestimmtheit, wie es sie ausdrücklich bezeichnet, so ist es Voraussetzung des logi
schen Gesetzes, daß uns Sätze vorliegen, und zwar verlangt es ausdrücklich Sätze identischer Materie.
Auch die Beziehung auf ┌das von Sigwart geschilderte┐
alle Ausdrücke) in absolut identischer Bedeutung gebraucht sein, es gäbe keine fließenden Bedeutungen, keine Äquivokationen und Quaternionen. Aber in sich haben die logischen Gesetze keine wesentliche Beziehung auf dieses Ideal, das wir uns um ihretwillen vielmehr erst bilden. Der beständige Rekurs auf das Idealbewußt
sein erregt das unbehagliche Gefühl, als ob die logischen Gesetze in Strenge eigentlich nur für ┌fiktive┐
d.h. ändert sich bei Wiederkehr "desselben" Ausdrucks "der" begriffliche Gehalt der Vorstellung, so haben wir im logischen Sinne nicht mehr denselben, sondern einen zweiten Begriff, und so bei jeder weiteren Änderung einen neuen. Aber jeder einzelne für sich ist eine überempirische Einheit und fällt unter die auf
seine jeweilige Form
Bedeutungen oder Begriffen in Beziehung auf die begrifflichen Vorstellungen, deren "Inhalte" sie sind. Die Fähigkeit, ideierend im Einzelnen das Allgemeine, in der empirischen Vorstellung den Begriff ┌schauend┐
die Voraussetzung für die Möglichkeit der Erkenntnis
Evidenz der logischen Gesetze gewinnen, welche sich auf diese, bald so oder so geformten Begriffe beziehen. Zu den "Begriffen" in diesem Sinne von idealen Einheiten gehören nun auch die "Sätze", von denen das principium contradictionis spricht, und so überhaupt die Bedeutungen der Buchstabenzeichen, die in den
formelhaften Ausdrücken der logischen Sätze benutzt werden. Wo immer wir Akte begrifflichen Vorstellens vollziehen, da haben wir auch Begriffe; die Vorstellungen haben ihre "Inhalte", ihre idealen Bedeutungen, deren wir uns abstraktiv, in ideierender Abstraktion bemächtigen können; und damit haben wir auch
überall die Möglichkeit der Anwendung der logischen Gesetze gegeben. Die Geltung dieser Gesetze ist aber schlechthin unbegrenzt, sie hängt nicht davon ab, ob wir und wer immer begriffliche Vorstellungen faktisch zu vollziehen und sie mit dem Bewußtsein identischer Intention festzuhalten, bzw. zu wiederholen
vermag.
Wir haben in den Ausführungen des letzten Kapitels vorzugsweise den Satz des Widerspruchs zugrunde gelegt, weil gerade bei diesem, wie bei den Grundsätzen überhaupt, die Versuchung zur
psychologistischen Auffassung sehr groß ist. Die Gedankenmotive, die zu ihr hindrängen, haben in der Tat einen starken Anstrich von Selbstverständlichkeit. Überdies läßt man sich auf die spezielle Durchführung der empiristischen Doktrin bei den Schlußgesetzen seltener ein; vermöge ihrer Reduktibilität auf die
Grundsätze glaubt man bei ihnen jeder weiteren Bemühung enthoben zu sein. Sind diese Axiome psychologische Gesetze, und sind die syllogistischen Gesetze rein deduktive Konsequenzen der Axiome, dann müssen auch die syllogistischen Gesetze als psychologische gelten. Man sollte nun meinen, daß jeder Fehl
Schluß eine entscheidende Gegeninstanz abgeben müsse, und daß also aus dieser Deduktion vielmehr ein Argument gegen die Möglichkeit jeder psychologischen Deutung der Axiome zu entnehmen sei. Man sollte ferner meinen, daß die nötige Sorgsamkeit in der gedanklichen und sprachlichen Fixierung des prätendierten
psychologischen Gehalts der Axiome den Empiristen überzeugen müßte, daß sie in solcher Interpretation auch nicht den kleinsten Beitrag zum Beweise der Schlußformeln leisten können, und daß, wo immer solch ein Beweis statthat, die Ausgangspunkte ebenso wie die Endpunkte den Charakter von Gesetzen haben, die von
hat, nimmt an der Existenz von Fehlschlüssen so wenig Anstoß, daß er in der Möglichkeit, einen Fehlschluß nachzuweisen, sogar eine Bestätigung der psychologischen Auffassung sieht; denn dieser Nachweis bestehe nicht darin, denjenigen, der noch nicht nach dem Satze des Widerspruchs denke, eines Besseren zu be
lehren, sondern darin, den im Fehlschluß unvermerkt begangenen Widerspruch aufzuzeigen. Man möchte hier fragen, ob unbemerkte Widersprüche nicht auch Widersprüche sind, und ob das logische Prinzip nur die Unvereinbarkeit bemerkter Widersprüche aussage, während es bei unbemerkten zulasse, daß sie zusammen
wahr seien. Es ist wieder klar — man denke nur an den Unterschied der psychologischen und logischen Unvereinbarkeit — daß wir uns in der trüben Sphäre der schon besprochenen Äquivokationen herumtreiben.
Wollte man noch sagen, die Rede von "unvermerkten" Wider
sprüchen, die der Fehlschluß enthalte, sei eine uneigentliche; erst im Verlaufe des widerlegenden Gedankenganges trete der Widerspruch als Neues auf, er stelle sich als Folge der irrigen Schlußweise ein und daran knüpfte sich (immer psychologisch verstanden) die weitere Folge, daß wir uns nun auch genötigt sehen, diese
Schlußweise als irrig zu verwerfen — so wäre uns wenig gedient. Die eine Gedankenbewegung hat diesen, eine andere wieder einen anderen Erfolg. Kein psychologisches Gesetz bindet die "Widerlegung" an den Fehlschluß. Jedenfalls tritt er in unzähligen Fällen ohne sie auf und behauptet sich in der Überzeugung. Wie
kommt also gerade die eine Gedankenbewegung, die sich nur unter gewissen psychischen Umständen an den Trugschluß anknüpft, zu dem Rechte, ihm einen Widerspruch schlechthin zuzuschieben, und ihm nicht bloß die "Gültigkeit" unter diesen Umständen, sondern die objektive, absolute Gültigkeit abzu
streiten? Genau ebenso
tion als absolute Normen des richtigen und falschen Urteilens, zum Verständnis zu bringen. Wie oft ist dieser Einwand erhoben, wie oft ist bemerkt worden, daß die Identifikation von logischem und psychologischem Gesetz auch jeden Unterschied zwischen richtigem und irrigem Denken aufhöbe, da die irrigen Urteils
weisen nicht minder nach psychologischen Gesetzen erfolgen als die richtigen. Oder sollten wir, etwa auf Grund einer willkürlichen Konvention, die Ergebnisse gewisser Gesetzlichkeiten als richtig, diejenigen anderer als irrig bezeichnen? Was antwortet der Empirist auf solche Einwände? "Allerdings strebt das auf Wahrheit
gerichtete Denken darnach, widerspruchslose Gedankenverbindungen zu erzeugen; aber der Wert dieser widerspruchslosen Gedankenverbindungen liegt doch eben wieder in dem Umstande, daß tatsächlich nur das Widerspruchslose bejaht werden kann, daß also der Satz des Widerspruchs ein Naturgesetz des Denkens
ist."
dem hier die Rede ist. Oder ist es ein besseres Argument, wenn man sagt: "Wir haben keinen einzigen
zeitig zu bejahen. Man versuche es nun, unabhängig von dieser Tatsache zu beweisen, daß nur das Widerspruchslose bejaht werden darf: man wird immer wieder, um den Beweis führen zu können, das zu Beweisende voraussetzen müssen" (a.a.O., S. 69f.). Man erkennt ohne weiteres die Wirksamkeit der oben
analysierten Äquivokationen: die Einsicht in das logische Gesetz,
Überzeugung, exakte und empirische Allgemeinheit, logische Unverträglichkeit der Sachverhalte und psychologische Unverträglichkeit der Glaubensakte, also Nicht-zusammen-wahrsein-können und Nicht-zugleich-glauben-können fließen in eins zusammen.
Die Lehre, daß die Schlußformeln "empirische Gesetze des Denkens" ausdrücken, versucht Heymans durch den Vergleich mit den chemischen Formeln plausibler zu machen. "Genau so, wie in der chemischen Formel 2H2 + O2 = 2H20 nur die allgemeine Tatsache zum Ausdruck kommt, daß zwei Volumen Wasser
stoff mit einem Volumen Sauerstoff sich unter geeigneten Umständen zu zwei Volumen Wasser verbinden, — genau so sagt die logische Formel
MaX + MaY = YiX + XiY
nur aus, daß zwei allgemein bejahende Urteile mit gemeinschaft
lichem Subjektbegriff unter geeigneten Umständen im Bewußtsein zwei neue partikulär bejahende Urteile erzeugen, in denen die Prädikatbegriffe der ursprünglichen Urteile als Prädikat- und Subjektbegriff auftreten. Warum in diesem Falle
MeX + MeY nicht, davon wissen wir zurzeit noch nichts. Von der unerschütterlichen Notwendigkeit aber, welche diese Verhältnisse beherrscht, und welche, wenn die Prämissen zugegeben sind, uns zwingt, auch die Schlußfolgerung für wahr zu halten, möge man sich durch Wiederholung der ... Experimente über
zeugen."
nauigkeit und Vollständigkeit notieren.
Was uns bei dieser Auffassung überrascht, ist die Behauptung, daß bei den von Logikern ausgeschlossenen Kombinationen keine Erzeugung neuer Urteile statthabe. In Beziehung auf jeden Fehlschluß, z.B. der Form
XeM + MeY = XeY
wird man doch sagen müssen, daß allgemein zwei Urteile der Formen XeM und MeY "unter geeigneten Umständen" im Bewußtsein ein neues Urteil ergeben. Die Analogie mit den chemischen Formeln paßt hier genau so recht und schlecht wie
in den anderen Fällen. Natürlich ist darauf nicht die Entgegnung zulässig, daß die "Umstände" in dem einen und anderen Falle ungleich seien. Psychologisch sind sie alle von gleichem Interesse und die zugehörigen empirischen Sätze von gleichem Wert. Warum machen wir also diesen fundamentalen Unterschied zwischen
den beiden Klassen von
Empirist nicht geben. Unter Voraussetzung der von ihm angenommenen Interpretationen sind ja die den Fehlschlüssen entsprechenden empirischen Sätze in gleicher Weise gültig, wie die den übrigen Schlüssen entsprechenden.
Der Empirist beruft sich auf die Erfahrung der "unerschütter
lichen Notwendigkeit", welche, "wenn die Prämissen gegeben sind, uns zwingt, auch die Schlußfolgerung für wahr zu halten". Aber alle Schlüsse, ob logisch gerechtfertigt oder nicht, vollziehen sich mit psychologischer Notwendigkeit, und auch der (allerdings nur unter Umständen) fühlbare Zwang ist überall der
selbe. Wer einen begangenen Fehlschluß allen kritischen Einwänden zum Trotze immerfort aufrechthält, fühlt die "uner
Diese gefühlte Unerschütterlichkeit ist so wenig ein Zeugnis für ┌ wirkliche┐
Schlusse gehört, und die nichts anderes besagt und besagen darf, als wie die einsichtig zu erkennende (obschon nicht von jedem Urteilenden wirklich erkannte) ideal-gesetzliche Geltung des Schlusses. Die Gesetzlichkeit der Geltung als solche tritt allerdings erst hervor in der einsichtigen Erfassung des Schlußgesetzes;
im Vergleich mit ihr erscheint die Einsichtigkeit des hic et nunc vollzogenen Schlusses als Einsicht in die notwendige Geltung des Einzelfalles, d.i. in die Geltung desselben auf Grund des Gesetzes.
über, warum die in der Logik verworfenen Prämissenkombinationen "kein Ergebnis lieferten". Also von einem künftigen Fortschritt der Erkenntnis erhofft er reichere Belehrung? Man sollte denken, hier wüßten wir alles, was sich überhaupt wissen läßt; haben wir doch die Einsicht, daß jede überhaupt mögliche
(d.h. in den Rahmen der syllogistischen Kombinationen fallende) Form von Schlußsätzen in Verknüpfung mit den fraglichen Prämissenkombinationen ein falsches Schlußgesetz liefern würde; man sollte denken, daß in diesen Fällen auch für einen unendlich vollkommenen Intellekt ein Mehr an Wissen schlechterdings nicht
möglich wäre.
An diese und ähnliche Einwände würde sich noch ein andersartiger knüpfen lassen, der, obschon nicht minder kräftig, für unsere Zwecke minder wichtig erscheint. Es ist nämlich unzweifelhaft, daß die Analogie mit den chemischen Formeln nicht
eben weit reicht, ich meine nicht so weit, daß wir Anlaß fänden, neben den logischen Gesetzen die mit ihnen verwechselten psychologischen pathetisch zu nehmen. Im Falle der Chemie kennen
Psychologie hingegen bedeutet die uns erreichbare Kenntnis der Umstände so wenig, daß wir schließlich nicht weiter kommen als zu sagen: daß es eben öfter vorkommt, daß Menschen den logischen Gesetzen konform schließen, wobei gewisse exakt nicht zu umgrenzende Umstände, eine gewisse "Anspannung der Auf
merksamkeit", eine gewisse "geistige Frische", eine gewisse "Vorbildung" u. dgl. begünstigende Bedingungen für das Zustandekommen eines logischen Schlußaktes sind. Die Umstände oder Bedingungen im strengen Sinne, unter denen der schließende Urteilsakt mit ┌kausaler┐
ganz verborgen. Bei der gegebenen Sachlage ist es auch wohl begreiflich, warum es bisher keinem Psy
gesetze" zu ehren.
Nach alledem werden wir wohl auch Heymans’ interessanten (und in vielen hier nicht berührten Einzelheiten anregenden) Versuch einer "Erkenntnistheorie, die man auch Chemie der Urteile nennen könnte"
chologie des Denkens"
sten hervor, wenn wir sie in äquivalenten idealen Unverträglichkeiten aussprechen. Z.B.: Es gilt allgemein, daß nicht zwei Sätze der Formen "alle M sind X" und "kein P ist M" wahr sind, ohne daß auch ein Satz der Form "einige X sind nicht P" wahr wäre. Und so in jedem Falle. Von einem Bewußtsein, von
Urteilsakten und Umständen des Urteilens u. dgl. ist hier keine
des Schlußgesetzes selbst bedeuten oder einleiten könnte.
Der schwerste Vorwurf, den man gegen eine Theorie, und zumal gegen eine Theorie der Logik, erheben kann, besteht darin, daß sie gegen die evidenten Bedingungen der Möglichkeit einer Theorie überhaupt verstoße. Eine Theorie auf
stellen und in ihrem Inhalt, sei es ausdrücklich oder einschließlich, den Sätzen widerstreiten, welche den Sinn und Rechtsanspruch aller Theorie überhaupt begründen — das ist nicht bloß falsch, sondern von Grund aus verkehrt.
In doppelter Hinsicht kann man hier von evidenten "Bedin
gungen der Möglichkeit" jeder Theorie überhaupt sprechen. Fürs erste in subjektiver Hinsicht. Hier handelt es sich um die apriorischen Bedingungen, von denen die Möglichkeit der unmittelbaren und mittelbaren Erkenntnis
hängig ist. Die Theorie als Erkenntnisbegründung ist selbst eine Erkenntnis und hängt ihrer Möglichkeit nach von gewissen Bedingungen ab, die rein begrifflich in der Erkenntnis und ihrem Verhältnis zum erkennenden Subjekt gründen. Z.B.: Im Begriff der Erkenntnis im strengen Sinne liegt es, ein Urteil zu sein, das
nicht bloß den Anspruch erhebt, die Wahrheit zu treffen, sondern auch der Berechtigung dieses Anspruches gewiß ist und diese
sie von blinden Vorurteilen unterscheidet, und die ihm die lichtvolle Gewißheit gibt, nicht bloß für wahr zu halten, sondern die Wahrheit selbst zu ┌haben┐
Theorie gegen die subjektiven Bedingungen ihrer Möglichkeit als Theorie überhaupt, wenn sie, diesem Beispiel gemäß, jeden Vorzug des evidenten gegenüber dem blinden Urteil leugnet; sie hebt dadurch das auf, was sie selbst von einer willkürlichen, rechtlosen Behauptung unterscheidet.
Man sieht, daß unter subjektiven Bedingungen der Möglichkeit hier nicht etwa zu verstehen sind reale Bedingungen, die im einzelnen Urteilssubjekt oder in der wechselnden Spezies urteilender Wesen (z.B. der menschlichen) wurzeln, sondern ideale Bedingungen, die in der Form der Subjektivität überhaupt und in deren
Beziehung zur Erkenntnis wurzeln. Zur Unterscheidung wollen wir von ihnen als von noetischen Bedingungen sprechen.
In objektiver Hinsicht betrifft die Rede von Bedingungen der Möglichkeit jeder Theorie nicht die Theorie als subjektive Einheit von Erkenntnissen, sondern Theorie als eine objek
tive, durch Verhältnisse von Grund und Folge verknüpfte Einheit von Wahrheiten bzw. Sätzen. Die Bedingungen sind hier all die Gesetze, welche rein im Begriffe der Theorie gründen — spezieller gesprochen, die rein im Begriffe der Wahrheit, des Satzes, des Gegenstandes, der Beschaffenheit, der
Beziehung u. dgl., kurz in den Begriffen gründen, welche den Begriff der theoretischen Einheit wesentlich konstituieren. Die Leugnung dieser Gesetze ist also gleichbedeutend (äquivalent) mit der Behauptung, all die fraglichen Termini: Theorie, Wahrheit, Gegenstand, Beschaffenheit usw. entbehrten
Ihre logischen Verstöße können in den Voraussetzungen, in den Formen der theoretischen Verbindung, endlich
auch in der erwiesenen These selbst liegen. Am schroffsten ist die Verletzung der logischen Bedingungen offenbar dann, wenn es zum Sinne der theoretischen These gehört, diese Gesetze zu leugnen, von welchen die vernünftige Möglichkeit jeder These und jeder Begründung einer These überhaupt abhängig
ist. Und ähnliches gilt auch für die noetischen Bedingungen und die gegen sie verstoßenden Theorien. Wir unterscheiden also (natürlich nicht in klassifikatorischer Absicht): falsche, absurde, logisch und noetisch absurde und endlich skeptische Theorien; unter dem letzteren Titel alle Theorien befassend, deren
Thesen entweder ausdrücklich besagen oder analytisch in sich schließen, daß die logischen oder noetischen Bedingungen für die Möglichkeit einer Theorie überhaupt falsch sind.
Hiermit ist für den Terminus Skeptizismus ein scharfer Begriff und zugleich eine klare Sonderung in logischen und
noetischen Skeptizismus gewonnen. Ihm entsprechen beispielsweise die antiken Formen des Skeptizismus mit Thesen der Art wie: Es gibt keine Wahrheit, es gibt keine Erkenntnis und Erkenntnisbegründung u. dgl. Auch der Empirismus, der gemäßigte nicht minder als der extreme, ist nach unseren früheren
Ausführungen
und 26, S. 84 ff.
Gewöhnlich wird der Terminus Skeptizismus einigermaßen
vage gebraucht. Sehen wir von seinem populären Sinn ab, so
tene Wissenschaften (z.B. Metaphysik, Naturwissenschaft, Ethik
Unter diesen unechten Formen des Skeptizismus pflegt hauptsächlich die eine mit dem hier definierten, eigentlich erkenntnis
theoretischen Skeptizismus vermengt zu werden, bei welcher es sich um die Beschränkung der Erkenntnis auf psychisches Dasein und die Leugnung der Existenz oder Erkennbarkeit von "Dingen an sich" handelt. Derartige Theorien sind aber offenbar metaphysische; sie haben an sich mit dem eigentlichen Skeptizismus
nichts zu tun, ihre These ist von allem logischen und noetischen Widersinn frei, ihr Rechtsanspruch ist nur eine Frage der Argumente und Beweise. Vermengungen und echt skeptische Wendungen erwuchsen erst unter dem paralogistischen Einfluß naheliegender Äquivokationen oder anderweitig geförderter skep
tischer Grundüberzeugungen. Faßt z.B. ein metaphysischer Skeptiker seine Überzeugung in die Form: "Es gibt keine objektive Erkenntnis" (sc. keine Erkenntnis von Dingen an sich); oder: "Alle Erkenntnis ist subjektiv" (sc. alle Tatsachen-Erkenntnis ist bloße Erkenntnis von Bewußtseinstatsachen), so ist die Ver
lockung groß, der Zweideutigkeit der Ausdrucksweise SubjektivObjektiv nachzugeben und für den ursprünglichen, dem eingenommenen Standpunkte angemessenen Sinn einen noetisch-skep-tischen unterzulegen. Aus dem Satze: "Alle Erkenntnis ist subjektiv" wird nun die total neue Behauptung: "Alle Erkenntnis als
Bewußtseinserscheinung untersteht den ┌Gesetzen menschlichen Bewußtseins┐
der meta
ermangeln der "realen Bedeutung"; jedenfalls könnten wir nie und nirgends wissen, ob sie mit den etwaigen Dingen an sich harmonieren, die Annahme eines "Präformationssystems" wäre
Gesetzmäßigkeiten unserer Bewußtseinsfunktionen mit dem objektiven Sein der Dinge und ihren Gesetzen. Also wenn es Dinge an sich gibt, können wir von ihnen schlechterdings nichts wissen."
Metaphysische Fragen gehen uns hier nicht an, wir erwähnten sie nur, um gleich von vornherein der Vermengung zwischen meta
physischem und logisch-noetischem Skeptizismus zu begegnen.
Für die Zwecke einer Kritik des Psychologismus müssen wir noch den Begriff des (auch in der besprochenen metaphysischen Theorie auftretenden) Subjektivismus oder Relativismus
erörtern. Ein ursprünglicher Begriff ist umschrieben durch die Protagoreische Formel: "Aller Dinge Maß ist der Mensch", sofern wir sie in dem Sinne interpretieren: Aller Wahrheit Maß ist der individuelle Mensch. Wahr ist für einen jeden, was ihm als wahr erscheint, für den einen dieses, für den anderen das
Entgegengesetzte, falls es ihm ebenso erscheint. Wir können hier also auch die Formel wählen: Alle Wahrheit (und Erkenntnis) ist relativ — relativ zu dem zufällig urteilenden Subjekt. Nehmen wir hingegen statt des Subjektes die zufällige Spezies urteilender Wesen als den Be
erwächst eine neue Form des Relativismus. Aller menschlichen Wahrheit Maß ist also der Mensch als solcher. Jedes Urteil, das im Spezifischen des Menschen, in den es konstituierenden Gesetzen wurzelt, ist — für uns Menschen — wahr. Sofern diese Urteile zur Form der allgemein menschlichen Subjektivität (des
menschlichen "Bewußtseins überhaupt") gehören, spricht man auch hier von Subjektivismus (von dem Subjekt als letzter Erkenntnisquelle u. dgl.). Besser wählt man den Terminus Relativismus und unterscheidet den individuellen und spezifischen Relativismus; die einschränkende Beziehung auf die
menschliche Spezies bestimmt den letzteren dann als Anthropologismus. — Wir wenden uns nun zur Kritik, deren sorgsamste Ausführung durch unsere Interessen geboten ist.
Der individuelle Relativismus ist ein so offenkundiger und, fast möchte ich sagen, frecher Skeptizismus, daß er, wenn überhaupt je, so gewiß nicht in neueren Zeiten ernstlich vertreten worden
ist. Die Lehre ist, sowie aufgestellt, schon widerlegt — aber freilich nur für den, welcher die Objektivität alles Logischen einsieht. Den Subjektivisten, wie den ausdrücklichen Skeptiker überhaupt, kann man nicht überzeugen, wenn ihm nun einmal die Disposition mangelt einzusehen, daß Sätze, wie der vom Wider
spruch, im bloßen Sinn der Wahrheit gründen, und daß ihnen gemäß die Rede von einer subjektiven Wahrheit, die für den einen diese, für den andern die entgegengesetzte sei, eben als widersinnige gelten müsse. Man wird ihn auch nicht durch den gewöhnlichen Einwand überzeugen, daß er durch die Aufstellung
seiner Theorie den Anspruch erhebe, andere zu überzeugen, daß er also die Objektivität der Wahrheit voraussetze, die er in thesi leugne. Er wird natürlich antworten: Mit meiner Theorie spreche ich meinen Standpunkt aus, der für mich wahr ist und für niemand sonst wahr zu sein braucht. Selbst die Tatsache seines sub
jektiven Meinens
gewisse einsichtige und damit allgemeingültige Überzeugungen voraus. Als solche dienen uns Normaldisponierten jene trivialen Einsichten, an welchen jeder Skeptizismus scheitern muß, sofern wir durch sie erkennen, daß seine Lehren im eigentlichsten und strengsten Sinne widersinnig sind: Der Inhalt ihrer Behauptun
gen leugnet das, was überhaupt zum Sinn oder Inhalt jeder Behauptung gehört und somit von keiner Behauptung sinngemäß abtrennbar ist.
Können wir bei dem Subjektivismus zweifeln, ob er je in vollem Ernste vertreten worden sei, so neigt im Gegenteil die neuere und
neueste Philosophie dem spezifischen Relativismus und näher dem Anthropologismus in einem Maße zu, daß wir nur ausnahmsweise einem Denker begegnen, der sich von den Irrtümern dieser Lehre ganz rein zu erhalten wußte. Und doch ist auch sie eine skeptische in der oben fixierten Bedeutung des Wortes, also
mit den größtmöglichen Absurditäten behaftet, die bei einer Theorie überhaupt denkbar sind; auch bei ihr finden wir, nur wenig verhüllt, einen evidenten Widerspruch zwischen dem Sinn ihrer These und dem, was von keiner These als solcher sinngemäß abtrennbar ist. Es ist nicht schwierig, dies im einzelnen nachzu
weisen.
derselbe Urteilsinhalt (Satz) für den einen, nämlich für ein Subjekt der Spezies homo, wahr, für einen anderen, nämlich für ein Subjekt einer anders konstituierten Spezies, falsch sein kann. Aber derselbe Urteilsinhalt kann nicht beides, wahr und falsch, sein. Dies liegt in dem bloßen Sinne der Worte wahr und falsch.
Gebraucht der Relativist diese Worte mit ihrem zugehörigen Sinn, so sagt seine These, was ihrem eigenen Sinn zuwider ist. Die Ausflucht, es sei der Wortlaut des herangezogenen Satzes vom Widerspruch, durch den wir den Sinn der Worte wahr und falsch entfalteten, unvollständig, es sei in ihm eben von mensch
lich wahr und menschlich falsch die Rede, ist offenbar nichtig. Ähnlich könnte ja auch der gemeine Subjektivismus sagen, die Rede von wahr und falsch sei ungenau, gemeint sei "für das einzelne Subjekt wahr bzw. falsch". Und natürlich wird man ihm antworten: Das evident gültige Gesetz kann nicht meinen, was
offenbar widersinnig ist; und widersinnig ist in der Tat die Rede von einer Wahrheit für den oder jenen. Widersinnig ist die offengehaltene Möglichkeit, daß derselbe Urteilsinhalt (wir sagen
das ist — so wie es hier gemeint ist — eine widersinnige Rede. Man kann sie allerdings auch in gutem Sinne gebrauchen; aber dann meint sie etwas total Verschiedenes, nämlich den Umkreis von Wahrheiten, die dem Menschen als solchem zugänglich, erkennbar sind. Was wahr ist, ist absolut, ist "an sich" wahr; die
Wahrheit ist identisch eine, ob sie Menschen oder Unmenschen, Engel oder Götter urteilend erfassen. Von der Wahrheit in dieser idealen Einheit
verwirrt sind.
2. Mit Rücksicht darauf, daß, was die Grundsätze vom Widerspruch und vom ausgeschlossenen Dritten besagen, zum bloßen Sinn der Worte wahr und falsch gehört, ließe sich der Einwand auch so fassen: Sagt der Relativist, es könnte auch Wesen geben,
welche an diese Grundsätze nicht gebunden sind (und diese Behauptung ist, wie leicht zu sehen, mit der oben formulierten relativistischen äquivalent), so meint er entweder, es könnten in den Urteilen dieser Wesen Sätze und Wahrheiten auftreten, welche den Grundsätzen nicht gemäß sind; oder er meint, der
Verlauf des Urteilens sei bei ihnen durch diese Grundsätze nicht psychologisch geregelt. Was das letztere anbelangt, so finden wir darin gar nichts Absonderliches, denn wir selbst sind solche Wesen. (Man erinnere sich an unsere Einwände gegen die psychologistischen Interpretationen der logischen Gesetze.) Was aber
das erstere anbelangt, so würden wir einfach erwidern: Entweder es verstehen jene Wesen die Worte wahr und falsch in unserem Sinn; dann ist keine vernünftige Rede davon, daß die Grundsätze nicht gelten: sie gehören ja zu dem bloßen Sinn dieser Worte, und zwar wie wir ┌sie┐
nichts wahr oder falsch nennen, was ihnen widerstritte. Oder sie gebrauchen die Worte wahr und falsch in einem anderen
Relativismus darauf hinaus, daß er den Sinn des Wortes Wahrheit total ändert, aber doch Anspruch erhebt, von Wahrheit in dem Sinne zu sprechen, der durch die logischen Grundsätze festgelegt ist, und den wir alle, wo von Wahrheit die Rede ist, ausschließlich meinen.
in äquivokem Sinne aber natürlich so viel "Wahrheiten", als man Äquivokationen zu schaffen liebt.
3. Die Konstitution der Spezies ist eine Tatsache; aus Tatsachen lassen sich immer wieder nur Tatsachen ableiten. Die Wahrheit relativistisch auf die Konstitution der Spezies gründen, das heißt
also ihr den Charakter der Tatsache geben. Dies ist aber widersinnig. Jede Tatsache ist individuell, also zeitlich bestimmt. Bei der Wahrheit gibt die Rede von zeitlicher Bestimmtheit nur Sinn mit Beziehung auf eine durch sie gesetzte Tatsache (falls sie eben Tatsachenwahrheit ist), nicht aber mit Beziehung auf ┌sie┐
selbst. Wahrheiten als Ursachen oder Wirkungen zu denken, ist absurd. Wir haben davon schon gesprochen. Wollte man sich darauf stützen, daß doch wie jedes Urteil auch das wahre aus der Konstitution des urteilenden Wesens auf Grund der zugehörigen Naturgesetze erwachse, so würden wir entgegnen: Man vermenge
nicht das Urteil als Urteilsinhalt, d.i. als die ideale Einheit, mit dem einzelnen realen Urteilsakt. Die erstere ist gemeint, wo wir von dem Urteil "2x2 ist 4" sprechen, welches dasselbe ist, wer immer es fällt. Man vermenge auch nicht das wahre Urteil, als den richtigen, wahrheitsgemäßen Urteilsakt, mit der Wahr
heit dieses Urteils oder mit dem wahren Urteilsinhalt. Mein Urteilen, daß 2 x 2 = 4 ist, ist sicherlich kausal bestimmt, nicht aber die Wahrheit: 2 X 2 = 4.
4. Hat (im Sinne des Anthropologismus) alle Wahrheit ihre ausschließliche Quelle in der allgemein menschlichen Konstitu
tion, so gilt, daß wenn keine solche Konstitution bestände, auch keine Wahrheit bestände. Die Thesis dieser hypothetischen Behauptung ist widersinnig; denn der Satz "es besteht keine Wahr
sie aber wohl falsch, niemals aber wider
hypothetische Behauptung, da sie an eine dem Sinne nach einstimmige ("logisch mögliche") Voraussetzung eine widersinnige ("logisch unmögliche") Folge knüpft. Derselbe Vorwurf trifft dann den Anthropologismus und überträgt sich natürlich mutatis mutandis auf die allgemeinere Form des Relativismus.
5. Nach dem Relativismus könnte sich auf Grund der Konstitution einer Spezies die für sie gültige "Wahrheit" ergeben, daß solch eine Konstitution gar nicht existiere. Sollen wir also sagen, sie existiere in Wirklichkeit nicht, oder sie existiere, aber nur für uns Menschen? Wenn nun alle Menschen und alle Spezies urtei
lender Wesen bis auf die eben vorausgesetzte vergingen? Wir bewegen uns offenbar in Widersinnigkeiten. Der Gedanke, daß die Nichtexistenz einer spezifischen Konstitution ihren Grund habe in dieser selben Konstitution, ist der klare Widerspruch; die wahrheitgründende, also existierende Konstitution soll neben
anderen Wahrheiten die ihrer eigenen Nichtexistenz begründen. — Die Absurdität ist nicht viel kleiner, wenn wir Existenz mit Nichtexistenz vertauschen und dementsprechend an Stelle jener fingierten, aber vom relativistischen Standpunkte aus möglichen Spezies, die menschliche zugrunde legen. Zwar jener Widerspruch,
nicht aber der übrige mit ihm verwobene Widersinn verschwindet. Die Relativität der Wahrheit besagt, daß, was wir Wahrheit nennen, abhängig sei von der Konstitution der Spezies homo und den sie regierenden Gesetzen. Die Abhängigkeit will und kann nur als kausale verstanden sein. Also müßte die Wahrheit, daß diese
Konstitution und diese Gesetze bestehen, ihre reale Erklärung daraus schöpfen, daß sie bestehen, wobei die Prinzipien, nach denen die Erklärung verliefe, mit eben diesen Gesetzen identisch
6. Die Relativität der Wahrheit zieht die Relativität der Welt
existenz nach sich. Denn die Welt ist nichts anderes als die gesamte gegenständliche Einheit, welche dem idealen System aller Tatsachenwahrheit entspricht und von ihm ┌untrennbar┐
(an sich) seiend gelten lassen. Es gäbe also keine Welt an sich, sondern nur eine Welt für uns oder für irgendeine andere ┌zufällige┐
wußtseinsinhalte gehören. Auch das "Ich bin" und "Ich erlebe dies und jenes" wäre eventuell falsch; gesetzt nämlich, daß ich so konstituiert wäre, diese Sätze auf Grund meiner spezifischen Konstitution verneinen zu müssen. Und es gäbe nicht bloß für diesen oder jenen, sondern schlechthin keine Welt, wenn keine
┌in der Welt faktische┐
allgemein angenommenen Lehren, die animalischen Spezies Entwicklungsprodukte der Welt sein sollen. So treiben wir ein artiges Spiel: Aus der Welt entwickelt sich der Mensch, aus dem Menschen die Welt; Gott schafft den Menschen, und der Mensch schafft Gott.
Der wesentliche Kern dieses Einwandes besteht darin, daß der Relativismus auch in evidentem Widerstreit ist mit der Evidenz des unmittelbar anschaulichen Daseins, d.i. mit der Evidenz der "inneren Wahrnehmung" in dem berechtigten, dann aber auch nicht entbehrlichen Sinne. Die Evidenz der auf Anschauung beruhenden Urteile wird mit Recht bestritten, sofern sie intentional
kein unmittelbares Anschauungsurteil aufhebbare Vagheit der Zeitbestimmung und evtl, auch Ortsbestimmung).
Die beiden Formen des Relativismus sind Spezialitäten des
Relativismus in einem gewissen weitesten Sinn des Wortes, als einer Lehre, welche die rein logischen Prinzipien irgendwie aus Tatsachen ableitet. Tatsachen sind "zufällig", sie könnten ebensogut auch nicht sein, sie könnten anders sein. Also andere Tatsachen, andere logische Gesetze; auch diese wären also zufällig,
sie wären nur relativ zu den sie begründenden Tatsachen. Demgegenüber will ich nicht bloß auf die apodiktische Evidenz der logischen Gesetze hinweisen, und was wir sonst in den früheren Kapiteln geltend gemacht haben, sondern auch auf einen anderen, hier bedeutsameren Punkt.
Bisherigen entnimmt, unter rein logischen Gesetzen alle die Idealgesetze, welche rein im Sinne (im "Wesen", "Inhalt") der Begriffe Wahrheit, Satz, Gegenstand, Beschaffenheit, Beziehung, Verknüpfung, Gesetz, Tatsache usw. gründen. Allgemeiner gesprochen, sie gründen rein im Sinne der Begriffe, welche zum Erbgut
aller Wissenschaft gehören, weil sie die Kategorien von Bausteinen darstellen, aus welchen die Wissenschaft als solche, ihrem Begriffe nach, konstituiert ist. Gesetze dieser Art darf keine theoretische Behauptung, keine Begründung und Theorie verletzen; nicht bloß weil sie sonst falsch wäre — dies wäre sie auch durch
Widerstreit gegen eine beliebige Wahrheit — sondern weil sie in sich widersinnig wäre. Z.B. eine Behauptung, deren In
inhaltlich gegen die Prinzipien streitet, die im Sinne der Be
besonderer Inhalt (Sinn, Bedeutung) widerspricht dem, was die ihm zugehörigen Bedeutungskategorien allgemein fordern, was in ihrer allgemeinen Bedeutung allgemein gegründet ist. Es ist nun klar, daß in diesem prägnanten Sinne jede Theorie logisch widersinnig ist, welche die logischen Prinzipien aus irgendwelchen
Tatsachen ableitet. Dergleichen streitet mit dem allgemeinen Sinn der Begriffe "logisches Prinzip" und "Tatsache"; oder um genauer und allgemeiner zu sprechen: der Begriffe "Wahrheit, die in dem bloßen Inhalt von Begriffen gründet" und "Wahrheit über individuelles Dasein". Man sieht auch leicht, daß die Ein
wände gegen die oben diskutierten relativistischen Theorien der Hauptsache nach auch den Relativismus im allgemeinsten Sinne beträfen.
Den Relativismus haben wir bekämpft, den Psychologismus haben wir natürlich gemeint. In der Tat ist der Psychologismus in allen seinen Abarten und individuellen Ausgestaltungen nichts anderes als Relativismus, nur nicht immer erkannter und ausdrücklich zugestandener. Es ist dabei ganz gleich, ob er sich auf
"Transzendentalpsychologie" stützt und als formaler Idealismus die Objektivität der Erkenntnis zu retten glaubt, oder ob er sich auf empirische Psychologie stützt und den Relativismus als unvermeidliches Fatum auf sich nimmt.
Art der Empiristen als empirisch-psychologische Gesetze faßt oder sie nach Art der Aprioristen mehr oder minder mythisch zurückführt auf gewisse "ursprüngliche Formen" oder "Funktionsweisen" des (menschlichen) Verstandes, auf das "Bewußtsein überhaupt" als (menschliche) "Gattungsvernunft", auf die
"psychophysische Konstitution" des Menschen, auf den "intellec-tus ipse", der als angeborene (allgemein menschliche) Anlage dem faktischen Denken und aller Erfahrung vorhergeht, u. dgl. — ist
wußtsein, in jenem natürlichen Sinne nehmen, der ┌ihnen┐
flechten. Jedenfalls dürfen wir die aprioristischen Theorien, soweit sie relativistischen Motiven Raum gönnen, auch dem Relativismus zurechnen. Allerdings, wenn ein Teil der kantianisieren-den Forscher einige logische Grundsätze als Prinzipien "analytischer Urteile" aus dem Spiel läßt, so beschränkt sich auch ihr
Relativismus (sc. auf das Gebiet der mathematischen und Naturerkenntnis); aber den skeptischen Absurditäten entgehen sie dadurch nicht. Bleiben sie doch in dem engeren Kreise dabei, die Wahrheit aus dem allgemeinen Menschlichen, also das Ideale aus dem Realen, spezieller: die Notwendigkeit der Gesetze aus der
Zufälligkeit von Tatsachen herzuleiten.
Doch hier interessiert uns noch mehr die extremere und konsequentere Form des Psychologismus, die von solcher Einschränkung nichts weiß. Ihr gehören die Hauptvertreter der englischen empiristischen, sowie der neueren deutschen Logik an, also For
scher wie Mill, Bain, Wundt, Sigwart, Erdmann
vor allem nicht Sigwarts bedeutendes Werk, das wie kein zweites die logische Bewegung der letzten Jahrzehnte in die Bahn des Psychologismus gelenkt hat.
Vereinzelte Ausführungen von psychologistischem Klang und
Charakter finden wir als vorübergehende Mißverständnisse auch
auffassung. Ausdrücklich leugnet er gleich eingangs seines Werkes, "daß die Normen der Logik (die Normen, also nicht bloß die technischen Regeln der Methodenlehre, sondern auch die rein logischen Sätze, der Satz des Widerspruches, des Grundes usw.) erkannt werden können anders, als auf Grundlage des Studiums
der natürlichen Kräfte und Funktionsformen, welche durch jene Normen geregelt werden sollen."
den ab, so hat der analytische Teil "das Wesen der Funktion zu erforschen, für welche die Regeln gesucht werden sollen". Auf ihn baut sich der gesetzgebende Teil, der die "Bedingungen und Gesetze ihres normalen Vollzuges"
sei", ergibt, "an die nach allen ihren Bedingungen und Faktoren erkannte
daß der Urteilsakt selbst auf notwendige Weise aus seinen Voraussetzungen hervorgehe. Damit fällt in diesen Teil die Lehre von den Begriffen und Schlüssen als Inbegriff normativer Gesetze für die Bildung vollkommener Urteile."
f.
(soweit sie überhaupt in den Gesichtskreis der traditionellen, wie der Sigwartschen Logik fallen), und darnach haben sie für Sigwart in der Tat eine psychologische Fundierung.
Hiermit stimmt auch die Einzelausführung. Nirgends werden die rein logischen Sätze und Theorien und die objektiven Elemen
te, aus denen sie sich konstituieren, aus dem Flusse erkenntnis-
ideale Gesetzmäßigkeit zu charakterisieren. Reine Grundsätze, wie der vom Widerspruch, vom Grunde, werden wiederholt als "Funktionsgesetze" oder als "fundamentale Bewegungsformen unseres Denkens"
Seiende hinausgreifenden Bewegung des Denkens wurzelt, welche auch das Unvereinbare aneinander mißt, so gewiß kann Aristoteles mit seinem Prinzip nur die Natur unseres Denkens treffen wollen."
dictio in adjecto verneinen", ruht, so finden wir an einer anderen Stelle, "auf dem unmittelbaren Bewußtsein, daß
lichen und spezieller rein logischen Sätze.
dem Bewußtsein der Notwendigkeit produzieren, und daß, sobald wir etwas als seiend setzen, wir eben damit behaupten, daß alle anderen, wenn auch nur hypothetisch angenommenen, denkenden Wesen von derselben Natur wie wir es mit derselben Notwendigkeit produzieren müßten."
Dieselbe anthropologistische Tendenz zieht sich durch alle Ausführungen, welche sich auf die logischen Grundbegriffe und
umdeutet. Nach Sigwart wäre es also auch eine Fiktion, von Wahrheiten zu sprechen, die an sich gelten und doch von niemand erkannt sind, z.B. von solchen, welche die menschliche Erkenntnisfähigkeit überschreiten. Zum mindesten der Atheist dürfte so nicht sprechen, der an übermenschliche Intelligenzen nicht glaubt,
und wir selbst erst nach dem Beweise für die Existenz solcher Intelligenzen. Das Urteil, das
Intention seiner Behauptung.
Ein näheres Eingehen auf die mannigfachen Ausführungen Sigwarts über den Begriff der Wahrheit würde größere Umständlichkeit erfordern, die wir uns hier versagen müssen. Es würde jedenfalls bestätigen, daß wir die oben zitierte Stelle in der
Tat beim Wort nehmen dürfen. Für Sigwart löst sich die Wahrheit in Bewußtseinserlebnisse auf, und somit ist trotz aller Rede von einer objektiven Wahrheit die echte Objektivität derselben, die in ihrer überempirischen Idealität ruht, aufgegeben. Die Erlebnisse sind reale Einzelheiten, zeitlich bestimmt, werdend
und vergehend. Die Wahrheit aber ist "ewig" oder besser: sie ist eine Idee, und als solche überzeitlich. Es hat keinen Sinn, ihr eine Stelle in der Zeit oder eine, sei es auch durch alle Zeiten sich hindurcherstreckende Dauer anzuweisen. Allerdings sagt man auch von der Wahrheit, daß sie uns gelegentlich "zum Bewußtsein
komme" und so von uns "erfaßt", "erlebt" werde. Aber von Erfassen, Erleben und Bewußtwerden ist hier, in Beziehung auf dieses ideelle Sein, in ganz anderem Sinne die Rede, als in Beziehung auf das empirische, d.i. das individuell vereinzelte Sein. Die Wahrheit "erfassen" wir nicht wie einen empirischen Inhalt,
der im Flusse psychischer Erlebnisse auftaucht und wieder verschwindet; sie ist nicht Phänomen unter Phänomenen, sondern sie ist Erlebnis in jenem total geänderten Sinn, in dem ein Allge
Ein Rotes haben wir vor Augen. Aber das Rote ist nicht die
Spezies Rot. Das Konkretum hat die Spezies auch nicht als ("psychologischen", "metaphysischen") Teil in sich. Der Teil, dies unselbständige Rotmoment, ist wie das konkrete
identisch. Die Röte aber ist eine ideale Einheit, bei der die Rede von Entstehen und Vergehen widersinnig ist. Jener Teil ist nicht Röte, sondern ein Einzelfall von Röte. Und wie die Gegenstände verschieden sind, die allgemeinen verschieden von den einzelnen, so auch die Akte der Erfassung. Es ist etwas total Verschiedenes,
im Hinblick auf das anschauliche Konkretum die empfundene Röte, diesen hier und jetzt seienden Einzelzug zu meinen
meinen, so gewinnen wir im Hinblick auf mehrere Akte solcher Ideation die evidente Erkenntnis von der Identität dieser idealen, in den einzelnen Akten gemeinten Einheiten. Und es ist Identität im echten und strengsten Sinne: es ist dieselbe Spezies, oder es sind Spezies derselben Gattung u. dgl.
So ist nun auch die Wahrheit eine Idee, wir erleben sie wie jede andere Idee in einem Akte auf Anschauung gegründeter Ideation (es ist dies hier natürlich der Akt der Einsicht) und gewinnen auch von ihrer identischen Einheit gegenüber einer verstreuten Mannigfaltigkeit von konkreten Einzelfällen (d.i. hier von evidenten
Urteilsakten) in der Vergleichung Evidenz. Und wie das Sein oder Gelten von Allgemeinheiten auch sonst den Wert von idealen Möglichkeiten besitzt — nämlich in Hinsicht auf das mögliche Sein von empirischen Einzelheiten, die unter jene Allgemeinheiten fallen — so sehen wir dasselbe auch hier: die Aussagen "die
Wahrheit gilt" und "es sind denkende Wesen möglich, welche Urteile des bezüglichen Bedeutungsgehaltes einsehen", sind von gleichem Werte. Gibt es keine intelligenten Wesen, sind sie durch
Bewußtwerden der Wahrheit (bzw. gewisser Wahrheitsklassen) ist dann nie und nirgend realisiert. Aber jede Wahrheit an sich bleibt, was sie ist, sie behält ihr ideales Sein. Sie ist nicht "irgendwo im Leeren", sondern ist eine Geltungseinheit im unzeitlichen Reiche der Ideen. Sie gehört zum Bereich des absolut Geltenden,
in den wir zunächst all das einordnen, von dessen Geltung wir Einsicht haben oder zum mindesten begründete Vermutung, und zu dem wir weiterhin auch den für unser Vorstellen vagen Kreis des indirekt und unbestimmt als geltend Vermuteten rechnen, also dessen, was gilt, während wir es noch nicht erkannt haben
und vielleicht niemals erkennen werden.
In diesen Beziehungen dringt Sigwart, wie mir scheinen will, zu einer klaren Position nicht durch. Die Objektivität der Wahrheit möchte er retten und sie in dem subjektivistischen Phänomenalismus nicht untersinken lassen. Fragen wir aber nach dem
Wege, auf dem Sigwarts psychologische Erkenntnistheorie zur Objektivität der Wahrheit glaubt durchdringen zu können, so stoßen wir auf Äußerungen wie die folgende: "Die Gewißheit, daß es bei einem Urteile bleibt, daß die Synthese unwiderruflich ist, daß ich immer dasselbe sagen werde
nur dann vorhanden sein, wenn erkannt ist, daß die Gewißheit nicht auf momentanen und mit der Zeit wechselnden psychologischen Motiven ruht, sondern auf etwas, was jedesmal, wenn ich denke, unabänderlich dasselbe und von allem Wechsel unberührt ist; und dies ist einerseits mein Selbst
bewußtsein selbst, die Gewißheit Ich bin und denke, die Gewißheit Ich bin Ich, derselbe, der jetzt denkt und früher gedacht hat, der dieses
Ein konsequent relativistischer Psychologismus wird hier natürlich antworten: Nicht bloß das von Individuum zu Indivi
duum Wechselnde, sondern auch das in allen Konstante, also der überall gleichbleibende Inhalt und die ihn beherrschenden konstanten Funktionsgesetze sind psychologische Tatsachen. Gibt es solche allen Menschen wesentlich gemeinsamen Züge und Gesetze, so machen sie das Spezifische der menschlichen Natur aus.
Demnach hat alle Wahrheit als Allgemeingültigkeit Beziehung zur menschlichen Spezies, oder allgemeiner, zur jeweiligen Spezies denkender Wesen. Andere Spezies — andere Denkgesetze, andere Wahrheiten.
┌Wir┐
heit nach Inhalt und konstanten Funktionsgesetzen (als Naturgesetzen für die Erzeugung des allgemeingleichen Inhalts) macht keine echte Allgemeingültigkeit, die vielmehr in der Idealität ruht. Sind alle Wesen einer Gattung ihrer Konstitution nach zu gleichen Urteilen genötigt, so stimmen sie miteinander empirisch
überein; aber im idealen Sinne der über alles Empirische erhabenen Logik können sie dabei doch statt einstimmig vielmehr widersinnig urteilen. Die Wahrheit durch Beziehung auf die Gemeinsamkeit der Natur bestimmen, heißt ihren Begriff aufgeben. Hätte die Wahrheit eine wesentliche Beziehung zu denkenden
Intelligenzen, ihren geistigen Funktionen und Bewegungsformen, so entstände und verginge sie mit ihnen, und wenn nicht mit den Einzelnen, so mit den Spezies. Wie die echte Objektivität der Wahrheit wäre auch die des Seins dahin, selbst die des subjektiven Seins, bzw. des Seins der Subjekte. Wie wenn z.B. die denkenden
Wesen insgesamt unfähig wären, ihr eigenes Sein als wahrhaft seiend
tivierung der Wahrheit doch wieder ein objektives Sein als Beziehungspunkt voraus — darin liegt ja der relativistische Widerspruch.
In Harmonie mit Sigwarts sonstigem Psychologismus finden wir seine Lehre vom Allgemeinen, die hierher gehört, da die Idealität der Wahrheit durchaus die Idealität des Allgemeinen, des Begrifflichen voraussetzt. Gelegentlich lesen wir die scherz
hafte Äußerung, "das Allgemeine ┌als solches [existiere] nur┐
als einem subjektiven Akt von dem und dem psychologischen Gehalt. Aber das "Was" dieses Vorstellens, der Begriff, kann in keinem Sinne als reelles Stück des psychologischen Gehalts gefaßt werden, als ein Hier und Jetzt mit dem Akte kommend und verschwindend. Es kann im Denken gemeint, aber nicht im
Denken erzeugt sein.
Dieselbe Relativierung wie bei dem Wahrheitsbegriff vollzieht Sigwart konsequenterweise auch bei den mit jenem so nahe zusammenhängenden Begriffen Grund und Notwendigkeit. "Ein logischer Grund, den wir nicht kennen, ist strenge genom
men, ein Widerspruch, denn er wird erst ein logischer Grund dadurch, daß wir ihn kennen."
daß sie gilt, ob überhaupt jemand ist, gewesen ist und sein wird, der sie erkennt? Die gewöhnliche
So sehr sich Sigwart bemüht, die wesentlich unterschiedenen
Begriffe des Grundes zu sondern, und so viel Scharfsinn er darin bekundet (wie wir dies bei einem so bedeutenden Forscher nicht anders erwarten können), die psychologistische Richtung seines
heit" gegenüberstellt, so findet er ihn doch nur in einer gewissen Allgemeingleichheit des Vorgestellten, "weil nur dieses, nicht die individuelle Stimmung usw. ein für alle Gemeinsames sein kann"; wogegen wir unsere obigen Bedenken nicht zu wiederholen brauchen.
Die fundamentale Sonderung zwischen Grund der Wahrheit, der das rein Logische, und Grund des Urteils, der das normativ Logische angeht, müssen wir bei Sigwart vermissen. Auf der einen Seite hat eine Wahrheit (nicht das Urteil, sondern die ideale Geltungseinheit) einen Grund, das heißt hier, in äquivalenter Redeweise,
es gibt einen theoretischen Beweis, der sie auf ihre (objektiven, theoretischen) Gründe zurückführt. Einzig und allein auf diesen Sinn bezieht sich der Satz vom Grunde. Und für diesen Begriff des Grundes gilt es durchaus nicht, daß jedes Urteil einen Grund habe, geschweige denn, daß jedes einen solchen "implicite mitbehaupte". Jedes letzte
Begründungsprinzip, also jedes echte Axiom, ist in diesem Sinne grundlos, wie in entgegengesetzter Richtung auch jedes Tatsachenurteil. Nur die Wahrscheinlichkeit einer Tatsache kann begründet sein, nicht sie selbst bzw. das Tatsachenurteil. Auf der anderen Seite meint der Ausdruck "Grund des Urteils" — wofern wir absehen von den
psychologischen "Gründen", d. i. Ursachen der Urteilsfällung und speziell auch von den inhaltlichen Motiven derselben
heißt: an jedes ist die Forderung zu stellen, daß es als wahr behaupte, was wahr sei; und als Techniker der Erkenntnis, als Logiker im gewöhnlichen Sinne, müssen wir an das Urteil auch mit Beziehung auf die weitergehende Erkenntnisbewegung mancherlei Forderungen stellen. Sind sie nicht erfüllt, so tadeln wir das Urteil als logisch unvoll
kommen, als "unbegründet"; letzteres allerdings mit einer gewissen Überspannung des gemeinen Wortsinns.
Ähnliche Bedenken erregen uns Sigwarts Ausführungen über Notwendigkeit. Wir lesen: "Aller logischen Notwendigkeit [muß] doch zuletzt ein seiendes denkendes Subjekt, dessen Natur es
ist, so zu denken, vorausgesetzt werden, solange wir verständlich
wendigkeit, es auszusprechen, mitbehauptet werde".
vortritt, wenn wir, von ihm noch durchdrungen, sein Gegenteil zu vollziehen suchen), wird nicht klar unterschieden von den ganz anderen Notwendigkeitsbegriffen, zumal von der apodiktischen Notwendigkeit, als dem eigenartigen Bewußtsein, in dem sich das einsichtige Erfassen eines Gesetzes oder eines Gesetzmäßigen
konstituiert. Dieser letztere (eigentlich zwiefache) Begriff von Notwendigkeit fehlt bei Sigwart im Grunde genommen ganz. Zugleich übersieht er die fundamentale Äquivokation, welche es gestattet, nicht bloß das apodiktische Notwendigkeitsbewußtsein, sondern sein objektives Korre
Gesetz, bzw. das Gelten gemäß dem Gesetze, von dem wir in jenem Bewußtsein Einsicht haben — als notwendig zu bezeichnen. So erst gewinnen ja die Ausdrücke "es ist eine Notwendigkeit" und "es ist ein Gesetz" ihre objektive Gleichwertigkeit, und desgleichen die Ausdrücke "es ist notwendig", daß SP sei, und
"es ist nach Gesetzen begründet", daß SP sei.
Und natürlich ist es dieser letzte rein objektive und ideale Begriff, der allen apodiktischen Urteilen im objektiven Sinne der reinen Logik zugrunde liegt; er allein beherrscht und konstituiert alle theoretische Einheit, er bestimmt die Bedeutung des hypo
thetischen Zusammenhanges als einer objektiv-idealen Wahrheitsform von Sätzen, er bindet den Schlußsatz als "notwendige" (ideal-gesetzliche) Folge an die Prämissen.
Wie wenig Sigwart diesen Unterschieden gerecht wird, wie sehr er im Psychologismus befangen ist, das zeigen zumal seine
Auseinandersetzungen über Leibnizens fundamentale Scheidung in "vérités de raison et celles de fait". Die "Notwendigkeit"
schehen ist, und daß die entgegengesetzte Behauptung für den möglich wäre, der das Faktum kennt";
werden kann, um ein notwendiges Urteil zu erzeugen". Und so glaubt er schließen zu dürfen, daß sich die Leibniz’sche Unterscheidung "hinsichtlich des Charakters der Notwendigkeit auflöse".
Was hier ┌zu Anfang┐
Für mich zu behaupten notwendig ist jedes Urteil, während ich es fälle, und sein Gegenteil, während ich seiner noch gewiß bin, zu leugnen, ist mir unmöglich. Aber ist es diese psychologische Not
Wieder ist es sicher, daß kein Gesetz erkannt werden kann, ohne das Haben der allgemeinen Begriffe, aus denen es sich aufbaut. Gewiß ist dieses Haben, wie die ganze Gesetzeserkenntnis, etwas Faktisches. Aber hat denn Leibniz das Erkennen des Gesetzes und nicht vielmehr die erkannte Gesetzeswahrheit als notwendig
bezeichnet? Verträgt sich mit der Notwendigkeit der vérité de raison nicht sehr wohl die Kontingenz des Urteilsaktes, indem sie evtl. zu einsichtiger Erkenntnis kommen mag? Nur durch Vermengung der beiden wesentlich verschiedenen Begriffe von Notwendigkeit, der subjektiven des Psychologismus und der ob
jektiven des Leibnizschen Idealismus, kommt in Sigwarts Argumentation der Schluß zustande, daß sich jene Unterscheidung Leibnizens "hinsichtlich des Charakters der Notwendigkeit auflöse". Dem fundamentalen objektiv-idealen Unterschied zwischen Gesetz und Tatsache entspricht unweigerlich ein subjekti
ver in der Weise des Erlebens. Hätten wir nie das Bewußtsein der
liche) Allgemeinheit von universeller (tatsächlicher, zufälliger) Allgemeinheit; notwendige (d.h. wiederum gesetzliche, generelle) Folge von tatsächlicher (zufälliger, universeller) Folge; all das, wofern es wahr ist, daß Begriffe, die nicht als Komplexionen bekannter Begriffe (und zwar als Komplexionen bekannter Kom
plexionsformen) gegeben sind, uns ursprünglich nur erwachsen sein können ┌auf Grund der Anschauung┐
uns┐
Eine ausdrückliche Erörterung der relativistischen Konsequenzen, die in seiner ganzen Behandlung der logischen Funda
Logik den psychologischen Motiven einen womöglich noch freieren Spielraum gewährt als diejenige Sigwarts und ausgedehnte erkenntnistheoretische Kapitel enthält, so werden in ihr die letzten prinzipiellen Zweifel kaum berührt. Ähnliches gilt von Lipps, dessen Logik den Psychologismus übrigens so originell
und konsequent vertritt, so sehr allen Kompromissen abhold, so tief bis in alle Verzweigungen der Disziplin durchgeführt, wie wir es seit Beneke kaum wieder finden.
Ganz anders liegt die Sache bei Erdmann. In lehrreicher Folgerichtigkeit tritt er in einer längeren Ausführung für den Relativismus entschieden ein, und durch Hinweis auf die Möglichkeit der Änderung der Denkgesetze glaubt er der "Ver
messenheit" begegnen zu müssen, "die da meint, an diesem Punkte die Grenzen unseres Denkens überspringen, einen Standort für uns außerhalb unserer selbst gewinnen zu können".
Erdmann beginnt mit der Widerlegung des gegnerischen
Standpunktes. "Mit überwiegender Majorität", so lesen wir,
"Der entscheidende Beweisgrund dafür wird in der Denkun
möglichkeit der widersprechenden Urteile gesucht. Indessen folgt aus ihr allein doch nur, daß jene Grundsätze das Wesen unseres Vorstellens und Denkens wiedergeben. Denn lassen sie dieses erkennen, so können ihre kontradiktorischen Urteile nicht vollziehbar sein, weil sie eben die Bedingungen aufzuheben suchen,
an die wir in allem unserem Vorstellen und Denken, also auch in unserem Urteilen gebunden sind."
Denkens wiedergeben; denn wenn sie es tun, so ergibt sich jene Unvollziehbarkeit als notwendige Folge. Dies kann nicht als Schluß gemeint sein. Daß A aus B folgt, kann ich nicht daraus erschließen, daß B aus A folgt. Die Meinung ist offenbar nur die, daß die Unmöglichkeit, die logischen Grundsätze zu leugnen, ihre
Erklärung darin finde, daß diese Grundsätze "das Wesen unseres Vorstellens und Denkens wiedergeben". Mit dem Letzteren wiederum ist gesagt, daß sie Gesetze sind, welche feststellen, was dem allgemein menschlichen Vorstellen und Denken als solchem zukommt, "daß sie Bedingungen angeben, an die wir in allem
unserem Vorstellen und Denken gebunden sind". Und darum,
Aber weder kann ich diesem Schluß beistimmen, noch den Behauptungen, aus denen er sich zusammensetzt. Es erscheint
mir als sehr wohl möglich, daß gerade vermöge der Gesetze, denen alles Denken eines Wesens (z.B. eines Menschen) untersteht, in individuo Urteile zutage treten, welche die Geltung dieser Gesetze leugnen. Die Leugnung dieser Gesetze widerspricht ihrer Behauptung; aber die Leugnung als realer Akt kann sehr
wohl verträglich sein mit der objektiven Geltung der Gesetze bzw. mit der realen Wirksamkeit der Bedingungen, über welche das Gesetz eine allgemeine Aussage macht. Handelt es sich beim Widerspruch um ein ideales Verhältnis von Urteilsinhalten, so handelt es sich hier um ein reales Verhältnis zwischen dem Urteils
akt und seinen gesetzlichen Bedingungen. Angenommen, es wären die Gesetze der Ideenassoziation Grundgesetze des menschlichen Vorstellens und Urteilens, wie die Assoziationspsychologie in der Tat lehrte, wäre es dann eine als absurd zu verwerfende Unmöglichkeit, daß ein Urteil, das diese Gesetze leugnete, sein Dasein
gerade der Wirksamkeit dieser Gesetze verdankte? (Vgl. oben S. 671).
Erdmann spricht, sind entweder nicht diejenigen, von welchen ich und alle Welt spricht, und dann trifft er gar nicht meine These; oder er legt ihnen einen Charakter bei, der ihrem klaren Sinn durchaus widerstreitet. Und abermals wird er einwenden: Die Denkunmöglichkeit für die Negationen dieser Gesetze,
welche sich aus ihnen als Folge ergeben soll, ist entweder dieselbe, die ich und alle Welt darunter verstehen, dann spricht sie für meine Auffassung; oder sie ist eine andere, dann bin ich abermals nicht getroffen.
Was das Erste anlangt, so drücken die logischen Grundsätze
nichts weiter aus, als gewisse Wahrheiten, die im bloßen Sinn (Inhalt) gewisser Begriffe, wie Wahrheit, Falschheit, Urteil (Satz) u. dgl. gründen. Nach Erdmann sind sie aber "Denkgesetze", welche das Wesen unseres menschlichen Denkens ausdrücken; sie nennen die Bedingungen, an welche alles mensch
rein begrifflichen Sätzen. Kein Satz, der in bloßen Begriffen
von Urteilen die Rede ist, meinen sie nicht das, was die psychologischen Gesetze mit diesem Worte treffen wollen, nämlich Urteile als reale Erlebnisse, sondern sie meinen Urteile in dem Sinne von Aussagebedeutungen in specie, die identisch sind, was sie sind, ob sie wirklichen Akten des Aussagens zugrunde liegen
oder nicht, und wieder ob sie von dem oder jenem ausgesagt werden. Sowie man die logischen Prinzipien
Man sieht, wie gefährlich es ist, die logischen Grundgesetze als Denkgesetze zu bezeichnen. Sie sind es, wie wir im nächsten Kapitel noch genauer darlegen werden, nur in dem Sinne von Gesetzen, die bei der Normierung des Denkens eine Rolle zu spielen berufen sind; eine Ausdrucksweise, die schon andeutet,
daß es sich dabei um eine praktische Funktion handelt, eine Nutzungsweise, und nicht um etwas in ihrem Inhalt selbst Liegendes. Daß sie nun das "Wesen des Denkens" ausdrücken, dies könnte im Hinblick auf ihre normative Funktion einen wohlberechtigten Sinn noch gewinnen, wenn die Voraussetzung erfüllt
wäre, daß in ihnen die notwendigen und hinreichenden Kriterien gegeben sind, nach welchen die Richtigkeit jedes Urteils zu bemessen wäre. Man könnte dann allenfalls sagen, daß sie das ideale Wesen alles Denkens, im outrierten Sinne des richtigen Urteilens, ausprägten. So hätte es der alte Rationalismus gerne
gefaßt, der sich aber nicht klar machen konnte, daß die logischen Grundsätze nichts weiter sind als triviale Allgemeinheiten, gegen die eine Behauptung bloß darum nicht streiten darf, weil sie sonst
Denkens" zu sprechen und es durch jene Gesetze
ein höchst verwerfliches, weil beirrendes Spiel mit dem Worte Wahrheit.
Doch gehen wir nun zum zweiten Punkte über. Die Unmöglichkeit der Leugnung der Denkgesetze faßt Erdmann als Unvollziehbarkeit solcher Leugnung. Diese beiden Be
griffe halten wir logischen Absolutisten für so wenig identisch, daß wir die Unvollziehbarkeit überhaupt leugnen und die Unmöglichkeit aufrecht halten. Nicht die Leugnung als Akt ist unmöglich (und das hieße, als zu einem Realen gehörig, so viel wie real-unmöglich), sondern der ihren Inhalt bildende negative
Satz ist unmöglich, und zwar ist er als idealer in idealem Sinne unmöglich; darin liegt aber: er ist widersinnig und somit evident falsch. Diese ideale Unmöglichkeit des negativen Satzes streitet gar nicht mit der realen ┌Möglichkeit┐
drücke, man sage, der Satz sei widersinnig, ┌der Urteilsakt┐
Im faktischen Denken des normalen Menschen tritt nun
geleugnet haben. Vielleicht sind Genie und Wahnsinn einander auch in dieser Hinsicht verwandt, vielleicht gibt es auch unter den Irrsinnigen Leugner der Denkgesetze; als Menschen wird man doch auch sie müssen gelten lassen. Man erwäge auch: Im selben Sinne denkunmöglich wie die Negation der primitiven
Grundsätze ist diejenige aller ihrer notwendigen Konsequenzen. Aber daß man sich in Beziehung auf verwickelte syllogistische oder arithmetische Lehrsätze täuschen kann, ist allbekannt, und so dient auch dies als unanfechtbares Argument.
logische Unmöglichkeit, als Widersinnigkeit des idealen Urteilsinhalts, und die psychologische Unmöglichkeit, als Unvollziehbarkeit des korrespondierenden Urteilsaktes, wären heterogene Begriffe auch dann, wenn die letztere mit der ersteren allgemeinmenschlich gegeben, also die Fürwahrhaltung von Widersinnig
keiten naturgesetzlich ausgeschlossen wäre.
Es ist nun diese echte logische Unmöglichkeit des Widerspruches gegen die Denkgesetze, welche der logische Absolutist als Argument für die "Ewigkeit" dieser Gesetze verwendet. Was meint hier die Rede von der Ewigkeit? Doch nur den Umstand,
daß jedes Urteil, unabhängig von Zeit und Umständen, von Individuen und Spezies, durch die rein logischen Gesetze "gebunden" ist; und dies Letztere natürlich nicht im psychologischen Sinne eines Denkzwanges, sondern in dem idealen Sinne der Norm: wer eben anders urteilte, urteilte unbedingt falsch, zu
welcher Spezies psychischer Wesen er sich nun rechnen ┌möge┐
Hinsicht als Ausnahmen zu behandeln. Der Beweis des logischen
mögliche Urteilsinhalt im idealen Sinne) widersinnig, wenn er die Grundgesetze entweder unmittelbar negiert oder gegen sie mittelbar verstößt. Das Letztere besagt ja nur, daß ein rein deduktiver Zusammenhang an die Wahrheit solcher Urteilsinhalte als Hypothesis die Unwahrheit jener Grundsätze als Thesis anknüpft. Sind
darnach Urteilsinhalte dieser Art wider
Ich betonte soeben jedes Urteil, um aufmerksam zu machen, daß der Sinn dieser strengen Allgemeinheit jede Einschränkung, also auch die auf menschliche oder andersartige Gattungen urteilender Wesen eo ipso ausschließt. Ich kann niemanden zwingen, einzusehen, was ich einsehe. Aber ich selbst kann nicht zweifeln,
ich sehe ja abermals ein, daß jeder Zweifel hier, wo ich Einsicht habe, d.i. die Wahrheit selbst erfasse, verkehrt wäre; und so finde ich mich überhaupt an dem Punkte, den ich entweder als den archimedischen gelten lasse, um von hier aus die Welt der Unvernunft und des Zweifels aus den Angeln zu heben, oder den ich
preisgebe, um damit alle Vernunft und Erkenntnis preiszugeben. Ich sehe ein, daß sich dies so verhält, und daß ich im letzteren Falle — wenn von Vernunft oder Unvernunft dann noch zu reden wäre — alles vernünftige Wahrheitsstreben, alles Behaupten und Begründen einstellen müßte.
Mit all dem finde ich mich nun freilich in Widerstreit mit dem ausgezeichneten Forscher. Er fährt nämlich fort.
"Unbedingt wäre die so begründete Notwendigkeit der formalen Grundsätze ... nur dann, wenn unsere Erkenntnis derselben verbürgte, daß das Wesen des Denkens, das wir in uns finden und
durch sie ausdrücken, ein unveränderliches, oder gar das einzig mögliche Wesen des Denkens wäre, daß jene Bedingungen unseres Denkens zugleich die Bedingungen jedes möglichen
beschreiben scheinen, haben keinen von uns vollziehbaren Sinn, der dem Anspruch genügte, den dieser Schein erwecken soll. Denn jeder Versuch, das,
Würden wir so verfängliche Reden, wie die vom "Wesen unseres Denkens" in rein logischen Zusammenhängen überhaupt gelten lassen, würden wir sie also nach Maßgabe unserer Analysen durch die Summe der Idealgesetze fassen, welche die formale Einstimmigkeit des Denkens umgrenzen, dann würden wir natürlich
auch den Anspruch erheben, das strenge erwiesen zu haben, was Erdmann für unerweisbar hält; daß das Wesen des Denkens ein unveränderliches, ja gar das einzig mögliche wäre usw. Aber freilich ist es klar, daß Erdmann, während er dies leugnet, jenen allein berechtigten Sinn der fraglichen Redeweise nicht innehält,
es ist klar, daß er (die weiter unten folgenden Zitate lassen es noch schroffer hervortreten) die Denkgesetze als Ausdrücke des realen Wesens unseres Denkens, somit als Realgesetze faßt, als ob wir mit ihnen eine unmittelbare Einsicht in die allgemein menschliche Konstitution nach ihrer Erkenntnisseite gewönnen. Leider ist dies
gar nicht der Fall. Wie sollten auch Sätze, die nicht im entferntesten von Realem sprechen, die nur klar legen, was mit gewissen Wortbedeutungen oder Aussagebedeutungen sehr allgemeiner Art unabtrennbar gesetzt ist, so gewichtige Erkenntnisse realer Art, über das "Wesen geistiger Vorgänge, kurz unserer Seele"
(wie wir weiter unten lesen) gewähren?
Andererseits, hätten wir durch solche oder andere Gesetze Einsicht in das reale Wesen des Denkens, dann kämen wir doch zu ganz anderen Konsequenzen wie der verdiente Forscher. "Wir wissen nur von unserem Denken." Genauer gesprochen wissen
wir nicht nur von unserem individuell-eigenen Denken, sondern, als wissenschaftliche Psychologen, auch ein klein wenig vom allgemein-menschlichen, und noch viel weniger vom tierischen. Jedenfalls ist aber ein in diesem realen Sinne andersartiges Denken und sind ihm zugeordnete Spezies denkender Wesen für uns
Natürlichkeit. Wir glauben sie ihm — mindestens ästhetisch. Freilich, ob sie auch naturgesetzlich möglich sind, wer wollte dies entscheiden. Aber hätten wir die letzte Einsicht in die Komplexionsformen organischer Elemente, welche die lebendige Einheit des Organismus gesetzlich ausmachen, hätten wir die Gesetze,
welche den Strom solchen Werdens in dem typisch geformten Bette erhalten, so könnten wir den wirklichen Spezies mannigfaltige objektiv mögliche in wissenschaftlich exakten Begriffen anreihen, wir könnten diese Möglichkeiten so ernsthaft diskutieren, wie der theoretische Physiker seine fingierten Spezies von
Gravitationen. Jedenfalls ist die logische Möglichkeit solcher Fiktionen auf naturwissenschaftlichem wie auf psychologischem Gebiet unanfechtbar. Erst wenn wir die μετάβασις εἰς ἄλλο γένος vollziehen, die Region der psychologischen Denkgesetze mit der der rein logischen verwechseln, und nun die letzteren selbst in psy
chologistischem Sinne mißdeuten, gewinnt die Behauptung, andersartige Denkweisen vorzustellen seien wir außerstande, die Worte, die sie zu beschreiben scheinen, hätten für uns keinen vollziehbaren Sinn, einen Anschein von Berechtigung. Mag sein, daß wir uns von solchen Denkweisen "keine rechte Vorstellung" zu
machen vermögen, mag sein, daß sie auch in absolutem Sinn für uns unvollziehbar sind; aber diese Unvollziehbarkeit wäre in keinem Falle die Unmöglichkeit im Sinne der Absurdität, des Widersinns.
Vielleicht ist folgende Überlegung zur Klärung nicht unnütz.
Theoreme aus der Lehre von den Abelschen Transzendenten haben für ein Wickelkind, und sie haben ebenso für den Laien (das mathematische Kind, wie die Mathematiker scherzhaft zu sagen pflegen) keinen "vollziehbaren Sinn". Das liegt an den individuellen Bedingungen ihres Vorstellens und Denkens. Genau
so wie wir Reifen zum Kinde, wie der
seiner Konstitution eines Jahrtausends bedürfte, während er doch im günstigen Falle ein Jahrhundert kaum erreichen wird. Aber diese absolute, durch die ┌natürlichen┐
Sätze zumuten. Im einen Falle handelt es sich um Sätze, die wir schlechterdings nicht verstehen können; dabei sind sie an sich betrachtet einstimmig und sogar gültig. Im anderen Falle hingegen verstehen wir die Sätze sehr wohl; aber sie sind widersinnig, und darum "können wir an sie nicht glauben", d.h. wir sehen ein, daß
sie als widersinnige verwerflich sind.
Betrachten wir nun auch die extremen Konsequenzen, welche Erdmann aus seinen Prämissen zieht. Gestützt auf das "leere Postulat eines anschauenden Denkens", müssen wir nach ihm "die Möglichkeit zugeben, daß ein Denken, welches von dem
unsrigen wesensverschieden ist, stattfinde", und er zieht daraus den Schluß, daß somit "die logischen Grundsätze auch nur für den Bereich dieses unseres Denkens gelten, ohne daß wir eine Bürgschaft dafür hätten, daß dieses Denken sich seiner Beschaffenheit nach nicht ändern könnte. Denn es bleibt demnach mög
lich, daß eine solche Änderung eintrete, sei es, daß sie alle, sei es, daß sie nur einige dieser Grundsätze träfe, da sie nicht alle aus einem analytisch ableitbar sind. Es ist belanglos, daß diese Möglichkeit in den Aussagen unseres Selbstbewußtseins über unser Denken keine Stütze
besteht trotz alledem. Denn wir können unser Denken nur hinnehmen, wie es ist. Wir sind nicht in der Lage, seine zukünftige Beschaffenheit durch die gegenwärtige in Fesseln zu schlagen. Wir sind insbesondere unvermögend, das Wesen unserer geistigen Vorgänge, kurz unserer Seele so zu fassen, daß wir aus ihr die Unver
änderlichkeit des uns gegebenen Denkens deduzieren könnten."
Und so können wir nach Erdmann "nicht umhin, einzugestehen, daß alle jene Sätze, deren widersprechende Gedanken von uns unvollziehbar sind, nur unter der Voraussetzung der Beschaffenheit unseres Denkens notwendig sind, die wir als diese
bestimmte erleben, nicht aber absolut, unter jeder möglichen Bedingung. Unseren logischen Grundsätzen also bleibt auch hiernach ihre Denknotwendigkeit; nur daß sie nicht als absolute, sondern als hypothetische [in unserer Redeweise: relative] angesehen wird. Wir können nicht anders, als ihnen zustimmen
— nach der Natur unseres Vorstellens und Denkens. Sie gelten allgemein, vorausgesetzt daß unser Denken dasselbe bleibt. Sie sind notwendig, weil wir nur unter ihrer Voraussetzung denken können, solange sie das Wesen unseres Denkens ausdrücken."
Nach den bisherigen Ausführungen brauche ich nicht zu
daß meines Erachtens diese Konsequenzen zu Recht nicht bestehen können. Gewiß gilt die Möglichkeit, daß ein von dem unsrigen wesensverschiedenes Seelenleben stattfinde. Gewiß können wir unser Denken nur hinnehmen, wie es ist, gewiß wäre jeder Versuch töricht, aus "dem Wesen unserer geistigen Vorgänge,
kurz unserer Seele", ihre Unveränderlichkeit deduzieren zu wollen. Aber daraus folgt mitnichten jene toto coelo verschiedene Möglichkeit, daß Veränderungen unserer spezifischen Konstitution, sei es alle oder einige Grundsätze träfen, und daß somit die Denknotwendigkeit dieser Sätze eine bloß hypothetische sei. Viel
mehr ist all das widersinnig, widersinnig in dem prägnanten Sinne, in dem wir das Wort (natürlich ohne jede Färbung, als rein wissenschaftlichen Terminus) hier allzeit gebraucht haben. Es ist der Unsegen unserer vieldeutigen logischen Terminologie, daß dergleichen Lehren noch auftreten und selbst ernste Forscher
täuschen können. Wären die primitiven begrifflichen Unterscheidungen der Elementarlogik vollzogen und auf Grund derselben die Terminologie geklärt, würden wir uns nicht mit so elenden
keiten, darunter die des Relativismus, in Logik und Erkenntnislehre theoretisch vertreten werden und in der Tat einen Schein für sich haben, der selbst bedeutende Denker blendet?
Die ┌Rede von der┐
welche für verschiedene Spezies psychischer Wesen mannigfach differieren, ja in einer und derselben von Zeit zu Zeit wechseln, das gibt einen guten Sinn. Denn unter psychologischen "Gesetzen" pflegen wir "empirische Gesetze" zu verstehen, ungefähre Allgemeinheiten der Koexistenz und Sukzession, auf Tatsächlichkeiten
bezüglich, die in einem Falle so, im anderen anders sein können. Auch die Möglichkeit von variablen Denk┌ ┐gesetzen
derlich sein. Offenbar trifft dies die Regeln der praktischen Logik als Methodenlehre, so wie es auch die methodischen Vorschriften der Einzelwissenschaften trifft. Die mathematisierenden Engel mögen andere Rechenmethoden haben als wir — aber auch andere Grundsätze und Lehrsätze? Diese Frage führt uns denn auch
weiter: Widersinnig wird die Rede von variablen Denkgesetzen erst dann, wenn wir darunter die rein-logischen Gesetze verstehen (an welche wir auch die reinen Gesetze der Anzahlenlehre, der Ordinalzahlenlehre, der reinen Mengenlehre usw. an-gliedern dürfen). Der vage Ausdruck "normative Gesetze des
Denkens", mit dem man auch sie bezeichnet, verführt allgemein dazu, sie mit jenen psychologisch fundierten Denkregeln zusammenzuwerfen. Sie aber sind rein theoretische Wahrheiten idealer Art, rein in ihrem Bedeutungsgehalt wurzelnd und nie über ihn hinausgehend. Sie können also durch keine wirkliche oder
fiktive Änderung in der Welt des matter of fact berührt werden.
Im Grunde hätten wir hier eigentlich einen dreifachen Gegensatz zu berücksichtigen: nicht bloß den zwischen praktischer
ohne Ausnahme"). Hätten wir Einsicht in die exakten Gesetze des psychischen Geschehens, dann wären auch sie ewig und unwandelbar, sie wären es, wie die Grundgesetze der theoretischen Naturwissenschaften, sie würden also gelten, auch wenn es kein psychisches Geschehen gäbe. Würden alle gravitierenden Massen
vernichtet, so wäre damit nicht das Gravitationsgesetz aufgehoben, es bliebe nur ohne Möglichkeit faktischer Anwendung. Es sagt ja nichts über die Existenz gravitierender
tuierung exakter Naturgesetze eine idealisierende Fiktion zugrunde, von der wir hier absehen, uns an die bloße Intention dieser Gesetze haltend.) Sowie man also nur zugesteht, daß die logischen Gesetze exakte sind und
den Kollokationen des tatsächlichen Seins und die dadurch gesetzten Umbildungen der naturhistorischen und geistigen Spezies ausgeschlossen, somit ihre "ewige" Geltung verbürgt.
Von psychologistischer Seite könnte jemand unserer Position entgegenhalten, daß wie alle Wahrheit, so auch die der logischen
Gesetze in der Erkenntnis liegt, und daß die Erkenntnis als psychisches Erlebnis selbstredend psychologischen Gesetzen untersteht. Aber ohne hier die Frage erschöpfend zu erörtern, in welchem Sinne die Wahrheit in der Erkenntnis liegt, weise ich doch darauf hin, daß keine Änderung psychologischer Tatsächlich
keiten aus der Erkenntnis einen Irrtum, aus dem Irrtum eine Erkenntnis machen kann. Entstehen und Vergehen der Erkenntnisse als Phänomene hängt natürlich an psychologischen Bedingungen, so wie das Entstehen und Vergehen anderer psychischer Phänomene, z.B. der sinnlichen. Aber wie kein psychisches Ge
schehen es je erreichen kann, daß das Rot, das ich eben anschaue,
Änderung die individuelle Einzelheit angeht, aber für das Begriffliche ohne Sinn ist: so gilt das Entsprechende auch für die "Inhalte" der Erkenntnisakte. Zum Begriff der Erkenntnis gehört, daß sein Inhalt den Charakter der Wahrheit habe. Dieser
sondern dem identischen Inhalte desselben, dem Idealen oder Allgemeinen, das wir alle im Auge haben, wenn wir sagen: ich erkenne, daß a + b = b + a ist, und unzählige andere erkennen dasselbe. Natürlich kann es sein, daß sich aus Erkenntnissen Irrtümer entwickeln, z.B. im Trugschluß; darum ist nicht die
Erkenntnis als solche zum Irrtum geworden, es hat sich nur kausal das eine an das andere angereiht. Es kann auch sein, daß sich in einer Spezies urteilsfähiger Wesen überhaupt keine Erkenntnisse entwickeln, daß alles, was sie für wahr halten, falsch, und alles, was sie für falsch halten, wahr ist. In sich blieben Wahrheit
und Falschheit aber ungeändert; sie sind wesentlich Beschaffenheiten der bezüglichen Urteilsinhalte, nicht solche der Urteilsakte; sie kommen jenen zu, ob sie auch von niemandem anerkannt werden: ganz so, wie Farben, Töne, Dreiecke usw. die wesentlichen Beschaffenheiten, die ihnen als Farben, Tönen, Dreiecken
usw. zukommen, allzeit haben, ob jemand in aller Welt es jemals erkennen mag oder nicht.
Die Möglichkeit also, die Erdmann zu begründen versucht hat, nämlich, daß andere Wesen ganz andere Grundsätze haben könnten, darf nicht zugestanden werden. Eine widersinnige Mög
lichkeit ist eben eine Unmöglichkeit. Man versuche nur einmal auszudenken, was in seiner Lehre liegt. Da gäbe es vielleicht Wesen eigener Art, sozusagen logische Übermenschen, für welche unsere Grundsätze nicht gelten, vielmehr ganz andere Grundsätze, derart, daß jede Wahrheit für uns zur Falsch
heit wird für sie. Ihnen gilt es recht, daß sie die psychischen Phänomene, die sie jeweils erleben — nicht erleben. Daß wir und daß sie existieren, mag für uns wahr sein, für sie ist es falsch usw. Freilich würden wir logischen Alltagsmenschen urteilen: solche Wesen sind von Sinnen, sie reden von der Wahrheit und
und Irrtum, Existenz und Nichtexistenz verlieren in ihrem Denken jede Auszeichnung voreinander. Nur merken sie ihre Widersinnigkeiten nicht, während wir sie merken, ja mit lichtvollster Einsicht als solche erkennen. — Wer dergleichen Möglichkeiten zugesteht, ist vom extremsten Skeptizismus nur durch
Nuancen geschieden; die Subjektivität der Wahrheit ist, statt auf die einzelne Person, auf die Spezies bezogen. Er ist spezifischer Relativist in dem von uns oben definierten Sinne und unterliegt den erörterten Einwänden, die wir hier nicht wiederholen. Im übrigen sehe ich es nicht ein, warum wir bei den Grenzscheiden
fingierter Rassenunterschiede Halt machen sollen. Warum nicht die wirklichen Rassenunterschiede, die Unterschiede zwischen Vernunft und Wahnsinn und endlich die individuellen Unterschiede als gleichberechtigt anerkennen?
Vielleicht wendet ein Relativist gegen unsere Berufung auf die
Evidenz bzw. auf den evidenten Widersinn der uns zugemuteten Möglichkeit den oben mitzitierten Satz ein, es sei "belanglos, daß diese Möglichkeit in den Aussagen des Selbstbewußtseins keine Stütze findet", es sei ja selbstverständlich, daß wir nicht unseren Denkformen zuwider denken können. In
dessen, unter Absehen von dieser psychologistischen Interpretation der Denkformen, die wir schon widerlegt haben, weisen wir darauf hin, daß solche Auskunft den absoluten Skeptizismus bedeutet. Dürften wir der Evidenz nicht mehr vertrauen, wie könnten wir überhaupt noch Behauptungen aufstellen und vernünftig
vertreten? Etwa mit Rücksicht darauf, daß andere Menschen ebenso konstituiert sind wie wir, also vermöge gleicher Denkgesetze auch zu ähnlicher Beurteilung geneigt sein möchten? Aber wie können wir dies wissen, wenn wir überhaupt nichts wissen können? Ohne Einsicht kein Wissen.
Es ist doch recht sonderbar, daß man so zweifelhaften Behauptungen, wie es die über das Allgemeinmenschliche sind, Vertrauen schenken will, nicht aber jenen puren Trivialitäten,
Der Relativist kann auch nicht dadurch eine, wenn auch nur vorläufig gebesserte Position zu erringen hoffen, daß er sagt: Du
behandelst mich als extremen Relativisten, ich aber bin es nur hinsichtlich der logischen Grundsätze; alle anderen Wahrheiten mögen unangefochten bleiben. So entgeht er den allgemeinen Einwänden gegen den spezifischen Relativismus jedenfalls nicht. Wer die logischen Grundwahrheiten relativiert, relativiert auch
alle Wahrheit überhaupt. Es genügt, auf den Inhalt des Satzes vom Widerspruch hinzublicken und die naheliegenden Konsequenzen zu ziehen.
Solchen Halbheiten bleibt Erdmann selbst durchaus ferne: den relativistischen Wahrheitsbegriff, den seine Lehre
fordert, hat er seiner Logik in der Tat zugrunde gelegt. Die Definition lautet: "Die Wahrheit eines Urteils besteht darin, daß die logische Immanenz seines Gegenstandes subjektiv, spezieller, objektiv gewiß, und der prädikative Ausdruck dieser Immanenz denknotwendig ist."
chologischen. Denn Gegenstand ist für Erdmann das Vorgestellte, und dieses wiederum wird ausdrücklich identifiziert mit Vorstellung. Ebenso ist die "objektive oder Allgemeingewißheit" nur scheinbar ein Objektives, denn sie "gründet sich auf die allgemeine Übereinstimmung der Urteilenden".
druck "objektive Wahrheit" vermissen wir bei Erdmann nicht, aber er identifiziert sie mit "Allgemeingültigkeit", d.i. Gültigkeit für alle. Diese aber zerfällt ihm in Gewißheit für alle, und wenn ich recht verstehe, auch in Denknotwendigkeit für alle. Eben dies meint auch die obige Definition. Bedenklich möchte man werden,
wie wir in einem einzigen Falle zur berechtigten Behauptung der objektiven Wahrheit in diesem
Gewiß sind, wie er sagt, die Urteile, in denen wir die Überein
und das heißt wohl, ihrer Wahrheit inne würden. Man möchte auch fragen, wie wir auch nur zur subjektiven Gewißheit von der Übereinstimmung aller kommen sollten, und endlich, um von dieser Schwierigkeit abzusehen, ob es denn überhaupt zu rechtfertigen ist, die Forderung der Allgemeingewißheit zu stellen, als
ob die Wahrheit bei allen und nicht vielmehr bei einigen Auserwählten zu finden ┌wäre┐
Bisher haben wir den Psychologismus vorzugsweise aus seinen Konsequenzen bekämpft. Wir wenden uns nun gegen seine Argu
mente selbst, indem wir die vermeintlichen Selbstverständlichkeiten, auf die er sich stützt, als täuschende Vorurteile nachzuweisen suchen.
Ein erstes Vorurteil lautet: "Vorschriften zur Regelung von 1o Psychischem sind selbstverständlich psychologisch fundiert. Demgemäß ist es auch einleuchtend, daß die normativen Gesetze der Erkenntnis in der Psychologie der Erkenntnis gründen müssen."
Zunächst tut es not, einer schiefen Auffassung beider Parteien ein Ende zu machen. Wir weisen nämlich darauf hin, daß die logischen Gesetze, an und für sich betrachtet, keineswegs normative Sätze sind in dem Sinne von Vorschriften, d.i. Sätzen, zu deren Inhalt es gehört, auszusagen, wie geurteilt werden solle. Man
muß durchaus unterscheiden: Gesetze, welche zur Normierung der Erkenntnistätigkeiten dienen, und Regeln, welche den Gedanken dieser Normierung selbst enthalten und sie als allgemein verpflichtend aussagen.
Betrachten wir ein Beispiel, etwa das bekannte Prinzip der
Syllogistik, welches von alters her in die Worte gefaßt wird: Das Merkmal des Merkmals ist auch Merkmal der Sache selbst. Die Kürze dieser Fassung wäre empfehlenswert, wenn sie nicht einen sichtlich falschen Satz als Ausdruck des intendierten Gedankens
stimmter Gegenstand S das Merkmal A, so hat er auch das Merkmal B." Daß nun dieser Satz den geringsten normativen Gedanken enthalte, müssen wir entschieden bestreiten. Wir können ihn freilich zur Normierung verwenden, aber darum ist er nicht selbst eine Norm. Wir können auf ihn auch eine ausdrückliche
┌Vorschrift┐
Und dasselbe gilt offenbar von allen syllogistischen Gesetzen, wie von ┌allen┐
bzw. 21). — Auch in einigen anderen, nicht minder wesentlichen Punkten berühren sich meine Prolegomena mit diesem Werke des scharfsinnigen Forschers, welches mir für die Bildung und Darstellung meiner Gedanken leider nicht mehr hilfreich sein konnte. Dagegen konnten auf mich zwei ältere Schriften Natorps, der oben zitierte Aufsatz aus den Phil. Monatsh., XXIII, und die Einleitung in die Psychologie anregend wirken — wie sehr sie mich auch in anderen Punkten zu Widerspruch reizten.
zu trennen pflegt.
besagt z.B., daß das Produkt aus der Summe und Differenz zweier beliebiger Zahlen gleich ist der Differenz ihrer Quadrate. Hier ist keine Rede von unserem Urteilen und der Art, wie es
verlaufen soll, wir haben ein theoretisches Gesetz und nicht eine praktische Regel vor uns. Betrachten wir hingegen den korrespondierenden Satz: "Um das Produkt aus Summe und Differenz zweier Zahlen zu bestimmen, bilde man die Differenz
nicht ein theoretisches Gesetz ausgesprochen. Auch hier wandelt sich allererst durch die Einführung des normativen Gedankens das Gesetz in die Regel, die seine selbstverständliche apodiktische Folge, jedoch nach dem Gedankengehalt von ihm verschieden ist.
Wir können noch weiter gehen. Es ist ja klar, daß in gleicher
Weise jede allgemeine Wahrheit, welchem theoretischen Gebiete sie angehören mag, zur Begründung einer allgemeinen Norm richtigen Urteilens dienen kann. Die logischen Gesetze zeichnen sich in dieser Hinsicht in keiner Weise aus. Ihrer eigenen Natur nach sind sie nicht normative, sondern theoretische Wahrheiten
und können als solche, so gut wie Wahrheiten irgendwelcher anderer Disziplinen, zur Normierung des Urteilens dienen.
Andererseits ist freilich auch dies unverkennbar: Die allgemeine Überzeugung, welche in den logischen Sätzen Normen des Denkens sieht, kann nicht ganz haltlos, die Selbstverständlich
keit, mit der sie uns sofort einleuchtet, nicht reiner Trug sein. Ein gewisser innerer Vorzug in Sachen der Denkregelung muß diese Sätze vor anderen auszeichnen. Aber muß die Idee der Regelung (des Sollens) darum im Inhalt der logischen Sätze selbst liegen? Kann sie nicht in diesem Inhalt mit einsichtiger Notwendigkeit
gründen? Mit anderen Worten: Können nicht die logischen und rein mathematischen Gesetze einen ausgezeichneten Bedeutungsgehalt haben, der ihnen einen natürlichen Beruf zur Denkregelung verleiht?
Wir sehen aus dieser einfachen Betrachtung, wie in der Tat auf
beiden Seiten hier Unrecht verteilt ist.
Die Antipsychologisten irrten darin, daß sie Regelung der Erkenntnis sozusagen als die Essenz der logischen Gesetze hinstellten. Darum kam der rein theoretische Charakter der formalen
natürlichen Beruf zur Normierung der Erkenntnis, um des-sentwillen sie notwendig den Kern jeder praktischen Logik bilden müssen. Aber man übersah den Unterschied zwischen dem eigenen Gehalt der Sätze und ihrer Funktion, ihrer praktischen Verwendung. Man übersah, daß die sog. logischen Grundsätze in sich
selbst nicht Normen sind, sondern eben nur als Normen dienen. Mit Rücksicht auf die Normierung hatte man sich daran gewöhnt, von Denkgesetzen zu sprechen, und so schien es, als ob auch diese Gesetze einen psychologischen Gehalt ┌hätten┐
Gesetzen nur darin ┌läge┐
Auf der anderen Seite irrten die Psychologisten mit ihrem vermeintlichen Axiom, dessen Ungültigkeit wir nun mit wenigen Worten aufweisen können: Zeigt es sich als eine pure Selbstver
ständlichkeit, daß jede allgemeine Wahrheit, ob sie nun psychologischer Art ist oder nicht, eine Regel des richtigen Urteilens begründet, so ist hiermit nicht nur die sinnvolle Möglichkeit, sondern sogar die Existenz von Urteilsregeln, die nicht in der Psychologie gründen, gesichert.
Nun sind freilich nicht alle derartigen Urteilsregeln, obgleich sie die Richtigkeit des Urteilens normieren, darum schon logische Regeln; aber es ist einzusehen, daß von den im eigentlichen Sinne logischen Regeln, welche die ureigene Domäne einer Kunstlehre des wissenschaftlichen Denkens ausmachen, nur die eine
Gruppe psychologische Begründung zuläßt und dann auch fordert: nämlich die der menschlichen Natur speziell angepaßten technischen Vorschriften zur Erzeugung wissenschaftlicher Erkenntnis und zur Kritik solcher Erkenntniserzeugungen. Die andere Gruppe hingegen, und die ungleich wichtigere, besteht
Seite (als methodologische Einheit der spezifisch-menschlichen Erkenntnisgewinnung) als von ihrer objektiven Seite (als Idee der theoretischen Einheit der Wahrheit) betrachten und demnach die methodologischen Aufgaben der Logik einseitig betonen, übersehen sie den fundamentalen Unterschied zwischen den
rein logischen Normen und den technischen Regeln einer spezifisch humanen Denkkunst. Beide aber sind nach Inhalt, Ursprung und Funktion von total verschiedenem Charakter. Beziehen sich die rein logischen Sätze, wenn wir auf ihren originären Inhalt sehen, nur auf Ideales, so jene methodo
logischen Sätze auf Reales. Haben die ersteren ihren Ursprung in unmittelbar einsichtigen Axiomen, so die letzteren in empirischen und hauptsächlich psychologischen Tatsachen. Dient die Aufstellung jener rein theoretischen und nur nebenbei praktischen Interessen, so verhält es sich bei diesen umgekehrt: ihr unmittel
bares Interesse ist ein praktisches und nur mittelbar, sofern nämlich ihr Ziel die methodische Förderung wissenschaftlicher Erkenntnis überhaupt ist, werden auch theoretische Interessen durch sie gefördert.
Jeder beliebige theoretische Satz läßt sich, wie wir oben sahen, normativ wenden. Aber die so erwachsenden Regeln für richtiges Urteilen sind im allgemeinen nicht diejenigen, welche eine logische Kunstlehre braucht, nur wenige unter ihnen sind zur logischen Normierung sozusagen prädestiniert. Will diese Kunstlehre
unseren wissenschaftlichen Bestrebungen tatkräftige Hilfe bieten, so kann sie ja nicht die Erkenntnisfülle der fertigen Wissenschaften voraussetzen, die wir durch ihre Hilfe allererst zu gewinnen hoffen. Nicht die ziellose Umwendung aller gegebenen theoretischen Erkenntnisse ins Normative kann uns nützen,
sondern was wir brauchen, sind allgemeine und in ihrer Allgemeinheit über alle bestimmten Wissenschaften hinaus greifende Normen zur wertenden Kritik theoretischer Erkennt
Eben das will die logische Kunstlehre leisten, und will sie es als wissenschaftliche Disziplin, so muß sie selbst gewisse theoretische
Erkenntnisse voraussetzen. Da ist nun von vornherein klar, daß für sie von ausnehmendem Werte alle die Erkenntnisse sein müssen, welche rein in den Begriffen Wahrheit, Satz, Subjekt, Prädikat, Gegenstand, Beschaffenheit, Grund und Folge, Beziehungspunkt und Beziehung und dergleichen gründen. Denn
alle Wissenschaft baut sich nach dem, was sielehrt (also objektiv, theoretisch), aus Wahrheiten auf, alle Wahrheit liegt in Sätzen, alle Sätzen enthalten Subjekte und Prädikate, beziehen sich durch sie auf Gegenstände oder Beschaffenheiten; Sätze als solche haben Verknüpfung nach Grund und Folge usw. Nun ist klar: Wahr
heiten, die in solchen wesentlichen Konstituentien aller Wissenschaft als objektiver, theoretischer Einheit gründen, Wahrheiten, die also nicht als aufgehoben gedacht werden können, ohne daß, was aller Wissenschaft als solcher objektiven Halt und Sinn gibt, aufgehoben wäre, bilden selbst
verständlich die fundamentalen Maßstäbe, an denen gemessen werden kann, ob gegebenenfalls, was den Anspruch erhebt, Wissenschaft zu sein bzw. als Grundsatz oder Folgesatz, als Syllogismus oder Induktion, als Beweis oder Theorie usw. zur Wissenschaft zu gehören, solcher Intention wirklich entspricht,
oder ob es nicht vielmehr a priori den idealen Bedingungen der Möglichkeit von Theorie und Wissenschaft überhaupt widerstreitet. Gesteht man uns dann zu, daß Wahrheiten, die rein im Inhalt (Sinn) derjenigen Begriffe gründen, welche die Idee der Wissenschaft als einer objektiven Einheit konstituieren, nicht
nebenher zum Bereich irgendeiner Einzelwissenschaft gehören können; gesteht man im besonderen zu, daß solche Wahrheiten als ideale ihren Heimatsort nicht haben können in den Wissenschaften vom matter of fact, also auch nicht in der Psychologie — dann ist unsere Sache entschieden. Dann kann man auch nicht
die ideale Existenz einer
aus denen sie selbst als systematische Einheit von Wahrheiten besteht, durch die Gesetze beherrscht werden, die mit zu ihrem theoretischen Gehalt gehören.
Daß die Wissenschaft, welche sich auf alle Wissenschaften hinsichtlich deren Form bezieht, sich eo ipso auf sich selbst bezieht, klingt
paradox, aber es birgt keinerlei Unzuträglichkeit. Das allereinfachste hierhergehörige Beispiel mache dies klar. Der Satz vom Widerspruch regelt alle Wahrheit und, da er selbst Wahrheit ist, auch sich selbst.Man überlege, was diese Regelung hier bedeutet, man formuliere den auf sich selbst angewendeten Satz vom Widerspruch, und man stößt
auf eine einsichtige Selbstverständlichkeit, somit auf das gerade Gegenteil von Verwunderlichkeit und Fraglichkeit. So verhält es sich ┌über-haupt┐
Diese reine Logik ist also das erste und wesentlichste Funda
ment der methodologischen Logik. Aber natürlich hat diese noch ganz andere Fundamente, die ihr die Psychologie beistellt. Denn jede Wissenschaft läßt sich, wie wir schon ausgeführt haben, in doppelter Hinsicht betrachten: In der einen ist sie ein Inbegriff menschlicher Veranstaltungen zur Erlangung, systematischen
Abgrenzung und Darlegung der Erkenntnisse dieses oder jenes Wahrheitsgebietes. Diese Veranstaltungen nennen wir Methoden; z.B. das Rechnen mit Abakus und Kolumnen, mit Schriftzeichen auf ebener Tafelfläche, mittels der oder jener Rechenmaschine, mittels Logarithmen-, Sinus- oder Tangententafeln usw.;
astro
nationaler Eigenart. Sie ┌wären┐
unterschiedenes Endorgan gebunden wäre? Und so überall.
Jede Wissenschaft läßt sich aber noch in anderer Hinsicht betrachten, nämlich nach dem, was sie lehrt, nach ihrem theoretischen Gehalt. Was — im idealen Falle — jeder einzelne Satz aussagt, ist eine Wahrheit. Keine Wahrheit ist aber in der Wissen
schaft isoliert, sie tritt mit anderen Wahrheiten zu theoretischen Verbänden zusammen, geeinigt durch Verhältnisse von Grund und Folge. Dieser objektive Gehalt der Wissenschaft ist, soweit sie ihrer Intention wirklich genügt, von der Subjektivität der Forschenden, von den Eigenheiten der menschlichen Natur über
haupt völlig unabhängig, er ist eben objektive Wahrheit.
Auf diese ideale Seite geht nun die reine Logik, nämlich der Form nach; das heißt, sie geht nicht auf das, was zur besonderen Materie der bestimmten Einzelwissenschaften, zu den jeweiligen Eigenheiten ihrer Wahrheiten und Verknüpfungsformen gehört,
sondern auf das, was sich auf Wahrheiten und theoretische Verbände von Wahrheiten überhaupt bezieht. Daher muß ihren Gesetzen, die durchaus idealen Charakters sind, eine jede Wissenschaft in Ansehung ihrer objektiven theoretischen Seite angemessen sein.
Hierdurch gewinnen diese idealen Gesetze aber gleichfalls methodologische Bedeutung, und sie besitzen sie auch darum, weil mittelbare Evidenz in den Begründungszusammenhängen
gorien gründen. Die charakteristischen Eigentümlichkeiten der Begründungen, welche im ersten Kapitel d. ┌W.┐
der Einheit der noch so umfassenden rationalen Theorie, aber auch in der Einheit der Wahrscheinlichkeitsbegründung — nichts
der so zu gewinnenden und zunächst bloß vereinzelten Gesetze auf die primitiven Grundgesetze zurück und schafft so ein wissenschaftliches System, welches in geordneter Folge und rein deduktiv alle überhaupt möglichen rein logischen Gesetze — alle möglichen "Formen" von Schlüssen, Beweisen usw. — abzuleiten
gestattet. Dieser Leistung bemächtigt sich nun das praktischlogische Interesse. Die rein logischen Formen wandeln sich ihm in Normen um, in Regeln, wie wir begründen sollen, und — mit Beziehung auf mögliche ungesetzliche Bildungen — in Regeln, wie wir nicht begründen dürfen.
Demnach zerfallen die Normen in zwei Klassen: Die einen, alles Begründen, allen apodiktischen Zusammenhang a priori regelnd, sind rein idealer Natur und nur durch evidente Übertragung auf menschliche Wissenschaft bezogen. Die anderen, die wir auch als bloße Hilfsverrichtungen oder Surrogate für Be
gründungen charakterisieren durften,
sogar in der physischen Konstitution.
In dem Streit um psychologische oder objektive Begründung der Logik nehme ich also eine Mittelstellung ein. Die Antipsycho
logisten blickten vorzugsweise auf die idealen Gesetze hin, die wir
der gegnerischen Argumente gerecht zu werden, ist um so begreiflicher, als in diesen letzteren all die psychologischen Motive und Vermengungen selbst mitspielten, die doch vor allem vermieden werden mußten. Auch der tatsächliche Inhalt der Werke, die sich als Darstellungen der "formalen" oder "reinen" Logik ausgeben,
mußte die Psychologisten in ihrer ablehnenden Haltung nur bestärken und den Eindruck in ihnen erwecken, es handle sich in der proponierten Disziplin doch nur um ein Stück verschämter und dabei eigensinnig beschränkter Erkenntnispsychologie bzw. um eine darauf gegründete Erkenntnisregelung. Die Antipsycholo
gisten durften in ihrem Argument
sie sich mit ihrer Argumentation auf ein unzweifelhaft Richtiges. Aber sie übersahen den theoretischen Charakter der rein logischen Sätze, sie verkannten den Unterschied von theoretischen Gesetzen, die durch ihren Inhalt zur Regelung der Erkenntnis prädestiniert sind, und normativen Gesetzen, die selbst und wesentlich
den Charakter von Vorschriften haben.
Auch das ist nicht ganz richtig, daß der Gegensatz von Wahr und Falsch in der Psychologie keine Stelle habe:
Andererseits sind freilich die Sätze, welche sich auf diese Be
noch ausführlich zu erörtern sein.
Endlich liegt auch dem letzten Argument der Antipsychologisten
so liegt in einer psychologischen Begründung der Logik sicherlich kein Zirkel. Aber ein anderes ist die psychologische Begründung der Logik (im gewöhnlichen Sinne der Kunstlehre) und wieder ein anderes die psychologische Begründung jener theoretisch geschlossenen Gruppe logischer Sätze, die wir "rein logische" nann
ten. Und in dieser Hinsicht ist es allerdings eine krasse Unzuträglichkeit, obschon nur in gewissen Fällen eine Art Zirkel, Sätze, welche in den
Inhalt irgendeiner Einzelwissenschaft und nun gar einer Tatsachenwissenschaft abzuleiten. Man mache sich den Gedanken an dem Satze vom Widerspruch klar, man denke ihn durch irgendeine Einzelwissenschaft begründet; also eine Wahrheit, die im Sinne der Wahrheit als solcher liegt, begründet durch Wahrheiten
über Anzahlen, Strecken u. dgl., oder gar durch Wahrheiten über physische oder psychische Tatsächlichkeiten. Jedenfalls schwebte diese Unzuträglichkeit den Vertretern der formalen Logik gleichfalls vor, nur daß sie, wieder durch ihre Vermengung der rein logischen Gesetze mit normativen Gesetzen oder Kriterien, den
guten Gedanken in einer Weise trübten, die ihn seiner Wirksamkeit berauben mußte.
Die Unzuträglichkeit besteht, wenn wir auf den Grund gehen, darin, daß Sätze, welche sich auf die bloße Form beziehen (das ist auf die begrifflichen Elemente wissenschaftlicher Theorie als sol
cher), erschlossen werden sollen aus Sätzen eines ganz heterogenen Gehalts.
von Ableitungsprinzipien, ohne deren Gültigkeit die Ableitung Sinn und Gültigkeit verlieren würde. In dieser Hinsicht könnte man von einem reflektiven Zirkel sprechen, im Gegensatz zum gewöhnlichen oder direkten circulus in demonstrando, wo Prämissen und Schlußsätze ineinanderlaufen.
Diesen Einwänden entgeht von allen Wissenschaften allein die reine Logik, weil ihre Prämissen nach dem, worauf sie sich gegenständlich beziehen, ┌homogen sind den Schlußsätzen, die
in dieser selbst eben nicht beweist, und daß sie Sätze, welche jede Deduktion voraussetzt, überhaupt nicht beweist, sondern an die Spitze aller Deduktionen als Axiome hinstellt. Die überaus schwierige Aufgabe der reinen Logik wird also darin bestehen, einerseits analytisch zu den Axiomen aufzusteigen, die als Aus
gangspunkte unentbehrlich und aufeinander ohne direkten und reflektiven Zirkel nicht mehr reduktibel sind; des weiteren die Deduktionen für die logischen Lehrsätze (wovon die syllogisti-schen Sätze einen kleinen Teil ausmachen) so zu formen und anzuordnen, daß Schritt für Schritt nicht bloß die Prämissen
sondern auch die Prinzipien der Deduktionsschritte entweder zu den Axiomen oder zu den bereits erwiesenen Lehrsätzen gehören.
Zur Bestätigung seines ersten Vorurteils, wonach es selbstver
ständlich sein soll, daß sich Regeln der Erkenntnis auf die Psychologie der Erkenntnis stützen müssen, beruft sich der Psychologist
psychische Phänomene und Gebilde? Bei Vorstellungen und Urteilen ist dies ohne weiteres klar. Schlüsse sind Begründungen von Urteilen mittels Urteile, und Begründen ist doch eine psychische Tätigkeit. Wieder beziehen sich die Reden von Wahrheit und Wahrscheinlichkeit, Notwendigkeit und Möglichkeit usw. auf
Urteile; was sie meinen, kann
methodologischen Sätzen nutzlos, der Einwand trifft die einen so gut wie die anderen. Es müßte also jeder Versuch, auch nur einen Teil der Logik als vermeintlich "reine" Logik der Psychologie zu entfremden, als grundverkehrt gelten.
Wie selbstverständlich dies alles auch erscheinen mag, es muß irrig sein. Dies lehren die wiedersinnigen Konsequenzen, die, wie wir wissen, für den Psychologismus unausweichlich sind. Aber auch noch anderes müßte hier bedenklich stimmen: die natürliche
Verwandtschaft zwischen rein logischen und arithmetischen Doktrinen, welche öfters sogar zur Behauptung ihrer theoretischen Einheit geführt hat. Wie wir gelegentlich schon erwähnten, hat auch Lotze gelehrt, daß die Mathematik als "ein sich für sich selbst fortentwickelnder Zweig der allgemeinen Logik" gelten
müsse. "Nur eine praktisch begründete Spaltung des Unterrichts" läßt, meint er, "die vollkommene Heimatsberechtigung der Mathematik in dem allgemeinen Reich der Logik übersehen".
und Verknüpfungen. Aber Zahlen erwachsen aus dem Kolligieren und Zählen, welches
sinnlichen Stützen bedürfen, tut nichts zur Sache, dasselbe gilt ja für alles und jedes Denken. Somit sind auch die Summen, Produkte, Differenzen und Quotienten, und was immer in den arithmetischen Sätzen als das Geregelte erscheint, nichts als psychische Produkte, sie unterliegen also der psychischen Gesetzmäßigkeit.
Nun mag zwar der modernen Psychologie mit ihrem ernsten Streben nach Exaktheit jede Erweiterung um mathematische Theorien höchst erwünscht sein; aber schwerlich wäre sie sehr erbaut, wenn man ihr die Mathematik selbst als Teil einordnen wollte. Die Heterogenität beider Wissenschaften ist eben unver
kennbar. So würde auch auf der anderen Seite der Mathematiker nur lächeln, wollte man ihm psychologische Studien aufdrängen, in Absicht auf ┌die┐
Welten, daß schon der Gedanke ihrer Vermittlung absurd wäre; wenn irgendwo, so fände hier die Rede von einer μετάβασις εἰς ἄλλο γένος ihre Anwendung.
Mit diesen Einwänden sind wir allerdings wieder in Argumentationen aus den Konsequenzen geraten. Aber wenn wir
ihren Inhalt blicken, finden wir die Handhaben, um die Grundfehler der gegnerischen Auffassung bezeichnen zu können. Der Vergleich der reinen Logik mit der reinen Mathematik, als der reif entwickelten Schwesterdisziplin, die sich das Recht selbständiger Existenz nicht erst erkämpfen muß, dient uns als
zuverlässiges Leitmotiv. Auf die Mathematik wollen wir also zunächst hinblicken.
Niemand faßt die rein mathematischen Theorien und speziell z.B. die reine Anzahlenlehre als "Teile oder Zweige der Psychologie", obgleich wir ohne Zählen keine Zahlen, ohne
Summieren keine Summen, ohne Multiplizieren keine Produkte hätten usw. Alle arithmetischen Operationsgebilde weisen auf gewisse psychische Akte arithmetischen Operierens zurück, nur in Reflexion auf sie kann, was Anzahl, Summe, Produkt u. dgl. ist, "aufgewiesen" werden. Und trotz dieses "psychologischen
Ursprungs" der arithmetischen Begriffe erkennt es jeder als eine fehlerhafte μετάβασις an, daß die mathematischen Gesetze psychologische sein sollen. Wie ist das zu erklären? Hier gibt es nur ┌eine┐
Akten, hat es natürlich die Psychologie zu tun. Sie ist ja die empirische Wissenschaft von den psychischen Tatsachen überhaupt. Ganz anders die Arithmetik. Ihr Forschungsgebiet ist bekannt, es ist vollständig und unüberschreitbar bestimmt durch die uns wohlvertraute Reihe idealer Spezies 1, 2, 3 ... Von individuellen
Tatsachen, von zeitlicher Bestimmtheit ist in dieser Sphäre gar keine Rede. Zahlen, Summen und Produkte von Zahlen (und was dergleichen mehr) sind nicht die zufällig hier und dort vor sich gehenden Akte des Zählens, des Summierens und Multiplizierens usw. Selbstverständlich sind sie auch verschieden von den Vor
Stellungen, in denen sie jeweils vorgestellt werden. Die Zahl Fünf ist nicht meine oder irgend jemandes anderen Zählung der
ihnen Objektiven, des konstituierten Kollektivum┐
adäquate Vorstellung von der Fünf, so werden wir zunächst einen gegliederten Akt kollektiver Vorstellung von irgendwelchen fünf Objekten bilden. In ihm ist ┌das Kollektivum in einer gewissen Gliederungsform und damit┐
schaulich Einzelne vollführen wir nun eine "Abstraktion", d.h. wir heben nicht nur
Einzelfall,┐
Auf derartige ideale Einzelheiten (niederste Spezies in einem ausgezeichneten Sinne, der von empirischen Klassen scharf unterschieden ist) gehen nun die arithmetischen Sätze, die numerischen (d.i. die arithmetisch-singulären) wie die algebraischen (d.i. die arithmetisch-generellen) Sätze. Über Reales sagen sie schlechter
dings nichts aus, weder über solches, das gezählt wird, noch über die realen Akte, in denen gezählt
hören; Sätze über die arithmetischen Denkvorgänge hingegen in die Psychologie. Streng und eigentlich sagen die arithmetischen Sätze daher auch nichts darüber, "was in unseren bloßen Vorstellungen von Zahlen liegt"; denn so wenig wie von sonstigen Vorstellungen sprechen sie von den unserigen. Sie handeln vielmehr
von Zahlen und ┌Zahlenverknüpfungen┐
Umfang dieser Gesetze fallen, sind ideale, es sind die numerisch bestimmten Zahlen, d.i. die niedersten spezifischen Differenzen des Genus Anzahl. Auf sie beziehen sich daher die arithmetischsingulären Sätze, die der arithmetica numerosa. Sie erwachsen durch Anwendung jener allgemein arithmetischen Gesetze auf
numerisch gegebene Zahlen, sie drücken aus, was rein im idealen Wesen dieser gegebenen Zahlen beschlossen ist. Von allen diesen Sätzen ist keiner auf einen empirisch-allgemeinen Satz zu reduzieren,
Was wir hier in betreff der reinen Arithmetik ausgeführt haben, überträgt sich durchaus auf die reine Logik. Auch für sie geben
wir als selbstverständlich die Tatsache zu, daß die logischen Begriffe einen psychologischen Ursprung haben, ┌aber┐
ziehen wir es natürlich auch nicht in Zweifel, daß sie es in weitem Ausmaße mit psychischen Erlebnissen zu tun hat. Gewiß fordert die Methodologie des wissenschaft
Termini wie Vorstellung, Begriff, Urteil, Schluß, Beweis, Theorie, Notwendigkeit, Wahrheit u. dgl. auch als Klassennamen für psychische Erlebnisse und dispositioneile Gebilde auftreten können und auftreten müssen. Dagegen bestreiten wir, daß dergleichen jemals in den rein-logischen Partien der in Rede stehenden Kunst
lehre zutrifft. Wir leugnen, daß die als selbständige theoretische Disziplin abzulösende reine Logik es je auf psychische Tatsachen abgesehen hat und auf Gesetze, die als psychologische zu charakterisieren wären. Wir erkannten ja schon, daß die rein-logischen Gesetze, wie z.B. die primitiven "Denkgesetze" oder die syllo
gistischen Formeln, ihren wesentlichen Sinn völlig einbüßen, sowie man sie als psychologische zu interpretieren versucht. Es ist also von vornherein klar, daß die Begriffe, aus welchen sich diese und ähnliche Gesetze aufbauen, keinen empirischen Umfang haben können. Mit anderen Worten: sie
können nicht den Charakter bloß universeller Begriffe haben, deren Umfang tatsächliche Einzelheiten erfüllen, sondern sie müssen echt generelle Begriffe sein, deren Umfang sich ausschließlich zusammensetzt aus idealen Einzelheiten, aus echten Spezies. Des weiteren geht klar hervor,
daß die genannten Termini und alle überhaupt, die in rein-logischen Zusammenhängen auftreten, insgesamt äquivok sein
hören.
Dies bestätigt sich, wenn wir uns auch nur flüchtig in den historisch vorliegenden Bearbeitungen der Logik umblicken und
dabei unsere besondere Aufmerksamkeit auf den fundamentalen
Schein, als ob die unter dem traditionellen Titel "Elementarlehre" abgehandelten Materien innerlich homogen und insgesamt psychologische wären.
Da wird vor allem von den Vorstellungen gehandelt und in weitem Maße auch psychologisch gehandelt; die apperzeptiven
Vorgänge, in welchen Vorstellungen erwachsen, werden möglichst tief erforscht. So wie es aber an die Unterschiede der wesentlichen "Formen" der Vorstellungen geht, bereitet sich schon ein Bruch in der Betrachtungsweise vor, der sich fortsetzt in der Lehre von den Urteilsformen und am weitesten auseinanderklafft in der
Lehre von den Schlußformen, sowie den zugehörigen Denkgesetzen. Der Terminus Vorstellung verliert plötzlich den Charakter eines psychologischen Klassenbegriffs. Dies tritt in Evidenz, sowie wir nach dem Einzelnen fragen, das unter den Begriff Vorstellung fallen soll. Wenn der Logiker Unterschiede fixiert, wie die
zwischen singulären und allgemeinen Vorstellungen (Sokrates — der Mensch überhaupt; die Zahl Vier — die Zahl überhaupt), zwischen attributiven und nicht attributiven (Sokrates, Weiße — ein Mensch, eine Farbe) u. dgl.; oder wenn er die mannigfachen Verknüpfungsformen von Vorstellungen zu neuen Vorstellungen auf
zählt, wie konjunktive, disjunktive, determinative Verknüpfung u. dgl.; oder wenn er wesentliche Vorstellungsverhältnisse, wie Inhalts- und Umfangsverhältnisse klassifiziert: so muß doch
umschließt den Umfang jener. Ist darin von den subjektiven Erlebnissen irgendeiner Person und vom realen Enthaltensein von Phänomenen in Phänomenen die Rede? Gehören in den Umfang dessen, was hier und in allen ähn
Vorstellung, die ich jetzt, und die, welche ich in einer Stunde habe; oder nicht vielmehr als einziges Glied die Vorstellung "Dreieck" und daneben, wieder als Einzelheiten, die Vorstellung "Sokrates", die Vorstellung "Löwe" u. dgl.?
In aller Logik ist gar viel die Rede von Urteilen; aber auch
hier besteht Äquivokation. In den psychologischen Partien der logischen Kunstlehre spricht man von Urteilen als Führwahrhaltungen, man spricht also von bestimmt gearteten Bewußtseinserlebnissen. In den rein logischen Partien ist davon weiter keine Rede. Urteil heißt hier soviel wie Satz, und zwar verstan
den nicht als eine grammatische, sondern als eine ideale Bedeutungseinheit. Dies trifft all die Unterscheidungen von Urteilsakten bzw. Formen, welche für die rein-logischen Gesetze die nötigen Unterlagen bieten. Kategorisches, hypothetisches, disjunktives, existenziales Urteil, und wie die Titel noch lauten
mögen, sind in der reinen Logik nicht Titel für Urteilsklassen, sondern Titel ┌für ideale┐
Phänomene, sondern Formen intentionaler Einheiten werden analysiert, nicht Erlebnisse des Schließens, sondern Schlüsse. Wer in logisch-analytischer Absicht sagt: das kategorische Urteil "Gott ist gerecht" hat die Subjektvorstellung "Gott", spricht sicherlich nicht von dem Urteil als psychischem Erlebnis, das er
oder ein anderes Individuum hat, und desgleichen nicht von dem psychischen Akt, der darin eingeschlossen und durch das Wort
einzelnen Teile ┌eines┐
und sonst wann und in sonst welchen Personen Erlebnis war. Im Gegenteil, es figuriert kein einziger unter diesen Akten im fraglichen Umfang, wohl aber schlechthin "2x2 = 4" und daneben etwa "die Erde ist ein Kubus", der Lehrsatz des Pythagoras u. dgl., und zwar je als ein Glied. Genau ebenso verhält es
sich natürlich, wenn man sagt: "das Urteil S folgt aus dem Urteil P"; und so in allen ähnlichen Fällen.
Dadurch bestimmt sich auch erst der wahre Sinn der logischen Grundsätze, und zwar als ein solcher, wie ihn unsere früheren Analysen gekennzeichnet haben. Das Prinzip vom Widerspruch
ist, so lehrt man, ein Urteil über Urteile. Wofern man aber unter Urteilen psychische Erlebnisse, Akte des Fürwahrhaltens, Glaubens ┌usw.┐
zwei kontradiktorischen Urteilen ist eins wahr und eins falsch"┐
weg Sätze zu nennen pflegen. Also lautete der bessere Ausdruck: ┌"Von zwei kontradiktorischen Sätzen ist einer wahr und einer falsch"┐
darauf hinzublicken, um einzusehen, daß zum Umfang dieser logischen Gesetzlichkeit nur Urteile in einem idealen Sinne gehören — wonach "das" Urteil "2x2 = 5" Eines┐
oder vorgestellten Urteilsakte, die in unendlicher Mannigfaltigkeit jeder dieser idealen Einheiten entsprechen. Ähnliches wie vom Satze des Widerspruchs gilt für alle rein logischen Sätze, z.B. die syllogistischen.
Der Unterschied der psychologischen Betrachtungsweise, wel
che die Termini als Klassentermini für psychische Erlebnisse verwendet, von der objektiven oder idealen Betrachtungsweise, in welcher eben dieselben Termini ┌ideale┐
Reine Logik und Arithmetik, als Wissenschaften von den idealen Einzelheiten gewisser Gattungen (oder von dem, was a priori im idealen Wesen dieser Gattungen gründet), trennen sich von der Psychologie, als der Wissenschaft von den individuellen Einzelheiten gewisser empirischer Klassen.
Heben wir zum Schluß noch die entscheidenden Differenzen hervor, von deren Anerkennung bzw. Verkennung die ganze Stellung zur psychologistischen Argumentation abhängt, so sind
es folgende:
einsichtiger Gewißheit in echt generellen Begriffen gründen, so stellen diese die realgesetzlichen Allgemeinheiten, und zwar mit einsichtiger Wahrscheinlichkeit fest, welche sich auf eine Sphäre von Tatsachen beziehen. Der Umfang der Allgemeinbegriffe ist dort ein Umfang von niedersten spezifischen Differenzen, hier
ein Umfang von individuellen, zeitlich bestimmten Einzelheiten; die letzten Gegenstände also dort ideale Spezies, hier empirische Tatsachen. Offenbar vorausgesetzt sind hierbei die wesentlichen Unterschiede zwischen Naturgesetz und idealem Gesetz, zwischen universellen Sätzen über Tatsachen (die sich vielleicht als gene
relle Sätze verkleiden: alle Raben sind schwarz — der Rabe ist schwarz) und echt generellen Sätzen (wie es die allgemeinen Sätze der reinen Mathematik sind), zwischen empirischem Klassenbegriff und idealem Genusbegriff u. dgl. Die richtige Schätzung dieser Unterschiede ist durchaus abhängig von dem endgültigen Auf
geben der empiristischen Abstraktionstheorie, welche, gegenwärtig vorherrschend, das Verständnis alles Logischen verbaut; worüber wir später ausführlich sprechen werden. ┌(Vgl. II. Band, S. 106ff.)┐
2. Es ist in aller Erkenntnis und speziell in aller Wissenschaft
der fundamentale Unterschied zwischen dreierlei Zusammenhängen zu beachten:
Im Falle der Physik z.B. unterscheiden wir den Zusammenhang
der psychischen Erlebnisse des physikalisch Denkenden von der physischen Natur, die von ihm erkannt wird, und beide wieder von dem idealen Zusammenhang der Wahrheiten in der physikalischen Theorie, also in der Einheit der analytischen Mechanik, der theoretischen Optik u. dgl. Auch die Form der Wahrschein
lichkeitsbegründung, welche den Zusammenhang von Tatsachen und Hypothesen beherrscht, gehört in die Linie des Logischen. Der logische Zusammenhang ist die ideale Form, um derentwillen in specie von derselben Wahrheit, von demselben Schlusse und Beweise, von derselben Theorie und rationalen Disziplin die Rede
ist, von derselben und ┌einen┐
und gegenständlichen, sondern nach ihrem idealen Bedeutungsgehalt. Selbstverständlich sind die bestimmten Zusammenhänge von Begriffen, Sätzen, Wahrheiten, welche die ideale Einheit einer bestimmten Wissenschaft ausmachen, nur insofern logische zu nennen, als sie unter die Logik, in der Weise von Einzelfällen,
gehören; nicht aber gehören sie selbst zur Logik als Bestandstücke.
Die drei unterschiedenen Zusammenhänge betreffen Logik und
Eigentümlichkeit, daß die idealen Zusammenhänge, welche ihre theoretische Einheit ausmachen, als Spezialfälle unter die Gesetze gehören, die sie selbst aufstellt. Die logischen Gesetze sind zugleich Teile und Regeln dieser Zusammenhänge, sie gehören zum theoretischen Verband und doch gleichzeitig zum Gebiet
der logischen Wissenschaft.
Wir formulieren ein drittes Vorurteil
— so sagt man —┐
gischen Gesetze selbstverständlich Sätze der Psychologie. Es sind nämlich Sätze, die uns über die ┌psychologischen┐
von Urteilen, die dieses auszeichnenden Charakters teilhaftig sind, fördern sollen. Allenfalls mögen auch diese psychologisch fundierten Denkregeln gemeint sein, wo man von logischen Gesetzen oder Normen spricht.
An diese Auffaussung streift schon Mill, wenn er in der Absicht,
die Logik von der Psychologie abzugrenzen, lehrt: "The properties
oder "Philosophy of Evidence",
(im vorhergehenden Absatz "das innere Gefühl der Evidenz") eintritt, und dieselben auf ihren allgemeinen Ausdruck bringt".
tigkeit lassen ... aus den psychologischen die logischen Denkgesetze hervorgehen." Ihr "normativer Charakter ist lediglich darin begründet, daß gewisse unter den psychologischen Verbindungen des Denkens tatsächlich Evidenz und Allgemeingültigkeit besitzen. Denn nun wird es erst möglich, daß wir an das Denken überhaupt mit der For
derung herantreten, es solle den Bedingungen der Evidenz und Allgemeingültigkeit genügen". — "Jene Bedingungen selbst, denen genügt werden muß, um Evidenz und Allgemeingültigkeit herbeizuführen, bezeichnen wir als logische Denkgesetze...." Ausdrücklich wird noch betont: "Das psychologische Denken bleibt immer die umfassendere
Form."
In der logischen Literatur ┌gegen Ende des letzten Jahrhunderts┐
weil sie als der erste wirklich durchgeführte Versuch anzusehen ist, den Gesichtspunkt der Psychologie der Evidenz in der ganzen Logik mit möglichster Konsequenz zur Geltung zu bringen. Als die Haupt-auf|gabe der Logik be|zeichnet Höfler die Untersuchung der "(zunächst psychologischen) Gesetze, nach welchen das Zustandekommen
der Evidenz von bestimmten Eigenschaften unserer Vorstellungen
Bedingungen für das Zustandekommen von Evidenz sind".
schen Erscheinungen anwende; sie habe die Erscheinungen speziell des richtigen Denkens zu beschreiben und dann soweit als möglich auf einfache Gesetze zurückzuführen, d.h. die verwickelteren aus den einfachen zu erklären (a.a.O., S. 18). In weiterer Folge wird der logischen Lehre vom Schlusse die Aufgabe zugewiesen, "die
Gesetze aufzustellen ..., von welchen Merkmalen der Prämissen es abhängt ob ein bestimmtes Urteil aus ihnen mit Evidenz erschlossen werden kann". Usw.
Wenden wir uns nun zur Kritik. Wir sind zwar davon weit entfernt, die Unbedenklichkeit des gegenwärtig als Gemeinplatz umlaufenden┌, aber sehr klärungsbedürftigen┐
heit im Urteil liege; aber daran zweifeln wir natürlich nicht, daß Wahrheit erkennen und mit Rechtsanspruch behaupten, Wahrheit einsehen voraussetzt. Desgleichen auch nicht daran, daß die logische Kunstlehre nach den ┌psychologischen┐
leuchtet. Wir kommen der bestrittenen Auffassung sogar
Aber allerdings gilt uns diese Beziehung als eine rein ideale und indirekte. Wir leugnen es, daß die rein logischen Sätze selbst über
die Evidenz und ihre Bedingungen das Geringste aussagen. Wir glauben zeigen zu können, daß sie jene Beziehung zu Evidenzerlebnissen nur auf dem Wege der Anwendung resp. Umwendung erlangen können, nämlich auf gleiche Weise, wie jedes "rein in Begriffen gründende" Gesetz auf den allgemein vorge
stellten Bereich empirischer Einzelfälle jener Begriffe übertragen werden kann. Die so erwachsenden Evidenzsätze behalten aber nach wie vor ihren apriorischen Charakter, und die Evidenzbedingungen, die sie nun aussagen, sind nichts weniger als psychologische, also ┌reale┐
wandeln sich vielmehr, hier wie in jedem analogen Falle, in Aussagen über ideale Unverträglichkeiten bzw. Möglichkeiten um.
Eine einfache Überlegung wird Klarheit schaffen. Aus jedem rein logischen Gesetz kann man, durch a priori mögliche (evidente) Umformung gewisse Evidenzsätze, wenn man will, Evidenz
bedingungen ablesen. Das kombinierte Prinzip vom Widerspruch und ausgeschlossenen Dritten ist sicherlich äquivalent mit dem Satze: Evidenz kann bei einem, aber auch nur bei ┌einem┐
Akte, dessen Prämissen die Formen haben "alle A sind B" und "alle B sind C". Und so ähnlich bei jedem rein logischen Satze. Völlig begreiflich, da evidentermaßen die allgemeine Äquivalenz besteht zwischen den Sätzen "A ist wahr" und "es ist möglich, daß irgend jemand mit Evidenz urteilt, es sei A". Natürlich
werden also die Sätze, zu deren Sinn es gehört auszusagen, was gesetzlich im Begriffe der Wahrheit liegt, und daß das Wahrsein von Sätzen gewisser Satzformen dasjenige von Sätzen korrelater Satzformen bedingt, äquivalente Umformungen zulassen, in denen das mögliche Auftreten von Evidenz zu den Satzformen der Ur
teile in Beziehung gesetzt wird.
Aber die Einsicht in diesen Zusammenhang bietet uns zugleich die Handhabe zur Widerlegung des Versuches, reine Logik in Psychologie der Evidenz aufgehen zu lassen. An sich besagt doch der Satz "A ist wahr" nicht dasselbe wie sein Äquivalent "es ist
möglich, daß irgend jemand urteile, es sei A". Der erstere spricht nicht von Urteilen irgend jemandes, auch nicht irgend jemandes ganz im allgemeinen. Es verhält sich hier ganz so wie bei den rein mathematischen Sätzen. Die Aussage, daß a + b = b + a ist, besagt, daß der Zahlenwert der Summe zweier Zahlen von ihrer
Stellung in der Verknüpfung unabhängig ist, aber ┌sie sagt┐
Aber selbst wenn wir die originären Formen der rein logischen Sätze verlassen und sie in die äquivalent zugehörigen Evidenzsätze umwenden, so entsteht daraus nichts, was die Psychologie als ihr Eigentum in Anspruch nehmen könnte. Sie ist eine empirische Wissenschaft, die Wissenschaft von den psychischen Tat
sachen. Psychologische Möglichkeit ist also ein Fall von realer
liche Erkenntnisfähigkeit überschreiten. Aber das Problem hat eine Auflösung, und so ist eine darauf bezügliche Evidenz möglich. Es gibt dekadische Zahlen mit Trillionenstellen, und es gibt auf sie bezügliche Wahrheiten. Aber niemand kann solche Zahlen wirklich vorstellen und die auf sie bezüglichen Additionen, Multi
plikationen usw. wirklich ausführen. Die Evidenz ist hier psychologisch unmöglich, und doch ist sie, ideal zu reden, ganz gewiß ein mögliches psychisches Erlebnis.
Die Umwendung des Begriffs Wahrheit in den der Möglichkeit evidenten Urteilens hat ihr Analogon ┌in dem┐
griffe individuelles Sein und Wahmehmungsmöglichkeit. Die Äquivalenz dieser Begriffe ist, wofern nur unter Wahrnehmung die adäquate Wahrnehmung verstanden wird, unbestreitbar. Es ist danach eine Wahrnehmung möglich, welche in ┌einem┐
Natürlich ist diese ideale Möglichkeit keine reale, die für irgendein empirisches Subjekt angenommen werden könnte ┌ , zumal solches Schauen ein unendliches Kontinuum des Schauens wäre: einheitlich gedacht eine Kantsche Idee┐
Indem wir die Idealität der Möglichkeiten betonen, welche in
betreff der Urteilsevidenz aus den logischen Gesetzen ent
einer falsch ist, die Wahrheit ableiten, daß von einem Paar möglicher kontradiktorischer Urteile je eines, aber nur eines den Charakter der Evidenz haben kann — und diese Ableitung ist eine evident zu Recht bestehende, wenn wir Evidenz als das Erlebnis definieren, in dem irgendein Urteilender der Richtigkeit
mathematische Satz über mögliche ┌und┐
Gesetze psychologisch nutzbar zu machen. Wir können aus ihnen jederzeit apriorische Möglichkeiten und Unmöglichkeiten ablesen, die sich auf gewisse Arten psychischer Akte, auf Akte der Zählung, der additiven, multiplikativen ... Verknüpfung usw. beziehen. Aber darum sind diese Gesetze noch nicht selbst psycho
logische Sätze. Sache der Psychologie, als Naturwissenschaft von den psychischen Erlebnissen, ist es, die Naturbedingtheit dieser Erlebnisse zu erforschen. In ihr Gebiet gehören also speziell die ┌empirisch-realen┐
bilden aber ein Reich für sich. Dieses konstituiert sich
Zahl Drei, die Wahrheit, die nach Pythagoras benannt ist, u. dgl., das sind, wie wir erörtert haben, nicht em
Und so ist denn in Ansehung der Evidenz die bloße Aufgabe der Psychologie, die natürlichen Bedingungen der unter diesem Titel befaßten Erlebnisse aufzusuchen, also die realen Zusammenhänge zu erforschen, in denen nach dem Zeugnis unserer Erfah
rung Evidenz erwächst und verschwindet. Solche natürlichen Bedingungen sind Konzentration des Interesses, eine gewisse geistige Frische, Übung u. dgl. Ihre Erforschung führt nicht auf Erkenntnisse von exaktem Inhalt, nicht auf einsichtige Allgemeinheiten von echtem Gesetzescharakter, sondern auf vage empiri
sche Allgemeinheiten. Aber die Urteilsevidenz steht nicht bloß unter solchen psychologischen Bedingungen, die wir auch als äußerliche und empirische bezeichnen können, sofern sie nicht rein in der spezifischen Form und Materie des Urteils, sondern in seinem empirischen Zusammenhang im Seelenleben gründen;
vielmehr steht sie auch unter idealen Bedingungen. Jede Wahrheit ┌ist┐
Form oder durch seine Materie, die idealen Bedingungen für die Möglichkeit seiner Evidenz. Die rein logischen Gesetze sind nun Wahrheiten, die rein im Begriff der Wahrheit und in den ihm wesentlich verwandten Begriffen gründen. In Anwendung auf mögliche Urteilsakte sprechen sie dann, auf Grund der bloßen
Urteilsform, ideale Bedingungen der Möglichkeit bzw. Unmöglichkeit der Evidenz aus. Von diesen beiden Arten von Evidenzbedingungen haben die einen Beziehung zur besonderen Konstitution der Arten psychischer Wesen, welche in den Rahmen der jeweiligen Psychologie fallen; denn nur so weit wie die Erfahrung
reicht die psychologische Induktion; die anderen aber, als idealgesetzliche, gelten überhaupt für jedes mögliche Bewußtsein.
Endlich und schließlich hängt die letzte Klärung auch in diesem Streite zunächst von der richtigen Erkenntnis des fundamental
und idealen Wahrheiten, Gesetzen, Wissenschaften, zwischen realen und idealen (individuellen und spezifischen) Allgemeinheiten und ebenso Einzelheiten u. dgl. Freilich in gewisser Weise kennt jedermann diese Unterschiede, und selbst ein so weit ins Extreme gehender Empirist wie Hume vollzieht die fundamen
tale Sonderung der "relations of ideas" und "matters of fact", dieselbe, die unter den Titeln vérités de raison und vérités de fait schon vor ihm der große Idealist Leibniz gelehrt hatte. Aber eine erkenntnistheoretisch wichtige Sonderung vollziehen, heißt noch nicht ihr erkenntnistheoretisches Wesen richtig erfassen. Es muß
zu klarem Verständnis kommen, was denn das Ideale in sich und in seinem Verhältnis zum Realen ist, wie das Ideale auf Reales bezogen, wie es ihm einwohnen und so zur Erkenntnis kommen kann. Die Grundfrage ist, ob wirklich ideale Denkobjekte — um es modern auszudrücken — bloße Anzeigen sind für "denkökono
misch" verkürzte Redeweisen, die, auf ihren eigentlichen Gehalt reduziert, sich in lauter individuelle Einzelerlebnisse, in lauter Vorstellungen und Urteile über Einzeltatsachen auflösen; oder ob der Idealist Recht hat, wenn er sagt, daß sich jene empiristi-sche Lehre in nebelhafter Allgemeinheit zwar aussagen, aber nicht
ausdenken lasse; daß jede Aussage, z.B. auch jede zu dieser Lehre selbst gehörige, Sinn und Geltung beanspruche, und daß jeder Versuch, diese idealen Einheiten auf reale Einzelheiten zu reduzieren, in unabwendbare Absurditäten verwickle; daß die Zersplitterung des Begriffs in irgendeinen Umfang von Einzel
ohne irgendeinen Begriff, der diesem Umfang im Denken Einheit gäbe, undenkbar sei usw.
Andererseits setzt das Verständnis unserer Scheidung zwischen der realen und idealen "Theorie der Evidenz" richtige Begriffe von Evidenz und Wahrheit voraus. In der psychologistischen
Literatur ┌der letzten Jahrzehnte┐
gewisse Urteile geknüpft erscheint, an andere nicht. Jeder Normale fühlt unter gewissen normalen Umständen die Evidenz bei dem Satze 2 + 1 = 1 + 2, so wie er Schmerz fühlt, wenn er sich brennt. Freilich möchte man dann fragen, worauf sich die Autorität dieses besonderen Gefühls gründe, wie es das anstelle, Wahr
heit des Urteils zu verbürgen, ihm den "Stempel der Wahrheit aufzuprägen", seine Wahrheit "anzukündigen", oder wie immer die bildliche Rede lauten mag. Man möchte auch fragen, was denn die vage Rede von normaler Veranlagung und normalen Umständen exakt charakterisiere, und vor allem darauf hinweisen,
daß selbst der Rekurs auf das Normale den Umfang der evidenten Urteile mit dem der wahrheitsgemäßen nicht zur Deckung bringe. Niemand kann schließlich leugnen, daß auch für den normalen und unter normalen Umständen Urteilenden die ungeheure ┌Mehrheit┐
geln muß. Man wird doch den fraglichen Begriff der Normalität nicht so fassen wollen, daß kein wirklicher und in dieser endlichen Naturbedingtheit möglicher Mensch normal genannt werden könnte.
Wie der Empirismus überhaupt das Verhältnis zwischen Idea
lem und Realem im Denken verkennt, so auch das Verhältnis zwischen Wahrheit und Evidenz. Evidenz ist kein akzessorisches Gefühl, das sich zufällig oder naturgesetzlich an gewisse Urteile anschließt. Es ist überhaupt nicht ein psychischer
(sc. der sog. "wahren" Urteile) einfach anheften ließe; ┌so daß der phänomenologische┐
inhalte und der darauf bezogenen Gefühle zu denken pflegen:
Ideales im realen Akt ┌Erlebnis┐
Setzung eines Gegenstandes zu seiner adäquaten Wahrnehmung verhält. Das adäquat Wahrgenommene ist nicht bloß ein irgendwie Gemeintes, sondern, als was es gemeint ist, auch im Akte originär gegeben, d.i. als selbst gegenwärtig und restlos erfaßt┐
urteilender, aussagender, behauptender Weise gemeint), sondern im Urteilserlebnis ┌gegeben als┐
kann. ┌Die Analogie, die alle originär gebenden Erlebnisse verbindet, führt dann zu analogen Reden: man nennt die Evidenz ein Sehen, Einsehen, Erfassen des selbst gegebenen ("wahren") Sachverhalts bzw., in naheliegender Äquivokation, der Wahrheit. Und wie im Gebiet der Wahrnehmung das Nichtsehen sich keines
wegs deckt mit dem Nichtsein, so bedeutet auch Mangel der Evidenz nicht so viel wie Unwahrheit┐
tät aus. Es ist nicht eine zufällige Tatsache, daß ein Satzgedanke, hier und jetzt, zum ┌gegebenen┐
nicht der Aussage als diesem zeitlichen Erlebnis zu, sondern der Aussage in spezie, der (reinen und identischen) Aussage 2 X 2 ist 4 u. dgl.
Nur mit dieser Auffassung stimmt es, daß ein Urteil U (d.h. ein Urteil des Inhaltes, Bedeutungsgehaltes U) ┌in der Weise eines
einsichtigen vollziehen, und einsehen, daß die Wahrheit U besteht┐
auch┐
kann, und der offenbar dem vollen Skeptizismus gleichkommt: eben der Zweifel, ob denn nicht, wo wir die Einsicht haben, daß U sei, ein anderer die Einsicht haben könnte, daß ein mit U evident unverträgliches U' sei, ob nicht überhaupt Einsichten mit Einsichten unlöslich kollidieren könnten usw. Wieder ver
stehen wir so, warum das "Gefühl" der Evidenz keine andere
wahr Einsehen geben kann, m.a.W. keine Evidenz ┌(cf. Bd. II, 6. Unt., Kap. 5)┐.
Nah verwandt mit dem Psychologismus, dessen Widerlegung uns bisher beschäftigt hat, ist eine andere Form empiristischer Begründung der Logik und Erkenntnistheorie, welche in den letzten Jahren in besonderem Maße Ausbreitung gewinnt: nämlich die biologische Begründung dieser Disziplinen mittels des
Prinzips vom kleinsten Kraftmaß, wie Avenarius, oder des Prinzips von der Ökonomie des Denkens, wie Mach es nennt. Daß diese neue Richtung schließlich wieder in einen Psychologismus einmündet, tritt am deutlichsten in der "Psychologie" von Cornelius hervor. In diesem Werke wird das fragliche Prinzip
ausdrücklich als "Grundgesetz des Verstandes" und zugleich als ein "allgemeines psychologisches Grundgesetz"
Es will mir scheinen, daß in diesen denkökonomischen Theorien wohlberechtigte und in passender Beschränkung sehr fruchtbare Gedanken eine Wendung erhalten, die im Falle allgemeiner Annahme, den Verderb aller echten Logik und Erkenntnistheorie auf der einen und der Psychologie auf der andern Seite bedeuten
würde.
Wir erörtern zunächst den Charakter des Avenarius-Mach-schen Prinzips als eines teleologischen Anpassungsprinzips;
sche Anthropologie und für die praktische Wissenschaftslehre; zum Schluß erweisen wir seine Unfähigkeit, für eine Begründung der Psychologie und vor allem der reinen Logik und Erkenntnistheorie irgendwelche Beihilfe zu leisten.
Wie immer das Prinzip ausgesprochen werden mag, es hat den Charakter eines Entwicklungs- bzw. Anpassungsprinzips, es betrifft die Auffassung der Wissenschaft als möglichst zweckmäßiger
(ökonomischer, kraftersparender) Anpassung der Gedanken an die verschiedenen Erscheinungsgebiete.
Avenarius faßt das Prinzip im Vorwort seiner Habilitationsschrift
lichst geringe." Es heißt aber bald darauf: "Insofern aber die Seele den Bedingungen organischer Existenz und deren Zweckmäßigkeitsanforderungen unterworfen ist, wird das angezogene Prinzip zu einem Prinzip der Entwicklung: Die Seele verwendet zu einer Apperzeption nicht mehr Kraft als nötig und gibt bei einer Mehrheit mög
licher Apperzeptionen derjenigen den Vorzug, welche die gleiche Leistung mit einem geringeren Kraftaufwand bzw. mit dem gleichen Kraftaufwand eine größere Leistung ausführt; unter begünstigenden Umständen zieht die Seele selbst einem augenblicklich geringeren Kraftaufwand, mit welchem aber eine geringere Wirkungsgröße bzw.
Wirkungsdauer verbunden ist, eine zeitweilige Mehranstrengung vor, welche um soviel größere bzw. andauerndere Wirkungsvorteile verspricht."
schaft eine möglichst vollkommene Orientierung in den bezüglichen Erfahrungsgebieten, eine möglichst ökonomische Anpassung unserer Gedanken an sie bewirke. Er liebt es übrigens nicht (und wieder mit Recht), von einem Prinzip zu sprechen, sondern schlechthin von der "ökonomischen Natur" der wissenschaftlichen Forschung, von der
"denkökonomischen Leistung" der Begriffe, Formeln, Theorien, Methoden u. dgl.
Es handelt sich bei diesem Prinzip also nicht etwa um ein Prinzip im Sinne rationaler Theorie, um ein exaktes Gesetz, das fähig wäre, als Grund einer rationalen Erklärung zu fungieren
(wie die rein-mathematischen oder mathematisch-physikalischen Gesetze es können), sondern um einen jener wertvollen teleologischen Gesichtspunkte, welche in den biologischen Wissenschaften überhaupt von großem Nutzen sind und sich sämtlich dem allgemeinen Entwicklungsgedanken angliedern lassen.
Die Beziehung zur Selbsterhaltung und Gattungserhaltung liegt hier ja offen zutage. Das tierische Handeln wird bestimmt durch Vorstellungen und Urteile. Wären diese dem Verlauf der Ereignisse nicht hinreichend angepaßt, könnte vergangene Erfahrung nicht nutzbar gemacht, das Neue nicht vorausgesehen,
Mittel und Zwecke nicht angemessen zusammengeordnet werden — all das mindestens im groben Durchschnitt, im Lebenskreise der betreffenden Individuen und mit Beziehung auf die ihnen drohenden Schädlichkeiten oder ihnen günstigen Nützlichkeiten — so wäre eine Erhaltung nicht möglich. Ein Wesen von men
schenähnlicher Art, das ┌bloß┐
sich in der Erinnerung wieder zu vergegenwärtigen, und das in all diesen Erfahrungsakten durchschnittlichen Erfolges nicht sicher wäre — wie könnte das bestehen bleiben? Schon Hume hat in
leologien der geistigen Konstitution im einzelnen zu erforschen. Es ist sicherlich ein Gesichtspunkt von nicht minderer Fruchtbarkeit für die psychische Biologie, als er es für die physische schon längst ist.
Natürlich ordnet sich ihm nicht bloß die Sphäre des blinden,
sondern auch die des logischen, des wissenschaftlichen Denkens ein. Der Vorzug des Menschen ist der Verstand. Der Mensch ist nicht bloß überhaupt ein Wesen, das sich ┌wahrnehmend und erfahrend┐
schaulichen. In der begrifflichen Erkenntnis dringt er bis zu den strengen Kausalgesetzen durch, die es ihm gestatten, in ungleich größerem Umfange und mit ungleich größerer Sicherheit, als dies sonst möglich wäre, den Lauf der künftigen Erscheinungen vorauszusehen, den Verlauf der vergangenen zu rekonstruieren, die
möglichen Verhaltungsweisen der umgebenden Dinge im voraus zu berechnen und sie sich praktisch zu unterwerfen. "Science d’où prévoyance, prévoyance d’où action", so spricht es Comte treffend aus. Wie vieles Leiden der einseitig überspannte Erkenntnistrieb dem einzelnen Forscher, und gar nicht selten, bringen mag:
schließlich kommen ┌die┐
In dem eben Ausgeführten war nun von Ökonomie des Denkens allerdings noch keine Rede. Aber dieser Ge
der Anpassung fordert. Ein Wesen ist offenbar um so zweckmäßiger konstituiert, d.h. seinen Lebensbedingungen um so besser angepaßt, je schneller und mit je geringerem Kraftaufwand es jeweils die für seine Selbstförderung notwendigen oder günstigen Leistungen zu vollführen vermag. Angesichts irgendwelcher
schüssige Kraft übrig behalten, neuen Schädlichkeiten entgegenzutreten bzw. neue Nützlichkeiten zu realisieren. Natürlich handelt es sich hier um vage, nur roh aufeinander abgestimmte und von uns abzuschätzende Verhältnisse, aber immerhin um solche, über die sich hinreichend bestimmt reden läßt, und die, mindestens
innerhalb gewisser Gebiete, im großen und ganzen lehrreich abzuwägen sind.
Sicher gilt dies von dem Gebiete der geistigen Leistungen. Nachdem sie als erhaltungsfördernd erkannt sind, kann man sie unter dem ökonomischen Gesichtspunkt betrachten und die tat
sächlich bei dem Menschen realisierten Leistungen teleologisch prüfen. Man kann auch, sozusagen a priori, gewisse Vollkommenheiten als denkökonomisch empfohlen dartun und sie dann in den Formen und Wegen unseres Denkverfahrens — sei es allgemein, sei es bei den fortgeschritteneren Geistern oder in den Methoden
der wissenschaftlichen Forschung — als realisiert nachweisen. Jedenfalls eröffnet sich hier eine Sphäre umfangreicher, dankbarer und lehrreicher Untersuchungen. Das Gebiet des Psychischen ist eben ein Teilgebiet der Biologie, und so bietet es denn nicht nur Raum für abstrakt-psychologische Forschungen, die, nach Art
der physikalischen, auf das Elementargesetzliche abzielen, sondern auch für konkret-psychologische und speziell für teleologische Forschungen. Diese letzteren konstituieren die psychische Anthropologie als das notwendige Gegenstück der physischen, sie betrachten den
Menschheit und in weiterer Folge in derjenigen des gesamten irdischen Lebens.
Speziell auf die Sphäre der Wissenschaft angewendet, kann der denkökonomische Gesichtspunkt bedeutsame Resultate ergeben, er kann helles Licht werfen auf die anthropologischen Gründe der
gebracht werden. Vortrefflich sagt Mach in dieser Hinsicht: "Wer Mathematik treibt, ohne sich in der angedeuteten Richtung Aufklärung zu verschaffen, muß oft den unbehaglichen Eindruck erhalten, als ob Papier und Bleistift ihn selbst an Intelligenz überträfen."
Es ist hier folgendes zu bedenken. Zieht man in Erwägung, wie beschränkt die intellektuellen Kräfte des Menschen sind, und des näheren, wie eng die Sphäre ist, innerhalb welcher sich die noch vollverständlichen Komplikationen abstrakter Begriffe halten, und wie anstrengend schon das bloße Verstehen derartiger, in
eigentlicher Weise vollzogener Komplikationen ist; überlegt man weiter, wie wir in ähnlicher Weise in der eigentlichen Auffassung des Sinnes auch nur mäßig komplizierter Satzzusammenhänge beschränkt sind und erst recht im wirklichen und einsichtigen Vollzuge von nur mäßig komplizierten Deduktionen; überlegt
man ┌endlich┐
ernstes Problem, wie mathematische Disziplinen möglich sind, Disziplinen, in welchen nicht relativ einfache Gedanken, sondern wahre Türme von Gedanken und tausendfältig ineinandergreifenden Gedankenverbänden mit souveräner Freiheit bewegt und durch Forschung in immer sich steigender Komplikation geschaf
fen werden.
Das vermag Kunst und Methode. Sie überwinden die Unvollkommenheiten unserer geistigen Konstitution und gestatten uns
gesichert sind. Alle hierher gehörigen Künstlichkeiten (welche man im Auge zu haben pflegt, wo in einem gewissen prägnanten Sinne überhaupt von Methode die Rede ist) haben den Charakter von denkökonomischen Vorkehrungen. Sie erwachsen historisch und individuell aus gewissen natürlichen denkökonomi
schen Prozessen, indem die praktisch-logische Reflexion des Forschers sich die Vorteile dieser zum einsichtigen Verständnis bringt, sie nun vollbewußt vervollkommnet, künstlich verknüpft und ┌auf solche┐
chen sind. Also auf einsichtigem Wege und mit beständiger Rücksicht auf die Besonderheit unserer geistigen Konstitution
fall uneinsichtig, sozusagen mecha
Diese weitgehende Reduktion der einsichtigen auf mechanische Denkprozesse, wodurch ungeheure Umkreise auf direktem Wege unvollziehbarer Denkleistungen auf einem indirekten Wege be
wältigt werden, beruht auf der psychologischen Natur des signi-tiv-symbolischen Denkens. Dieses spielt seine unermeßliche Rolle nicht bloß bei der Konstruktion blinder Mechanismen — nach Art der Rechenvorschriften für die vier Spezies und ebenso für höhere Operationen mit dekadischen Zahlen, wo das Resultat
(evtl. mit Hilfe von Tabellen für Logarithmen, trigonometrische Funktionen u. dgl.) ohne jede Mitwirkung einsichtigen Denkens hervorspringt — sondern auch in den Zusammenhängen einsichtigen Forschens und Beweisens. Da wäre z.B. zu erwähnen die merkwürdige Verdoppelung aller rein mathematischen Be
griffe, wonach, im besonderen in der Arithmetik, die allgemein
Operationsformen bestimmt ist; ein jedes gilt nun als ein bloßes Irgendetwas, mit dem in diesen bestimmten Formen auf dem Papiere so und so hantiert werden darf.
kens und sogar Forschens ausschließlich maßgebend. Sie bedeuten eine ungeheure Erleichterung desselben, sie versetzen es aus den mühseligen Höhen der
Anstrengung betätigen kann; etwa so wie in geregelten Spielen.
Im Zusammenhang damit wäre auch darauf hinzuweisen, wie in den rein mathematischen Disziplinen die denkökonomische Abwälzung des eigentlichen Denkens auf das stellvertretende signitive, zunächst ganz unvermerkt, zu formalen Verallgemeine
rungen der ursprünglichen Gedankenreihen, ja selbst der Wissenschaften Anlaß gibt, und wie auf diese Weise, fast ohne eigens darauf gerichtete Geistesarbeit, deduktive Disziplinen von unendlich erweitertem Horizont erwachsen. Aus der Arithmetik, die ursprünglich Anzahlen- und Größenzahlenlehre ist, entsteht
so, und gewissermaßen von selbst, die verallgemeinerte, formale Arithmetik, in Beziehung auf welche Anzahlen und Größen nur noch zufällige Anwendungsobjekte und nicht mehr Grundbegriffe sind. Indem die vollbewußte Reflexion hier nun ansetzt, erwächst als weitere Extension die reine Mannigfaltigkeitslehre, die der
Form nach alle möglichen deduktiven Systeme in sich faßt, und für welche daher selbst das Formensystem der formalen Arithmetik einen bloßen Einzelfall darstellt.
Die Analyse dieser und ähnlicher Methodentypen und die vollgültige Aufklärung ihrer Leistungen bildet vielleicht das schönste und jedenfalls das am wenigsten angebaute Feld einer Theorie der Wissenschaft, zumal aber der so wichtigen und lehrreichen Theo
rie der deduktiven (der im weitesten Sinne mathematischen) Methodik. Mit bloßen Allgemeinheiten, mit vager Rede von der stellvertretenden Funktion der Zeichen, von kraftersparenden Mechanismen und dergleichen ist es hierbei natürlich nicht getan; es bedarf überall tiefgehender Analysen, es muß für jede typisch ver
schiedene Methode die Untersuchung wirklich ausgeführt und die ökonomische Leistung
Hat man den Sinn der hier zu lösenden Aufgabe klar erfaßt, so gewinnen auch die für das vor- und außerwissenschaftliche Den
ken zu lösenden denkökonomischen Probleme neues Licht und neue Form. Eine gewisse Anpassung an die äußere Natur erfordert die Selbsterhaltung; sie verlangt, sagten wir, die Fähigkeit, die Dinge in gewissem Maße richtig zu beurteilen, den Lauf der Ereignisse vorauszusehen, kausale Abfolgen richtig ┌zu schätzen┐
u. dgl. Aber wirkliche Erkenntnis von alldem vollzieht sich erst, wenn überhaupt, in der Wissenschaft. Wie können wir nun doch praktisch richtig urteilen und schließen ohne Einsicht, die im ganzen nur die Wissenschaft, die Gabe weniger, zu bieten vermag? Den praktischen Bedürfnissen des vorwissenschaftlichen Lebens
dienen ja manche sehr komplizierte und leistungsfähige Ver-fahrungsweisen — man denke nur an das dekadische Zahlensystem. Sind sie ┌auch┐
Endwert mit dem, was Einsicht verlangt, Zusammentreffen können.
┌Überlegungen, wie wir sie┐
4 Zusatz von B.
den Weg. Um die Teleologie der vor- und außerwissenschaftlichen Verfahrungsweisen aufzuklären, wird man ┌zuAuf diese Weise ist also die m.E. wohlberechtigte und frucht
bare Idee der Denkökonomik mit einiger Bestimmtheit klargelegt, in allgemeinen Zügen sind die Probleme, die sie zu lösen, und die Hauptrichtungen, die sie einzuschlagen hat, angedeutet. Ihr Verhältnis zur Logik, im praktischen Sinne einer Kunstlehre wissenschaftlicher Erkenntnis, ist ohne weiteres verständ
lich. Offenbar bildet sie ein wichtiges Fundament dieser Kunstlehre, sie gibt ja wesentliche Behelfe zur Konstitution der Idee von technischen Methoden menschlicher Erkenntnis, zu nützlichen Spezialisierungen solcher Methoden, ┌so wie┐
Soweit diese Gedanken mit denen R. Avenarius’ und E. Machs Zusammengehen, besteht keine Differenz, und ich kann
ihnen freudig zustimmen. Wirklich bin ich der Überzeugung, daß man zumal E. Machs historisch-methodologischen Arbeiten eine Fülle logischer Belehrung verdankt, und dies auch dort, wo man seinen Konsequenzen nicht durch
möchte, fruchtbarsten Probleme der deduktiven Denkökonomik nicht in Angriff genommen, die ich oben in etwas kurzer, aber wohl hinreichend bestimmter Fassung zu formulieren versuchte. Und daß er dies nicht getan hat, liegt zum Teil jedenfalls an den erkenntnistheoretischen Mißdeutungen, die er seinen Untersu
chungen glaubte unterlegen zu ┌müssen┐
Machs Lehre von der Denkökonomie, ┌so wie┐
gen zwar Licht auf die praktische Erkenntnislehre, auf die Methodologie der wissenschaftlichen Forschung, keineswegs aber auf die reine Erkenntnislehre, speziell auf die idealen Gesetze der reinen Logik geworfen werden kann. Im Gegenteil scheint es aber in den Schriften der Mach-Avenariusschen Schule auf eine
Erkenntnistheorie mit denkökonomischer Begründung abgesehen zu sein. Gegen eine solche Auffassung bzw. Verwertung der Denkökonomik wendet sich natürlich das ganze Arsenal von Einwänden, das wir oben gegen den Psychologismus und Relativismus angelegt haben. Die denkökonomische Begründung der Erkennt
nislehre führt ja schließlich auf die psychologische zurück, und so
tatsachen der Psychologie herzuleiten, die ihrerseits für die Ableitung dieses Prinzips selbst schon vorausgesetzt sind, und
rendes rationales Prinzip, sondern die bloße Zusammenfassung eines Komplexes von Anpassungstatsachen ist, der — ideell — einer letzten Reduktion auf Elementartatsachen und Elementargesetze harrt, gleichgültig, ob wir sie werden leisten können oder nicht.
Der Psychologie teleologische Prinzipien als "Grundgesetze" unterlegen in der Absicht, die verschiedenen psychischen Funktionen durch sie zu erklären, das eröffnet nicht die Aussicht auf eine Förderung der Psychologie. Sicherlich ist es belehrend, die teleologische Bedeutung der psychischen Funktionen und der
wichtigeren psychischen Gebilde nachzuweisen; also im einzelnen nachzuweisen, wie und wodurch die tatsächlich sich bildenden Komplexionen psychischer Elemente jene Nützlichkeitsbeziehung zur Selbsterhaltung besitzen, die wir a priori erwarten. Aber das deskriptiv Gegebene in der Weise als "notwendige Folgen"
solcher Prinzipien hinstellen, daß der Anschein einer wirklichen Erklärung erweckt wird, und überdies im Zusammenhange wissenschaftlicher Darstellungen, welche vorwiegend dazu bestimmt sind, die letzten Fundamente der Psychologie bloßzulegen, das kann nur Verwirrung stiften.
Ein psychologisches oder erkenntnistheoretisches Gesetz, das von einem Bestreben spricht, in dem oder jenem möglichst viel zu leisten, ist ein Unding. In der reinen Sphäre der Tatsachen gibt es kein Möglichstviel, in der Sphäre der Gesetzlichkeit kein Streben. In psychologischer Hinsicht geschieht in jedem Falle ein
Bestimmtes, genau so viel und nicht mehr.
Das Tatsächliche des Ökonomieprinzips reduziert sich darauf, daß es so etwas wie Vorstellungen, Urteile und sonstige Denkerlebnisse gibt und in Verknüpfung damit auch Gefühle, die in Form der Lust gewisse Bildungsrichtungen
te Erfahrungen bilden und dann weiter die Zusammenbildung der Erfahrungen zu der ┌einen┐
für uns alle gemeinsamen Welt und der empirisch-blinde Glaube an ihr Dasein. Aber man beachte wohl: diese Welt ist nicht für jeden genau dieselbe, sie ist es nur im großen und ganzen, sie ist es nur so weit, daß die Möglichkeit gemeinsamer Vorstellungen und Handlungen praktisch zureichend gewährleistet ist. Sie ist
nicht dieselbe für den gemeinen Mann und den wissenschaftlichen Forscher; jenem ist sie ein Zusammenhang von bloß ungefährer Regelmäßigkeit, durchsetzt von tausend Zufällen, diesem ist sie die von absolut strenger Gesetzlichkeit durchherrschte Natur.
Es ist nun sicherlich ein Unternehmen von großer wissenschaft
licher Bedeutung, die psychologischen Wege und Mittel nachzuweisen, durch welche sich diese für die Bedürfnisse des praktischen Lebens (für die der Selbsterhaltung) hinreichende Idee einer Welt als Gegenstand der Erfahrung entwickelt und festsetzt; in weiterer Folge die psychologischen Wege und Mittel nachzu
weisen, durch welche sich im Geiste der wissenschaftlichen Forscher und Forschergenerationen die objektiv angemessene Idee einer streng gesetzlichen Erfahrungseinheit mit ihrem sich immerfort bereichernden wissenschaftlichen Inhalt bildet. Aber erkenntnistheoretisch ist diese ganze Untersuchung gleichgültig. Höch
stens indirekt kann sie der Erkenntnistheorie von Nutzen sein, nämlich zu Zwecken der Kritik erkenntnistheoretischer Vorurteile, bei welchen es auf die psychologischen Motive ja durchaus ankommt. Die Frage ist nicht, wie Erfahrung, die naive oder wissenschaftliche, ent
objektiv gültige Erfahrung zu sein; die Frage ist, welches die idealen Elemente und Gesetze sind, die solche objektive Gültigkeit realer Erkenntnis (und allgemeiner: von Erkenntnis überhaupt)
anderen gegenüberstellt, mit dem sie ihre Welt als die objektivwahre behauptet. Die Psychologie will einsichtig erklären, wie die Welt Vorstellungen sich bilden; die Weltwissenschaft (als Inbegriff der verschiedenen Realwissenschaften) einsichtig erkennen, was realiter, als wahre und wirkliche Welt, ist; die Erkennt
nistheorie aber ┌will┐
Der Schein, daß wir es beim Sparsamkeitsprinzip mit einem, sei es erkenntnistheoretischen, sei es psychologischen Prinzip zu tun haben, liegt ┌der Hauptsache nach┐
vermerkt supponiert wird. Wir erkennen es einsichtig als höchstes Ziel und als ideal berechtigte Tendenz aller über bloße Beschreibung hinausgehenden Erklärung, daß sie die an sich "blinden" Tatsachen (zunächst die eines begrifflich umschriebenen Gebietes) unter möglichst allgemeine Gesetze ordnet und in
diesem Sinne möglichst rationell zusammenfaßt. Hier ist das "möglichst viel" der "zusammenfassenden" Leistung völlig klar: es ist das Ideal der durchgreifenden und allbegreifenden Rationalität. Ordnet sich alles Tatsächliche nach Gesetzen, so muß es einen kleinsten Inbegriff möglichst allgemeiner und deduktiv
voneinander unabhängiger Gesetze geben,
Subsumtion vorausgesetzt wird). So erklären oder befassen die geometrischen Axiome als Grundgesetze die Gesamtheit der räumlichen Tatsachen; jede allgemeine Raumwahrheit (m.a.W. jede geometrische) erfährt durch sie eine evidente Reduktion auf ihre letzterklärenden Gründe.
Dieses Ziel bzw. Prinzip größtmöglicher Rationalität erkennen wir also einsichtig als das höchste der rationalen Wissenschaften. Es ist evident, daß die Erkenntnis allgemeinerer Gesetze als jener, die wir jeweils schon besitzen, wirklich das Bessere wäre, sofern sie eben auf tiefere und weiter umfassende Gründe ┌zurückleite
ten┐
größtmöglicher Rationalität mit einer biologischen Anpassungstendenz zu identifizieren oder aus ihr abzuleiten, ihr dann noch die Funktion einer psychischen Grundkraft aufzuladen — das ist eine Summe von Verirrungen, die nur in den psychologistischen Mißdeutungen der logischen Gesetze und in deren Auffassung als
Naturgesetze ihre Parallele findet. Zu sagen, unser psychisches Leben werde durch dieses Prinzip faktisch regiert, das widerspricht auch hier der offenkundigen Wahrheit; unser faktisches Denken läuft eben nicht nach Idealen — als ob überhaupt Ideale so etwas wie Naturkräfte wären.
Die ideale Tendenz des logischen Denkens als solchen
rational denken sollen, und meint er überhaupt, den objektiven Wert und Sinn rationaler Wissenschaft aufgeklärt zu haben. Ge
Vergleich des tatsächlichen Denkens mit der einsichtig erkannten idealen Norm, die sonach das πρότερον τῇ φύσει ist. Die ideale Geltung der Norm ist die Voraussetzung jeder sinnvollen Rede von Denkökonomie, also ist sie kein mögliches Erklärungsergebnis der Lehre von dieser Ökonomie. Wir messen das em
pirische Denken am idealen und konstatieren, daß ersteres in einigem Umfange faktisch so verläuft, als ob es von den idealen Prinzipien einsichtig geleitet wäre. Demgemäß sprechen wir mit Recht von einer natürlichen Teleologie unserer geistigen Organisation als von einer Einrichtung derselben, der zufolge unser Vor
stellen und Urteilen im großen und ganzen (nämlich für die durchschnittliche Lebensförderung genügend) so verläuft, als ob es logisch geregelt wäre. Die wenigen Fälle wirklich einsichtigen Denkens ausgenommen, trägt es in sich selbst nicht die Gewähr logischer Gültigkeit, es ist nicht in sich einsichtig oder indirekt
von vorgängiger Einsicht zweckvoll geordnet. Aber es ist faktisch von einer gewissen scheinbaren Rationalität, es ist so, daß wir Denkökonomen, über die Wege des empirischen Denkens reflektierend, einsichtig nachweisen können, daß solche Denkwege überhaupt Ergebnisse liefern müssen, die mit den streng logischen
— im rohen Durchschnitt — Zusammentreffen; wie wir dies oben erörtert haben.
Man erkennt also das ὕστερον πρότερον. Vor aller
hänge, was Grundgesetze und abgeleitete Gesetze u. dgl. idealiter sind und leisten, ehe wir die denkökonomische Funktion ihrer Erkenntnis erörtern und abschätzen können. Allerdings haben wir gewisse vage Begriffe von diesen Ideen schon vor ihrer wissenschaftlichen Erforschung, und so mag denn auch von Denkökono
mie die Rede sein vor dem Ausbau einer Wissenschaft der reinen Logik. Aber die wesentliche Sachlage wird dadurch nicht geändert, an sich geht die reine Logik aller Denkökonomik vorher, und es bleibt Widersinn, jene auf diese zu gründen.
Noch eines. Selbstverständlich verläuft auch alles wissenschaft
eine bloße "Fortsetzung" der natürlichen und blinden darstellen zu können. Man mag immerhin, obschon dies nicht ganz unbedenklich ist, von "natürlichen" wie von logischen Theorien sprechen. Dann darf man aber nicht übersehen, daß die logische Theorie im wahren Sinne keineswegs dasselbe tut, nur in einiger
Steigerung tut, wie die natürliche. Sie hat nicht dasselbe Ziel — oder vielmehr: sie hat ein Ziel, und in die "natürliche Theorie" tragen wir es erst hinein. An den logischen und eigentlich so zu nennenden Theorien messen wir, wie oben gezeigt, gewisse natürliche (und das heißt hier uneinsichtige) Denkprozesse, die wir
natürliche Theorien nur darum nennen, weil sie psychologische Ergebnisse zeitigen, die so sind, als ob sie logisch einsichtigem Denken entsprossen, als ob sie wirklich Theorien wären. Unwillkürlich verfallen wir mit dieser Benennung aber in den Fehler, die wesentlichen Eigenheiten wirklicher Theorien solchen "natür
lichen" zu unterschieben, das eigentlich Theoretische sozusagen in sie hineinzuschauen. Als
sammenhang, der in ihr waltet; während, was hier natürliche Theorie heißt, ein Verlauf zufälliger Vorstellungen oder Überzeugungen ist, ohne einsichtigen Zusammenhang, ohne bindende Kraft, aber praktisch von einer durchschnittlichen Nützlichkeit, als ob so etwas wie Theorie zugrunde läge.
Die Irrtümer dieser denkökonomischen Richtung entspringen schließlich daraus, daß das Erkenntnisinteresse ihrer Vertreter — wie der Psychologisten überhaupt — an der empirischen Seite der Wissenschaft hängen bleibt. Sie sehen gewissermaßen vor lauter Bäumen den Wald nicht. Sie mühen sich mit der Wissen
schaft als biologischer Erscheinung und merken nicht, daß sie das erkenntnistheoretische Problem der Wissenschaft als einer idealen Einheit objektiver Wahrheit gar nicht berühren. Die vergangene Erkenntnistheorie, die im Idealen noch ein Problem sah, gilt ihnen als Verirrung, die nur noch in einer Weise ein würdiger Gegen
me und Hauptrichtungen zur philosophischen Mode zu werden droht, um so mehr muß die
Denkrichtungen in den Sphären des Realen und Idealen, jene einsichtige Klärung anzubahnen, welche die Voraussetzung für eine endgültige Fundamentierung der Philosophie ist. Und dazu hofft auch die vorhegende Schrift ein Kleines beizutragen.
Unsere bisherigen Untersuchungen waren vorwiegend kritisch. Die Unhaltbarkeit einer jeden, wie immer gearteten Form von empiristischer oder psychologistischer Logik glauben wir durch sie dargetan zu haben. Die Logik im Sinne einer wissenschaftlichen Methodologie hat ihre vornehmsten Fundamente außer
halb der Psychologie. Die Idee einer "reinen Logik" als einer theoretischen, von aller Empirie, also auch Psychologie, unabhängigen Wissenschaft, welche eine Technologie des wissenschaftlichen Erkennens (die Logik im gemeinen theoretisch-praktischen Sinne) allererst ermöglicht, muß als triftig zugestanden, die un
abweisbare Aufgabe, sie in ihrer Selbständigkeit aufzubauen, muß ernstlich in Angriff genommen werden. — Dürfen wir uns mit diesen Ergebnissen begnügen, ja dürfen wir hoffen, daß sie als Ergebnisse anerkannt werden? Also die Logik unserer Zeit hätte sich in untriftigen Bahnen vergeblich abgemüht — diese ihrer Erfolge ge
wisse, von so bedeutenden Forschern bearbeitete und durch weitverbreitete Anerkennung ausgezeichnete Wissenschaft?
das wankende Vertrauen wiederherzustellen. Man wird sich sagen, es muß doch wohl
Untersuchungen zu modifizieren sein. Es mag ja wirklich etwas für sich haben, die paar ┌rein logischen┐
tion empfindet, aber nicht den nötigen Mut der Konsequenz besitzt, zufrieden geben.
Die radikale Umgestaltung, welche die Logik im Sinne unserer Auffassung notwendig erfahren muß, dürfte übrigens schon darum auf Antipathie und Mißtrauen stoßen, weil sie leicht, zumal
bei oberflächlicher Betrachtung, als die pure Reaktion erscheinen könnte. Daß es auf dergleichen nicht abgesehen ist, daß die Wiederanknüpfung an berechtigte Tendenzen der älteren Philosophie nicht eine Restitution der traditionellen Logik ins Werk setzen will, dies müßte sich allerdings schon im genaueren
Hinblick auf den Inhalt unserer Analysen herausstellen; aber schwerlich dürften wir viel Hoffnung darauf setzen, durch solche Hinweise alles Mißtrauen überwinden und der Mißdeutung unserer Intentionen Vorbeugen zu können.
Auch der Umstand, daß wir in der Lage sind, uns auf die Autorität großer Denker, wie Kant, Herbart
eher dazu beitragen, das Mißtrauen zu verstärken.
Wir finden uns, dem Allgemeinsten nach, auf Kants Scheidung der reinen und angewandten Logik zurückgeführt. In der Tat, den hervorstechendsten seiner diesbezüglichen Äußerungen können wir zustimmen. Freilich nur unter passenden Kautelen.
Z.B. jene verwirrenden mythischen Begriffe, die Kant so sehr
Denkverhaltens, setzen in ihrem Begriffe die reine Logik — die ja das Normale definiert — voraus, und so wären wir, ernstlich auf sie rekurrierend, nicht eben klüger, als wenn wir in analogem Falle die Tanzkunst durch das Tanzvermögen (sc. das Vermögen kunstvoll zu tanzen), die Malkunst durch das Malvermögen usw.
erklären wollten. Die Termini Verstand und Vernunft nehmen wir vielmehr als bloße Anzeigen für die Richtung auf die "Denkform" und ihre idealen Gesetze, welche die Logik im Gegensatz zur empirischen Psychologie der Erkenntnis einzuschlagen hat. Also nach derartigen Einschränkungen, Deutungen, näheren Be
stimmungen fühlen wir uns Kants Lehren nahe.
Aber muß nicht eben diese Zusammenstimmung die Wirkung haben, unsere Auffassung der Logik zu kompromittieren? Die reine Logik (die eigentlich nur allein Wissenschaft sei) soll nach Kant ┌"kurz und trocken" sein, "wie es die schulgerechte
Darstellung einer Elementarlehre des Verstandes erfordert."┐
dem Gedanken dieser Zurückschraubung der Wissenschaft auf den Standpunkt der aristotelisch-scholastischen Logik wird sich niemand ┌befreunden┐
scholastische Ausspinnung der Syllogistik, eingeleitet von einigen feierlich vorgetragenen Begriffsbestimmungen — das ist keine eben erhebende Aussicht.
Wir würden darauf natürlich entgegnen: Daß wir uns Kants Auffassung der Logik näher fühlen als etwa derjenigen Mills
daß er das Wesen der intendierten Disziplin klar durchschaut und sie selbst, nach ihrem angemessenen Gehalt, zur Darstellung gebracht hat.
Näher als Kant steht uns übrigens Herbart und hauptsäch
lich darum, weil bei ihm ein kardinaler Punkt ┌zu schärferer Hervorhebung gelangt┐
Stellung in ┌rein logischem┐
"Jedes Gedachte" — so heißt es z.B. in dem psychologischen Hauptwerke
griffe zueignen, während außerdem der Begriff des Menschen,
der verschiedenen Akte des Denkens, wodurch, psychologisch betrachtet, ein Begriff erzeugt und hervorgebracht wird." "Die entia der älteren Philosophie, selbst noch bei Wolff, sind", ┌so┐
gehört hierher. Er bedeutet nichts anderes, als: die Begriffe sind etwas völlig Unzeitliches; welches von ihnen in allen ihren logischen Verhältnissen wahr ist, daher auch die aus ihnen gebildeten wissenschaftlichen Sätze und Schlüsse für die Alten, so wie für uns
Stellung, welche den Begriff in logischer Bedeutung zu ihrem Vorgestellten hat; oder durch welche der letztere (das Vorzustellende) wirklich vorgestellt wird. So genommen, hat nun allerdings ein jeder seine Begriffe für sich; Archimedes untersuchte seinen eigenen Begriff vom Kreise, und Newton gleichfalls den seinigen; es waren
dies zwei Begriffe im psychologischen Sinne, wiewohl in logischer Hinsicht nur ein einziger für alle Mathematiker."
Ähnliche Ausführungen finden wir im 2. Abschnitt des Lehrbuchs zur Einleitung in die Philosophie. Gleich der erste Satz lautet:
als Tätigkeiten unseres Geistes, teils in Hinsicht dessen, was durch sie gedacht wird. In letzterer Beziehung heißen sie Begriffe, welches Wort, indem es das Begriffene bezeichnet, zu abstrahieren gebietet von der Art und Weise, wie wir den Gedanken empfangen, produzieren ┌und┐
a. a. O. leugnet Herbart, daß
zwei Begriffe vollkommen gleich sein können; denn sie "würden sich in Hinsicht dessen, was durch sie gedacht wird, nicht unterscheiden, sie würden sich also
rufen, von unzähligen
Naturgeschichte des Verstandes und glauben, dessen angeborene Gesetze und Denkformen in ihr zu erkennen, wodurch die Psychologie verdorben wird." "Man kann", heißt es an einer anderen Stelle,
gen Lehren, von den Oppositionen und Subordinationen der Begriffe bis zu den Kettenschlüssen, irgendetwas Psychologisches voraussetzen. Die ganze reine Logik hat es mit Verhältnissen des Gedachten, des Inhalts unserer Vorstellungen (obgleich nicht speziell mit diesem Inhalte selbst) zu tun; aber überall nirgends mit der Tätigkeit 40 des Denkens, nirgends mit der psychologischen, also metaphysischen, Möglichkeit desselben. Erst die angewandte Logik bedarf, gerade so wie die angewandte Sittenlehre, psychologischer Kenntnisse, insofern
In dieser Hinsicht finden wir manche lehrreiche und wichtige Ausführungen, welche die moderne Logik mehr beiseite gescho
ben, als ernstlich erwogen hat. Aber auch diese Anknüpfung an Herbarts Autorität will nicht mißverstanden sein. Sie meint nichts weniger als Rückkehr zur Idee und Behandlungsweise der Logik, die Herbart vorgeschwebt, und die sein gediegener Schüler Drobisch in so hervorragender Weise realisiert hat.
Gewiß hat Herbart, besonders in dem oben angezogenen Punkte, in der Betonung der Idealität des Begriffs, große Verdienste. Schon die Prägung seines Begriffes vom Begriff ist
über bloß vereinzelte und unvollkommen gereifte
Schon das war schädlich, daß Herbart die fundamentale
Äquivokation von Ausdrücken wie Inhalt, Vorgestelltes, Gedachtes, nicht bemerkt hat, wonach sie einerseits den idealen, identischen Bedeutungsgehalt der entsprechenden Ausdrücke, und andererseits das jeweilig vorgestellte Gegenständliche bezeichnen. Das einzig klärende Wort in der Bestimmung des Be
griffes vom Begriff hat Herbart, soweit ich sehe, nicht gesprochen, nämlich daß Begriff oder Vorstellung im logischen Sinne nichts anderes ist als die identische Bedeutung der entsprechenden Ausdrücke.
Wichtiger aber ist das Grundversehen Herbarts, vermöge
dessen er das Wesentliche der Idealität des logischen Begriffs in seine Normalität setzt. Dadurch verschiebt sich ihm der Sinn der wahrhaften und echten Idealität, der Bedeutungseinheit in der verstreuten Erlebnis-Mannigfaltigkeit. Gerade der fundamentale Sinn der Idealität, nach dem sich Ideales und Reales
eine unüberbrückbare Kluft scheiden, geht verloren, und der ihm unterschobene der Normalität verwirrt die logischen Grundauf
reinen, theoretischen Wissenschaft, die hinter dieser Moral steckt (und ähnlich bei der Moral im gemeinen Sinne), hat er keine Vorstellung und noch weniger von dem Umfange und den natürlichen Grenzen
Herbarts Logik nicht unberechtigt der Vorwurf der Dürftigkeit, ganz ebenso wie die Kantsche und
hang mit jenem fundamentalen Versehen die Verirrung der Herbartschen Erkenntnistheorie, die sich ganz unfähig zeigt, das scheinbar so tiefsinnige Problem der Harmonie zwischen dem subjektiven Verlauf des logischen Denkens und dem realen der äußeren Wirklichkeit als das zu erkennen, was es ist, und als was
wir es späterhin nachweisen werden, nämlich als ein aus Unklarheit erwachsenes Scheinproblem.
All das gilt auch von den Logikern der Herbartschen Einflußsphäre und speziell auch von Lotze, der manche Anregungen Herbarts aufgenommen, mit großem Scharfsinn durchdacht
und originell weiter ausgeführt hat. Wir verdanken ihm viel; aber leider finden wir auch seine schönen Anläufe durch die Herbart-sche Verwirrung der ┌spezifischen┐
wird hierdurch zu einem unharmonischen Zwitter von psycholo-gistischer und reiner Logik.
Unter den großen Philosophen, auf welche die hier vertretene Auffassung der Logik zurückweist, nannten wir oben auch Leibniz. Ihm stehen wir relativ am nächsten. Auch Herbarts
logischen Überzeugungen finden wir uns nur inso
┌eins┐
Das treibende Motiv zu Beginn der neueren Philosophie, die Idee einer Vervollkommnung und Neugestaltung der Wissen
schaften, ┌führte┐
wahre Hilfen zu bieten vermöchte.
Ich folge hier den Andeutungen in den Nouveaux Essais, L. IV, ch. XVII. Vgl. z. B. § 4, Opp. phil., Erdm. 395a, wo die Lehre von den syllogistischen Formen, erweitert zur ganz allgemeinen Lehre von den
les collèges, mais tout raisonnement qui conclut par la force de la forme, et où l’on n’a besoin de suppléer aucun article; de sorte qu’un sorites, un autre tissu de syllogisme, qui evite la répétition, même un compte bien dressé, un calcul d'Algèbre, une analyse des infinitésimales me seront à peu
prédémontrée, en sorte qu’on est sûr de ne s’y point tromper." Die Sphäre der hier konzipierten Mathématique universelle wäre also sehr viel weiter als die Sphäre des logischen Kalküls, mit dessen Konstruktion sich Leibniz viel mühte, ohne damit ganz zu Rande zu
ganze Mathesis universalis im gewöhnlichen quantitativen Sinne mitbefassen (welche Leibnizens engsten Begriff von Mathesis universalis ausmacht), zumal er die rein mathematischen Argumente auch sonst wiederholt als "argumenta in forma" bezeichnet hat. Desgleichen müßte aber auch dahin gehören die Ars combinatoria, seu Speciosa
generalis, seu doctrina de formis abstracta (vgl. die mathematischen Schriften der Pertzschen Ausgabe Bd. VII, S. 24, 49 ff., 54, 159, 205 ff., u. ö.), die den fundamentalen Teil der Mathesis universalis in einem weiteren, aber nicht in dem obigen weitesten Sinne ausmacht, während diese selbst von der Logik als subordiniertes Gebiet unter
schieden wird. Die für uns besonders interessante Ars combinatoria definiert Leibniz a. a. O. VII, S. 61 als "doctrina de formulis seu ordi-nis, similitudinis, relationis etc. expressionibus in Universum". Sie wird hier als scientia generalis de qualitate der scientia generalis de quantitate (der allgemeinen Mathematik im gewöhnlichen Sinn) gegenüberge
stellt. Vgl. dazu die wertvolle Stelle in Gerhardts Ausgabe der philos. Schriften, Bd. VII, S. 297 f.: "Ars Combinatoria speciatim mihi illa est scientia (quae etiam generaliter characteristica sive speciosa dici posset), in qua tractatur de rerum formis sive formulis in universum, hoc est de qualitate in genere sive de simili et dissimili, prout aliae
atque aliae formulae ex ipsis a, b, c etc. (sive quantitates sive aliud quod-dam repraesentent) inter se combinatis oriuntur, et distinguitur ab Algebra quae agit de formulis ad quantitatem applicatis, sive de aequali et inaequali. Itaque Algebra subordinatur Combinatoriae, ejusque regulis continue utitur, quae tamen longe generaliores sunt, nec in Algebra tan-40 tum sed et in arte deciphratoria, in variis ludorum generibus, in ipsa geometria lineariter ad veterum morem tractata, denique in omnibus ubi similitudinis ratio habetur locum habent." — Die seiner Zeit so weit vorauseilenden Intuitionen Leibnizens erscheinen dem Kenner der modernen "formalen" Mathematik und der mathematischen Logik als 45 scharf begrenzt und in hohem Grade bewundernswert. Letzteres betrifft, wie ich aus|drücklich bemerke, auch Leibnizens Fragmente
Zugleich weist Leibniz in wiederholten und nachdrücklichen
Förderungen des empirischen Denkens und dessen logischer Kritik.
(syllogistischen und asyllogistischen) Schlüsse, in genialen Intuitionen vorausgesehen. Er ist durch seine Combinatoria auch der geistige Vater der reinen Mannifaltigkeitslehre, dieser der reinen Logik nahestehenden, ja mit ihr innig vereinten Disziplin. (Vgl. unten § 69 und 70, S. 247ff.).
Mit ┌alledem┐
von mathematischer Form, die als solche, ganz so wie etwa die reine Arithmetik, den Beruf zur praktischen Erkenntnisregelung ohne weiteres in sich schließt.
Doch man wird Leibnizens Autorität noch weniger gelten
lassen als diejenige Kants oder Herbarts, zumal er den großen
geführte und vermeintlich ergebnisreiche und gesicherte Wissenschaft. Und ihre Wirkung muß um so geringer sein, als bei ihnen ein hinreichend abgeklärter und positiv ausgebauter Begriff von der fraglichen Disziplin fehlt. Es ist klar: Wollen wir nicht auf halbem Wege stehen bleiben und unsere kritischen Überlegungen
nicht der Gefahr der Unfruchtbarkeit aussetzen, so müssen wir uns der Aufgabe unterziehen, die Idee der reinen Logik auf hinreichend breiter Basis zu konstruieren. Nur dadurch, daß wir in sachhaltigen Einzelausführungen eine genauer umrissene Vorstellung von dem Gehalt und Charakter ihrer
wesentlichen Untersuchungen bieten und ihren Begriff bestimmter herausarbeiten, können wir das Vorurteil beseitigen, als ob sie es mit einem geringfügigen Gebiet von ziemlich trivialen Sätzen zu tun habe. Wir werden im Gegenteil sehen, daß die Ausdehnung der Disziplin sehr beträchtlich ist, und zwar nicht bloß im Hin
blick auf ihren Gehalt an systematischen Theorien, sondern vor allem im Hinblick auf die schwierigen und wichtigen Untersuchungen, welche für ihre philosophische Grundlegung und Schätzung erforderlich sind.
Übrigens wäre die vermeintliche Geringfügigkeit des rein logi
schen Wahrheitsgebietes für sich allein kein Argument für seine Behandlung als eines bloßen Behelfes der logischen Kunstlehre. Es ist ein Postulat des rein theoretischen Interesses, das, was in sich eine theoretisch geschlossene Einheit
außenliegende Zwecke, darzustellen. Haben übrigens die bisherigen Untersuchungen zum mindesten dies klargestellt, daß ein richtiges Verständnis des Wesens der reinen Logik und ihrer einzigartigen Stellung zu allen anderen Wissenschaften eine der
Erkenntnistheorie nur nicht als eine Disziplin verstanden werden, welche der Metaphysik nachfolgt oder gar mit ihr koinzidiert, sondern welche ihr, wie der Psychologie und allen anderen Disziplinen, vorhergeht.
Wie weit der Abstand auch ist, der meine Auffassung der Logik von derjenigen F. A. Langes trennt, darin bin ich mit ihm einig und sehe ich ein Verdienst um unsere Disziplin, daß er in einer Zeit vorherrschender Unterschätzung der reinen Logik mit Entschiedenheit für
die Überzeugung eingetreten ist, daß "die Wissenschaft von dem Versuch einer abgesonderten Behandlung der rein formalen Elemente der Logik eine wesentliche Förderung zu erwarten habe".
freilich nicht zu wesenhafter Klarheit zu bringen vermochte. Nicht ohne Grund gilt ihm die Absonderung der reinen Logik als Auslösung derjenigen Lehren, die er als "das
Und sehr beherzigenswert ist, was er dann beifügt: "Die bloße Tatsache des Vorhandenseins zwingender Wahrheiten ist eine so wichtige, daß jede Spur derselben sorgfältig verfolgt werden muß. Eine Unterlassung dieser Untersuchung wegen des geringen Wertes der formalen Logik oder wegen ihrer Unzulänglichkeit als Theorie des
menschlichen Denkens müßte von diesem Standpunkte aus zunächst schon als Verwechslung theoretischer und praktischer Zwecke zurückgewiesen werden. Ein solcher Einwand wäre etwa so anzusehen, wie wenn ein Chemiker sich weigern wollte, einen zusammengesetzten Körper zu analysieren, weil derselbe in seinem zusammenge
System a priori gültiger Wahrheiten die höchste Beachtung zukommt."
Während Lange für die Idee einer rein formalen Logik so warm eintrat, hatte er keine Ahnung, daß sie längst schon in relativ hohem Maße realisiert war. Ich meine natürlich nicht die vielen Darstellungen
der formalen Logik, welche zumal in den Schulen Kants und Herbarts erwuchsen, und welche ┌den Ansprüchen, die sie erhoben, nur zu wenig entsprachen┐
an systematischen Entwürfen der Logik darbietet. Zwar hat Bolzano die selbständige Abgrenzung einer reinen Logik in unserem Sinne nicht ausdrücklich erörtert und befürwortet; aber de facto hat er sie in den beiden ersten Bänden seines Werkes, nämlich als Unterlage einer Wissenschaftslehre im Sinne seiner Auffassung, in einer Reinheit und
wissenschaftlichen Strenge dargestellt und mit einer solchen Fülle von originellen, wissenschaftlich gesicherten und jedenfalls fruchtbaren Gedanken ausgestattet, daß er
danken und Grundauffassungen teilt, und dem er philosophisch auch sonst zunächst steht. Freilich hat auch er den Reichtum der logischen Intuitionen Leibnizens nicht ganz ausgeschöpft, zumal nicht in Hinsicht auf die mathematische Syllogistik und die mathesis univer-salis. Doch war vom Nachlaß Leibnizens damals noch zu wenig be
kannt, und es fehlte die "formale" Mathematik und Mannigfaltigkeitslehre als der Schlüssel des Verständnisses.
Mit jeder Zeile bewährt sich Bolzano in seinem bewundernswerten Werke als der scharfsinnige Mathematiker, der in der Logik denselben Geist wissenschaftlicher Strenge walten läßt, den er selbst
erste in die theoretische Behandlung der Grundbegriffe und Grundsätze der mathematischen Analysis eingeführt, und die er hierdurch auf eine neue Basis gestellt hat: ein Ruhmestitel, den einzuzeichnen die Geschichte der Mathematik nicht vergessen hat. Von der tiefsinnigen Vieldeutigkeit der ┌Systemphilosophie┐
ausging, gedankenvolle Weltanschauung und Weltweisheit als theo
sind von mathematischer Schlichtheit und Nüchternheit, aber auch von mathematischer Klarheit und Strenge. Erst ein tieferes Eingehen auf Sinn und Zweck dieser Bildungen im Ganzen der Disziplin enthüllt, welch große Geistesarbeit und Geistesleistung in den nüchternen Bestimmungen oder den formelhaften Darstellungen steckt. Dem in den
Vorurteilen, in den Denk- und Sprechgewohnheiten der idealistischen Schulen erwachsenen Philosophen — und so ganz ┌sind wir alle noch nicht ihren Nachwirkungen┐
sich die Logik als Wissenschaft aufbauen, aus ihm muß sie lernen, was ihr nottut: mathematische Schärfe der Unterscheidungen, mathematische Exaktheit in den Theorien. Sie wird dann auch einen anderen Standpunkt für die Schätzung der "mathematisierenden" Theorien der Logik gewinnen, welche die Mathematiker,
Mißachtung unbekümmert, so erfolgreich aufbauen. Denn dem Geist der Bolzanoschen Logik fügen sie sich durchaus ein, obschon Bolzano selbst sie noch nicht geahnt hat. Jedenfalls wird einem künftigen Geschichtsschreiber der Logik nicht mehr das Versehen des sonst so gründlichen Ueberweg unterlaufen dürfen, ein Werk vom Range
der Wissenschaftslehre auf eine Stufe zu stellen mit — Knigges Logik für Frauenzimmer.
So sehr Bolzanos Leistung aus ┌einem┐
wähnen, so sind besonders empfindlich die Mängel in erkenntnistheoretischer Richtung. Es fehlen (oder es sind ganz unzureichend) die Untersuchungen, welche die eigentlich philosophische Verständlich-machung der logischen Denkleistungen, und damit die philosophische Schätzung der logischen Disziplin selbst, betreffen. Diesen Fragen
kann allenfalls der Forscher ausweichen, der in sicher abgegrenztem Gebiet, wie der Mathematiker, Theorie auf Theorie baut, ohne sich um die Prinzipienfragen viel kümmern zu müssen; nicht aber, wer vor der Aufgabe steht, ┌demjenigen┐
Bolzanos lehren, daß es sich bei ihnen keineswegs um bloße Kommentationen oder kritisch nachbessernde Darstellungen Bolzanoscher Gedankenbildungen handelt, obschon sie andererseits ┌entscheidende Anstöße┐
Um wenigstens ein vorläufiges, durch einige charakteristische Züge bestimmtes Bild des Zieles zu erlangen, dem die im II.
┌Bande┐
Wissenschaft ist zunächst eine anthropologische Einheit, nämlich Einheit von Denkakten, Denkdispositionen nebst gewissen
stimmt, ist hier nicht unser Interesse. Dieses geht vielmehr darauf, was Wissenschaft zur Wissenschaft macht, und das ist jedenfalls nicht der psychologische und überhaupt reale Zusammenhang, dem sich die Denkakte einordnen, sondern ein gewisser objektiver oder idealer Zusammenhang, der ihnen einheitliche ge
genständliche Beziehung und in dieser Einheitlichkeit auch ideale Geltung verschafft.
Doch es bedarf hier größerer Bestimmtheit und Klarheit. Unter dem objektiven Zusammenhang, der das wissenschaftliche Denken ideell durchzieht, ihm und so der Wissenschaft als solcher
"Einheit" gibt, kann Doppeltes verstanden werden: Der Zusammenhang der Sachen, auf welche sich die Denkerlebnisse
und voneinander unablösbar. Es kann nichts sein, ohne so oder so bestimmt zu sein; und daß es ist und so oder so bestimmt ist, dies ist eben die Wahrheit an sich, welche das notwendige Korrelat des Seins an sich bildet. Offenbar gilt dasselbe, was von einzelnen Wahrheiten bzw. Sachverhalten gilt, auch von Zu
sammenhängen von Wahrheiten bzw. von Sachverhalten. Diese evidente Unabtrennbarkeit ist aber nicht Identität. In den bezüglichen Wahrheiten oder Wahrheitszusammenhängen ┌prägt sich das wirkliche Bestehen der Sachen und sachlichen Zusammenhänge aus┐
als die Zusammenhänge der Sachen, die in jenen ┌"wahrhaft"┐
Um Mißverständnisse nicht aufkommen zu lassen, betone ich ausdrücklich, daß die Wörter Gegenständlichkeit, Gegenstand, Sache
Ideales, ebensowohl ein Ding oder ein Vorgang wie eine Spezies oder eine mathematische Relation, ebensowohl ein Sein wie ein Seinsollen. Dies überträgt sich von selbst auf Ausdrücke wie Einheit der Gegenständlichkeit, Zusammenhang der Sachen und dergleichen.
Gegeben sind uns diese beiden, nur abstraktiv ohne ein
ander zu denkenden Einheiten — die Einheit der Gegenständlichkeit auf der einen, die der Wahrheit auf der anderen Seite — im Urteil oder genauer in der Erkenntnis. Dieser Ausdruck ist weit genug, um wie die einfachen Erkenntnisakte, so alle wie immer komplizierten, logisch einheitlichen Erkenntniszusammen
hänge in sich zu fassen: ein jeder als Ganzes ist selbst ein Er
strengsten Sinne, d. h. urteilen wir mit Evidenz, so ist das Gegenständliche ┌originär┐
ger dieser Eigenschaften, als Glied dieser Relationen u. dgl. Er ist nicht bloß vermeintlich, sondern wirklich so beschaffen, und als wirklich so beschaffener ist er unserer Erkenntnis gegeben; das heißt aber nichts anderes: als solcher ist er nicht bloß überhaupt gemeint (geurteilt), sondern erkannt; oder; daß er so ist, ist
aktuell gewordene Wahrheit, ┌vereinzelt im Erlebnis des evidenten Urteils┐
relat des flüchtigen subjektiven Erkenntnisaktes, als die ┌eine┐
Den Erkenntniszusammenhängen entsprechen idealiter Zusammenhänge von Wahrheiten. Sie sind, passend verstan
den, nicht nur Komplexe von Wahrheiten, sondern komplexe Wahrheiten, die somit selbst, und zwar als ganze, dem Begriff der Wahrheit unterstehen. Dahin gehören auch die Wissenschaften, das Wort objektiv genommen, also im Sinne der geeinigten Wahrheit. Bei der allgemeinen Korrelation, die
zwischen Wahrheit und Gegenständlichkeit besteht, entspricht auch der Einheit der Wahrheit in einer und derselben Wissenschaft eine einheitliche Gegenständlichkeit: es ist die Einheit des
men erscheint. (Vgl. den Schluß des § 64, S. 236.)
Es fragt sich nun, was die Einheit der Wissenschaft und damit auch die Einheit des Gebietes bestimmt. Denn nicht jede Zusammenfügung von Wahrheiten zu einem Wahrheitsver
bande, die ja auch eine ganz äußerliche bleiben könnte, macht eine Wissenschaft. Zur Wissenschaft gehört, so sagten wir im ersten Kapitel,
Gehöriges hinweist, aber nicht sagt, welcher Art Einheit von Begründungen Wissenschaft ausmacht.
Wissenschaftliche Erkenntnis ist als solche Erkenntnis aus
dem Grunde. Den Grund von etwas erkennen, heißt die Notwendigkeit davon, daß es sich so und so verhält, einsehen. Die Notwendigkeit als objektives Prädikat einer Wahrheit (die dann notwendige Wahrheit heißt) bedeutet soviel wie gesetzliche Gültigkeit des bezüglichen Sachverhaltes.
als gesetzmäßigen oder seine Wahrheit als notwendig geltende einsehen, und Erkenntnis vom Grunde des Sachverhaltes bzw. seiner Wahrheit haben, das sind äquivalente Aus
zu bezeichnen, aus dem eine Klasse notwendiger Wahrheiten entspringt.
Die Wahrheiten zerfallen in individuelle und generelle. Die ersteren enthalten (explizite oder implizite) Behauptungen über wirkliche Existenz individueller Einzelheiten, während die
letzteren davon völlig frei sind und nur die (rein aus Begriffen) mögliche Existenz von Individuellem zu erschließen gestatten.
Individuelle Wahrheiten sind als solche zufällig. Spricht man hei ihnen von Erklärung aus Gründen, so handelt es sich darum, ihre Notwendigkeit unter gewissen vorausgesetzten Um
ständen nachzuweisen. Ist nämlich der Zusammenhang einer Tatsache mit anderen Tatsachen ein gesetzlicher, so ist ihr Sein, auf Grund der Gesetze, welche die Zusammenhänge der betreffenden Art regeln, und unter Voraussetzung der zugehörigen Umstände als notwendiges Sein bestimmt.
Handelt es sich nicht um die Begründung einer tatsächlichen, sondern um die einer generellen Wahrheit (die hinsichtlich möglicher Anwendung auf die unter sie fallenden Tatsachen selbst wieder den Charakter eines Gesetzes hat), so werden wir auf gewisse generelle Gesetze hingewiesen, die auf dem Wege der Spe
zialisierung (nicht Individualisierung) und der deduktiven Folge den zu begründenden Satz ergeben. Die Begründung von generellen Gesetzen führt notwendig auf gewisse, ihrem Wesen nach (also "an sich" und nicht bloß subjektiv oder anthropologisch) nicht mehr begründbare Gesetze. Sie heißen Grundgesetze.
Die systematische Einheit der ideal geschlossenen Gesamtheit von Gesetzen, die in einer Grundgesetzlichkeit als auf ihrem letzten Grund ruhen und aus ihm durch systematische Deduktion entspringen, ist die Einheit der systematisch vollendeten Theorie. Die Grundgesetzlichkeit besteht hierbei entweder aus
einem Grundgesetz oder aus einem Verband homogener Grundgesetze.
Zahlensätze; die analytische Mechanik für die mechanischen Tatsachen; die mathematische Astronomie für die Tatsachen der Gravitation usw. Die Möglichkeit, erklärende Funktion anzunehmen, ist aber eine selbstverständliche Folge des Wesens der Theorie in unserem absoluten Sinne. — In einem laxeren Sinn
versteht man unter Theorie ein deduktives System, in dem die letzten Gründe noch nicht Grundgesetze im strengen Sinne des Wortes sind, aber als echte Gründe ihnen näher führen. In der Stufenfolge der geschlossenen Theorie bildet die Theorie in diesem laxen Sinn eine Stufe.
Wir beachten noch folgenden Unterschied: jeder erklärende Zusammenhang ist ein deduktiver, aber nicht jeder deduktive Zusammenhang ist ein erklärender. Alle Gründe sind Prämissen, aber nicht alle Prämissen Gründe. Zwar ist jede Deduktion eine notwendige, d.i. sie steht unter Gesetzen; aber daß die Schluß
sätze nach Gesetzen (den Schlußgesetzen) folgen, besagt nicht, daß sie aus Gesetzen folgen und in ihnen im prägnanten Sinne "gründen". Freilich pflegt man auch jede Prämisse, zumal eine allgemeine, als "Grund" für die daraus gezogene "Folge" zu bezeichnen — eine wohl zu beachtende Äquivokation.
Wir sind nun in der Lage, die oben aufgeworfene Frage zu beantworten: was die Zusammengehörigkeit der Wahrheiten
┌einer┐
Wesentlich eins sind die Wahrheiten einer Wissenschaft,
einer Wissenschaft ist Einheit der Erklärung. Aber alle Erklärung weist hin auf eine Theorie und findet ihren Abschluß in der Erkenntnis der Grundgesetze, der Erklärungsprinzipien. Einheit der Erklärung bedeutet also theoretische Einheit, das heißt, nach dem oben Ausgeführten, homogene Einheit der
begründenden Gesetzlichkeit, letztlich homogene Einheit der erklärenden Prinzipien.
Die Wissenschaften, in denen der Gesichtspunkt der Theorie, der prinzipiellen Einheit das Gebiet bestimmt, und welche somit in ideeller Geschlossenheit alle möglichen Tatsachen und
rellen Einzelheiten umfassen, die in ┌einer┐
schaften gebraucht, und auch wir haben ihn oben in diesem Sinne belassen. Einer Anregung von J. v. Kries
Auch der mitunter gebrauchte Name erklärende Wissenschaften ist zutreffend, wenn er die Einheit aus Erklärung und nicht das Erklären
Es gibt aber fürs Zweite auch ┌"außerordentliche┐
Wissenschaft, und als den nächstliegenden nennen wir die Ein-heit der Sach ein einem mehr wörtlichen Sinne. Man verknüpft
schen Terminus, der ontologischen Wissenschaften, wie Geographie, Geschichte, Sternkunde, Naturgeschichte, Anatomie usw. Die Wahrheiten der Geographie sind geeint durch ihre Beziehung zur Erde, die Wahrheiten der Meteorologie betreffen, noch eingeschränkter, die irdischen Witterungserscheinungen usw.
Man pflegt diese Wissenschaften auch als deskriptive zu bezeichnen, und man könnte diesen Namen insofern gelten lassen, als ja die Einheit der Beschreibung durch die empirische Einheit des Gegenstandes oder der Klasse bestimmt ist, und es in
welche die Einheit der Wissenschaft bestimmt. Aber natürlich dürfte man den Namen nicht so verstehen, als ob deskriptive Wissenschaften es auf bloße Beschreibung abgesehen hätten, was dem für uns maßgebenden Begriff von Wissenschaft widerspricht.
Da es möglich ist, daß die Erklärung, die sich nach empirischen
Einheiten richtet, in weit auseinander liegende oder gar heterogene Theorien und theoretische Wissenschaften führt, so nennen wir die Einheit der konkreten Wissenschaft mit Recht eine außerwesentliche.
Jedenfalls ist es klar, daß die abstrakten oder nomologischen
Wissenschaften die eigentlichen Grundwissenschaften sind, aus deren theoretischem Bestande die konkreten Wissenschaften alles
schreiben, an die niedrigeren Gesetze der nomologischen Wissenschaften anzuknüpfen, und allenfalls noch die Hauptrichtung aufsteigender Erklärung anzudeuten. Denn die Reduktion auf die Prinzipien und der Bau der erklärenden Theorien überhaupt ist die eigentümliche Domäne der nomologischen Wissenschaften,
und ist in ihnen, bei hinreichender Entwicklung, in allgemeinster Form als bereits geleistet vorzufinden. Natürlich soll hiermit über den relativen Wert der beiderlei Wissenschaften nichts ausgesagt sein. Das theoretische Interesse ist nicht das alleinige und nicht das einzig wertbestimmende. Ästhetische, ethische, im weiteren
und die empirische Verknüpfung für sich nichts, oder es gilt nur als methodologischer Durchgangspunkt für die Konstruktion der allgemeinen Theorie. Der theoretische Naturforscher bzw. der Naturforscher
Augen an als der Geograph oder der Astronom; sie sind ihm an sich gleichgültig und gelten ihm nur als Beispiele gravitierender Massen überhaupt.
Wir haben schließlich noch ein anderes, ebenfalls außer-wesentliches Prinzip wissenschaftlicher Einheit zu erwähnen,
es ist dasjenige, welches aus einem einheitlichen wertschätzenden Interesse erwächst, also objektiv bestimmt ist durch einen einheitlichen Grundwert (bzw. durch die einheitliche Grundnorm), wie wir dies im II. Kap., § 14 ausführlich besprochen haben. Dies macht also in den normativen Disziplinen die sachliche
Zusammengehörigkeit der Wahrheiten bzw. die Einheit des Gebietes aus. Freilich wird man bei der Rede von sachlicher
kreten Sache im Auge haben. In dieser Auffassung treten normative und sachliche Einheit in einen Gegensatz.
Nach dem, was wir früher erörtert haben, hängen die normativen Wissenschaften von den theoretischen — und vor allem von den theoretischen Wissenschaften in dem engsten Sinn der nomo
logischen — in einer Weise ab, daß wir wieder sagen können, daß sie aus diesen all das schöpfen, was an ihnen das Wissenschaftliche ausmacht, als welches eben das Theoretische ist.
Wir stellen nun die bedeutsame Frage nach den "Bedingungen der Möglichkeit von Wissenschaft überhaupt". Da
rie überhaupt. Theorie als solche besteht aus Wahrheiten, und die Form ihrer Verknüpfung ist die deduktive. Also schließt die Beantwortung unserer Frage die der allgemeineren ein, nämlich die der Frage nach den Bedingungen der Möglichkeit von Wahr-heit überhaupt und wieder von deduktiver Einheit über
haupt. — Die historischen Anklänge sind in der Form der Fragestellung natürlich beabsichtigt. Wir haben es offenbar mit einer durchaus notwendigen Verallgemeinerung der Frage nach den "Bedingungen der Möglichkeit einer Erfahrung" zu tun. Erfahrungseinheit ist ja für Kant die Einheit der gegenständlichen
Gesetzlichkeit; also fällt sie unter den Begriff der theoretischen Einheit.
Doch der Sinn der Frage bedarf einer genaueren Präzisierung. Sie wird zunächst wohl in subjektivem Sinne ver
Bedingungen der Möglichkeit theoretischer Erkenntnis überhaupt, allgemeiner von Schlußfolgerung überhaupt und von Erkenntnis überhaupt, und zwar der Möglichkeit nach für ein beliebiges menschliches Wesen. Diese Bedingungen sind teils reale, teils ideale. Von den ersteren, den psychologischen,
sehen wir hier ab. Selbstverständlich gehören zur Möglichkeit der Erkenntnis in psychologischer Beziehung all die kausalen Bedingungen, von denen wir im Denken abhängen. Ideale Bedingungen für die Möglichkeit der Erkenntnis können, nach dem, was wir bereits ausgeführt haben,
sche┐
haben, Sätze als Wahrheiten und Wahrheiten als Folgen anderer Wahrheiten einzu|sehen; und wiederum Gesetze als solche, Gesetze
was sie sind, ob wir sie einsehen oder nicht. Da sie aber nicht gelten, sofern wir sie einsehen können, sondern da wir sie nur einsehen können, sofern sie gelten, so müssen sie als objektive oder ideale Bedingungen der Möglichkeit ihrer Erkenntnis angesehen werden. Folglich sind apriorische Gesetze, die zur
Wahrheit als solcher, zur Deduktion als solcher und zur Theorie als solcher (d.i. zum allgemeinen ┌Wesen┐
drücken, und zwar Bedingungen, welche rein im "Inhalt" der Erkenntnis gründen.
Offenbar handelt es sich hier um apriorische Erkenntnisbedingungen, welche, abgesondert von aller Beziehung zum denkenden Subjekt und zur Idee der Subjektivität überhaupt, betrachtet
und erforscht werden können. Die fraglichen Gesetze sind ja in ihrem Bedeutungsgehalt von solcher Beziehung ganz frei, sie sprechen nicht, und sei es auch in idealer Weise, vom
kennens aussagen. Hier wie sonst erwachsen apriorische Behauptungen über reale Möglichkeiten durch Übertragung idealer (durch rein generelle Sätze ausgedrückter) Verhältnisse auf empirische Einzelfälle.
gen, die wir als die noetischen von den objektiv-logischen unterschieden haben, nichts anderes als derartige Wendungen jener zum reinen Erkenntnisinhalt gehörigen gesetzlichen Einsichten, durch welche diese selben eben zur Kritik und durch weitere Wendungen zur praktisch-logischen Normierung der Erkenntnis
fruchtbar gemacht werden. (Denn auch die normativen Wendungen der ┌rein logischen┐
Aus dieser Betrachtung ergibt sich, daß wir bei der Frage nach
den idealen Bedingungen der Möglichkeit von Erkenntnis überhaupt und speziell von theoretischer Erkenntnis letztlich zurückgeführt werden auf gewisse Gesetze, die rein im Inhalt der Erkenntnis bzw. in den kategorialen Begriffen, denen er untersteht, gründen und so abstrakt sind, daß sie von der Er
kenntnis als Akt eines erkennenden Subjekts nichts mehr enthalten. Eben diese Gesetze bzw. die sie aufbauenden kategorialen Begriffe, machen nun das aus, was im objektiv-idealen Sinne unter Bedingungen der Möglichkeit von Theorie überhaupt verstanden werden kann. Denn nicht
Erkenntnis, wie wir es bisher taten, sondern auch in bezug auf ihren Inhalt, also direkt auf die Theorie selbst, kann die Frage nach den Bedingungen der Möglichkeit aufgeworfen werden. Wir verstehen dann, dies ist wiederholt zu betonen, unter Theorie
Inhalt. In gleicher Weise entspricht der Mannigfaltigkeit von individuellen Erkenntniskomplexionen, in deren jeder dieselbe Theorie — jetzt oder ein anderes Mal, in diesen oder in jenen Subjekten — zur Erkenntnis kommt, eben
aus rein idealen Elementen, aus Wahrheiten, aufgebaut, und dies in rein idealen Formen, in denen von Grund und Folge. Beziehen wir nun die Frage nach den Bedingungen der Möglichkeit direkt auf Theorie in diesem objektiven Sinne, und zwar auf Theorie überhaupt, so kann diese Möglichkeit keinen anderen
Sinn haben als den bei rein begrifflich gedachten Objekten sonst. Von den Objekten werden wir dann auf die Begriffe zurückgeführt, und "Möglichkeit" bedeutet nichts anderes als "Geltung" oder besser Wesenhaftigkeit des bezüglichen Begriffs. Es ist dasselbe, was öfters als "Realität" des Begriffes bezeichnet
worden ist, im Gegensatz zur Imaginarität oder, wie wir besser sagen: zur Wesenlosigkeit. In diesem Sinne spricht man von Realdefinitionen, welche die Möglichkeit, Geltung, Realität des definierten Begriffes verbürgen, und wieder vom Gegensatz reeller und imaginärer Zahlen, geometrischer Gebilde usw. Offenbar ist
die Rede von der Möglichkeit in Anwendung auf Begriffe äquivok durch Übertragung. Im eigentlichen Sinne möglich ist die Existenz von Gegenständen, die unter die bezüglichen Begriffe fallen. Diese Möglichkeit wird a priori gewährleistet durch Erkenntnis des begrifflichen Wesens, welche
der anschaulichen Vorstellung eines solchen Gegenstandes. Die Wesenhaftigkeit des Begriffes wird nun aber, durch Übertragung, auch selbst als Möglichkeit bezeichnet.
Mit Beziehung darauf gewinnt die Frage nach der Möglichkeit einer Theorie überhaupt und nach den Bedingungen,
an welchen sie hängt, einen leicht faßlichen Sinn. Die Möglichkeit oder Wesenhaftigkeit von Theorie überhaupt ist natürlich gesichert durch einsichtige Erkenntnis irgendeiner bestimmten
aus denen sich die "Möglichkeit" der Theorie, m.a.W., welches sind die primitiven wesenhaften Begriffe, aus denen sich der selbst wesenhafte Begriff der Theorie konstituiert? Und des weiteren: welches sind die reinen Gesetze, die, in diesen Begriffen gründend, aller Theorie als solcher Einheit geben; also die
Gesetze, welche zur Form aller Theorie als solcher gehören und die möglichen (wesentlichen) Abwandlungen oder Arten derselben a priori bestimmen?
Umgrenzen diese Idealbegriffe bzw. Gesetze die Möglichkeit von Theorie überhaupt, drücken sie m.a.W. aus, was zur Idee der
Theorie wesentlich gehört, so ergibt sich unmittelbar, daß jede prätendierte Theorie Theorie nur ist, wenn sie und sofern sie mit diesen Begriffen bzw. Gesetzen harmoniert. Logische Rechtfertigung eines Begriffes, d.h. Rechtfertigung seiner idealen Möglichkeit, vollzieht sich durch Rückgang auf sein anschauliches oder
deduktibles Wesen. Also logische Rechtfertigung einer gegebenen Theorie als solcher (d.i. ihrer reinen Form nach) erfordert den Rückgang auf das Wesen ihrer Form und somit den Rückgang auf jene Begriffe und Gesetze, welche die idealen Kon-stituentien von Theorie überhaupt (die "Bedingungen
ihrer Möglichkeit") ausmachen, und welche alle Spezialisierung der Idee Theorie in ihre möglichen Arten a priori
sie doch ihre letzte und tiefste Rechtfertigung erst durch Rückgang auf das formale Schlußgesetz. Hierdurch erwächst ja Einsicht in den apriorischen Grund des syllogistischen Zusammenhangs. Ebenso bei jeder noch so komplizierten Deduktion und im besonderen bei einer Theorie. Im einsichtigen theoretischen
Denken haben wir Einsicht in die Gründe der erklärten Sachverhalte. Die tieferdringende Einsicht in das Wesen des theoretischen Zusammenhanges selbst, welcher den theoretischen Inhalt dieses Denkens ausmacht, und in die apriorischen Gesetzesgründe seiner Leistung
Der Hinweis auf tiefere Einsichten und Rechtfertigungen mag dazu dienen, den unvergleichlichen Wert der theoretischen Unter
suchungen hervortreten zu lassen, die zur Lösung des angeregten Problems dienen: Es handelt sich um die systematischen Theorien, die im Wesen der Theorie gründen, bzw. um die apriorische theoretische nomologische Wissenschaft, die auf das ideale Wesen der Wissenschaft als
solcher, also nach Seiten ihres Gehaltes an systematischen Theorien und mit Ausschluß ihrer empirischen, anthropologischen Seite, Beziehung hat; also in einem tiefen Sinn: um die Theorie der Theorien, die Wissenschaft der Wissenschaften. Doch die Leistung für die Bereicherung unserer Erkenntnis ist natürlich
zu sondern von den Problemen selbst und dem eigenen Gehalt ihrer Lösungen.
Machen wir auf Grund dieser vorläufigen Fixierung der Idee jener apriorischen Disziplin, deren tieferes Verständnis anzubahnen,
Fürs Erste wird es sich darum handeln, die wichtigeren und zumal die sämtlichen primitiven Begriffe festzustellen bzw. wissenschaftlich zu klären, die den Zusammenhang der Erkenntnis in objektiver Beziehung und insbesondere den theoretischen Zusammenhang "möglich machen". Mit anderen Worten, es ist
auf die Begriffe abgesehen, welche die Idee der theoretischen Einheit konstituieren, oder auch auf Begriffe, die ┌mit┐
Theorie ist eine gewisse deduktive Verknüpfung gegebener Sätze,
Stelle schlichter Begriffe. Dahin gehören schon die Begriffe: Begriff, Satz, Wahrheit usw.
Konstitutiv sind natürlich die Begriffe der elementaren Verknüpfungsformen, zumal derjenigen, welche ganz allgemein für die deduktive Einheit von Sätzen konstitutiv sind, z.B.
die konjunktive, disjunktive, hypothetische Verknüpfung von Sätzen zu neuen Sätzen. Weiterhin aber auch die Formen der Verbindung niederer Bedeutungselemente zu den einfachen Sätzen, und dies führt wieder auf die verschiedenartigen Subjektformen, Prädikatformen┌, auf die Formen konjunktiver und disjunktiver
Verbindung, auf die Pluralform┐
auf Grund der primitiven Begriffe und Formen ableitbaren Begriffe ermög|lichen, und diese kombinatorische Übersicht selbst
In nahem, ideal gesetzlichem Zusammenhang mit den bisher erwähnten Begriffen, den Bedeutungskategorien, stehen an
dere, zu ihnen ┌korrelative┐
ihre Funktion klarmacht, von der Besonderheit irgendwelcher Erkenntnismaterie unabhängig sind, und unter welche sich alle im Denken speziell auftretenden Begriffe und
Alle diese Begriffe sind nun zu fixieren, ihr "Ursprung" ist
einzelweise zu erforschen. Nicht als ob die psychologische Frage nach der Entstehung der bezüglichen begrifflichen Vorstellungen oder Vorstellungsdispositionen für die fragliche Disziplin das geringste Interesse hätte. Um diese Frage handelt es sich nicht; sondern um den ┌phänomenologischen┐
— wenn wir es vorziehen, die unpassende und aus Unklarheit erwachsene Rede vom Ursprung ganz zu beseitigen — es handelt sich um Einsicht in das Wesen der bezüglichen Begriffe und in methodologischer Hinsicht um Fixierung eindeutiger, scharf unterschiedener Wortbedeutungen. Zu diesem Ziele können wir
nur durch ┌intuitive┐
| All das sind nur vorbereitende und scheinbar geringfügige
Aufgaben. Sie kleiden sich in erheblichem Maße notwendig in die Form terminologischer Erörterungen und erscheinen Unkundigen gar leicht als kleinliche und öde Wortklaubereien. Aber so lange die Begriffe nicht unterschieden und ┌durch Rückgang auf ihre Wesen in ideierender Intuition┐
mühung hoffnungslos. In keinem Erkenntnisgebiet zeigt sich die Äquivokation verhängnisvoller, in keinem hat die Verworrenheit der Begriffe den Fortschritt der Erkenntnis so sehr gehemmt, ja schon ihren Anfang, die Einsicht in die wahren Ziele, so sehr unterbunden, wie im Gebiet der reinen Logik. Die kritischen
Analysen dieser Prolegomena haben dies überall gezeigt.
Man kann die Bedeutung der Probleme dieser ersten Gruppe kaum zu hoch anschlagen, und es ist fraglich, ob nicht gerade bei ihnen die größten Schwierigkeiten der ganzen Disziplin liegen.
Die zweite Gruppe von Problemen ┌gilt der Aufsuchung der Gesetze, die in jenen beiden Klassen kategorialer Begriffe grün
den, und die nicht nur die möglichen Formen der Komplikation und modifizierenden Umgestaltung der durch sie befaßten theoretischen Einheiten betreffen,
auf Grund ihrer kategorialen Bildungsform; andererseits (hinsichtlich ihrer gegenständlichen Korrelate) Sein und Nichtsein von Gegenständen überhaupt, Sachverhalten überhaupt usw., wieder auf Grund ihrer puren kategorialen Form. Diese Gesetze, die also in denkbar größter, weil logisch-kategorialer Allgemein
heit auf Bedeutungen und Gegenstände überhaupt gehen,
Vielheit die reine Vielheitslehre, im Begriff der Anzahl die reine Anzahlenlehre usw. — jede eine geschlossene Theorie für sich. So führen alle hierhergehörigen Gesetze auf eine beschränkte Zahl von primitiven oder Grundgesetzen, die unmittelbar in den kategorialen Begriffen wurzeln und (vermöge ihrer Homogenität)
eine allumfassende Theorie begründen müssen, welche jene einzelnen Theorien als relativ geschlossene Bestandteile in sich faßt.
Es ist hier auf den Bereich von Gesetzen abgesehen, ┌unter welchen, vermöge ihrer formalen, alle möglichen Bedeutungen und alle möglichen Gegenstände umspannenden Allgemeinheit,
jede besondere Theorie und Wissenschaft steht, denen gemäß
den allumfassenden Fond, aus dem jede bestimmte ┌gültige┐
rie eine umfassende Einheit ist, die sich aus einzelnen Wahrheiten und Zusammenhängen aufbaut, ist es selbstverständlich, daß die Gesetze, die zum Begriff der Wahrheit und zur Möglichkeit einzelner Zusammenhänge dieser oder jener Form gehören, in dem abgegrenzten Gebiet mitbeschlossen sind. Obgleich, oder vielmehr
weil der Begriff der Theorie der engere ist,
Sind alle diese Untersuchungen erledigt, so ist der Idee einer Wissenschaft von den Bedingungen der Möglichkeit von Theorie überhaupt Genüge geschehen. Wir sehen aber sogleich, daß diese Wissenschaft über sich hinausweist auf eine ergänzende, welche
a priori von den wesentlichen Arten (Formen) von Theorien und den zugehörigen Beziehungsgesetzen handelt. So erwächst, alles in eins gefaßt, die Idee einer umfassenderen Wissenschaft von Theorie überhaupt, die in ihrem fundamentalen Teile die wesentlichen Begriffe und Gesetze, die zur Idee der
Theorie konstitutiv gehören, erforscht, und dann dazu übergeht,
Nämlich auf Grund der hinreichend weit geführten Lösung der
bezeichneten Aufgaben wird es möglich, aus rein kategorialen Begriffen mannigfaltige Begriffe möglicher Theorien bestimmt auszugestalten, reine "Formen" von Theorien, deren Wesenhaftigkeit gesetzlich erwiesen ist. Diese verschiedenen Formen sind aber untereinander nicht beziehungslos. Es wird eine bestimmte Ord
nung des Verfahrens geben, wonach wir die möglichen Formen zu konstruieren, ihre gesetzlichen Zusammenhänge zu überschauen, also auch die einen durch Variation bestimmender Grundfaktoren in die anderen überzuführen vermögen usw. Es wird, wenn auch nicht überhaupt, so doch für Theorienformen bestimmt definier
ter Gattungen, allgemeine Sätze geben, welche in dem abgesteckten Umfange die gesetzmäßige Auseinanderentwicklung, Verknüpfung und Umwandlung der Formen beherrschen.
Die hier aufzustellenden Sätze werden offenbar von anderem
der Theorien der zweiten Gruppe, als z.B. die syllogistischen Gesetze oder die arithmetischen usw. Aber andererseits
Dies ist ein letztes und höchstes Ziel einer theoretischen Wissenschaft von der Theorie überhaupt. Es ist auch in erkenntnispraktischer Hinsicht kein gleichgültiges. Die Einordnung einer Theorie in ihre Formklasse kann vielmehr von größter methodologischer Bedeutung werden. Denn mit der Ausbreitung der de
duktiven und theoretischen Sphäre wächst auch die freie Lebendigkeit der theoretischen Forschung, es wächst der Reichtum und die Fruchtbarkeit der Methoden. So wird die Lösung von Problemen, die innerhalb einer theoretischen Disziplin bzw. innerhalb einer ihrer Theorien gestellt sind, unter Umständen höchst wirk
same methodische Hilfen gewinnen können durch Rückgang auf den kategorialen Typus oder (was dasselbe) die Form der Theorie und eventuell dann weiter durch Übergang zu einer umfassenderen Form oder Formklasse und ihren Gesetzen.
Diese Andeutungen werden vielleicht etwas dunkel erscheinen.
Daß es sich bei ihnen nicht um vage Phantasien, sondern um Konzeptionen von festem Gehalte handelt, beweist die "formale
Mathematik" in allerallgemeinstem Sinne oder die Mannigfaltigkeitslehre, diese höchste Blüte der modernen Mathematik. In der Tat ist sie nichts anderes, als ┌(in korrelativer Umwendung)┐
ursprünglich von den Interessen des Zahlen- und Größengebietes geleitet und dadurch zugleich beschränkt, das ideale Wesen der neuen Disziplin richtig erkannt und sich überhaupt zur höchsten Abstraktion einer allumfassenden ┌Theorie┐
chen, nur der Form nach bestimmten Theorie ist der Begriff eines möglichen, durch eine Theorie solcher Form zu beherr
dadurch bestimmt ist, daß es einer Theorie solcher Form untersteht, ┌bzw.┐
matiker spricht, dies anzudeuten, mit Vorliebe von "Denkobjekten". Sie sind eben weder direkt als individuelle oder spezifische Einzelheiten, noch indirekt durch ihre ┌materialen┐
haltlich ebensowenig bestimmt, wie ihre Objekte; bestimmt ist nur ihre Form, nämlich durch die ┌Formen der für sie als gültig angenommenen┐
fung überhaupt, für welche Gesetze der Form a + b = b + a usw. gelten. Die Mannigfaltigkeit ist dadurch bestimmt, daß ihre Denkobjekte diese (und andere, damit als a priori verträglich nachzuweisenden) "Operationen" ermöglichen.
Die allgemeinste Idee einer Mannigfaltigkeitslehre
ist es, eine Wissenschaft zu sein, welche die wesentlichen Typen möglicher Theorien ┌(bzw. Gebiete)┐
bearbeiteten Erkenntnisgebiete einzelne Mannigfaltigkeiten sind. Ist in der Mannigfaltigkeitslehre die be|treffende formale
Dies ist ein Gesichtspunkt von höchster methodologischer Bedeutung, ohne ihn ist von einem Verständnis mathematischer Methode nicht zu reden. Nicht minder wichtig ist die mit dem Rückgang auf die reine Form nahegelegte Einordnung derselben in umfassendere Formen und Formklassen. Daß hier ein Haupt
stück der wunderbaren methodologischen Kunst der Mathematik liegt, zeigt nicht nur der Hinblick auf die aus Verallgemeinerungen der geometrischen Theorie und Theorienform erwachsenen Mannigfaltigkeitslehren, sondern schon der erste und einfachste Fall dieser Art, die Erweiterung des reellen Zahlengebietes (sc. der
entsprechenden Theorienformen, der "formalen Theorie der reellen Zahlen") zum formalen, zweifach ausgedehnten Gebiet der gemeinen komplexen Zahlen. In der Tat liegt in dieser Auffassung der Schlüssel für die einzig mögliche Lösung des noch immer nicht geklärten Problems, wie z.B. im Anzahlengebiete unmögliche
(wesenlose) Begriffe methodisch so behandelt werden dürfen wie reale. Doch dies näher zu erörtern, ist hier nicht die Stelle.
┌Wenn ich oben von Mannigfaltigkeitslehren spreche, die aus Verallgemeinerungen der geometrischen Theorie erwachsen sind, so meine ich natürlich die Lehre von den n-dimensionalen, sei es Euklidschen, sei es nicht-Euklidschen Mannigfaltigkeiten, fer
ner Graßmanns Ausdehnungslehre und die verwandten, von allem Geometrischen leicht abzulösenden Theorien eines W. Rowan Hamilton u.a. Auch Lies Lehre von den Transformationsgruppen, G. Cantors Forschungen über Zahlen und Mannigfaltigkeiten gehören, neben vielen anderen, hierher.
An der Weise, wie durch Variation des Krümmungsmaßes die verschiedenen Gattungen von raumähnlichen Mannigfaltigkeiten ineinander übergehen, kann sich der Philosoph, der die ersten Anfänge der Riemann-Helmholtzschen Theorie kennen gelernt hat, eine gewisse Vorstellung davon verschaffen, wie reine
Theorienformen von bestimmt unterschiedenem Typus durch ein gesetzliches Band miteinander ver
matischen Untersuchungen verbannt wird. Nennen wir Raum die bekannte Ordnungsform der Erscheinungswelt, so ist natürlich die Rede von "Räumen", für welche z.B. das Parallelenaxiom nicht gilt, ein Widersinn. Ebenso die Rede von verschiedenen Geometrien, wofern Geometrie eben die Wissenschaft vom Raume
der Erscheinungswelt genannt wird. Verstehen wir aber unter Raum die kategoriale Form des Weltraums ┌und korrelativ┐
faltigkeiten, mit Beziehung auf welche man dann naturgemäß von Raum in einem noch umfassenderen Sinne sprechen wird. ┌Ebenso┐
sprechend erweitertem Sinne "Geometrien" dieser "räumlichen" Mannigfaltigkeiten nennen mag. Jedenfalls realisiert die Lehre
Reihe apriorischer und rein kategorialer Theorienformen (formaler deduktiver Systeme). Diese Mannigfaltigkeit selbst ist mit Beziehung auf "unseren" Raum, d.h. den Raum im gemeinen Sinn, die ihm zugeordnete rein kategoriale Form, also die ideale Gattung, von welcher er sozusagen eine individuelle Einzelheit und
nicht etwa eine spezifische Differenz ausmacht. — Ein anderes großartiges Beispiel ist die Lehre von den komplexen Zahlensystemen, innerhalb welcher die Theorie der "gemeinen" komplexen Zahlen wieder eine singuläre Einzelheit, ┌keine┐
Theorien sind die Arithmetiken der Anzahl, der Ordinalzahl, der Größenzahl, der quantité dirigée u. dgl. gewissermaßen lauter individuelle Einzelheiten. Jeder entspricht eine formale Gattungsidee bzw. die Lehre von den
allgemeinert-formalem Sinn zu nehmen ist.┐
Dies sind also die Probleme, die wir in den Bereich der reinen oder formalen Logik in dem oben definierten Sinne rechnen, wobei
wir ihrem Gebiet die größtmögliche Extension geben, welche sich mit der entworfenen Idee einer Wissenschaft von der Theorie überhaupt verträgt. Ein erheblicher Teil der ihr zugehörigen Theorien hat sich schon längst als ┌"reine Analysis", oder besser, als formale┐
nicht mehr im ┌vollen┐
Domäne des Mathematikers bleiben. Eigenartige Methoden und Forschungsdispositionen sind dabei vorausgesetzt und bei allen reinen Theorien im wesentlichen die gleichen. Neuerdings ist sogar die Ausbildung der syllogistischen Theorie, welche von jeher zur eigensten Sphäre der Philosophie gerechnet worden ist, von den
Mathematikern in Anspruch und Besitz genommen worden, und sie hat unter ihren Händen eine ungeahnte Entwicklung erfahren — sie, die vermeintlich längst erledigte Theorie. Und zugleich sind auf dieser Seite Theorien neuer Schlußgattungen, welche die traditionelle Logik übersehen oder verkannt hatte, entdeckt und in
echt mathematischer Feinheit ausgestaltet worden. Niemand kann es den Mathematikern verwehren, alles, was nach mathematischer Form und Methode zu behandeln ist, für sich in Anspruch zu nehmen. Nur wer die Mathematik als moderne Wissenschaft, zumal die formale Mathematik, nicht kennt und
Euklid und Adam Riese mißt, kann noch an dem allgemeinen Vorurteil haften bleiben, als ob das Wesen des Mathematischen in Zahl und Quantität läge. Nicht der Mathe
und seine vorläufigen Pflegekinder nicht ihren natürlichen Eltern übergeben will. Die Geringschätzung, mit welcher die philosophischen Logiker über die mathematischen Theorien der Schlüsse zu sprechen lieben, ändert nichts daran, daß die mathematische Form der Behandlung bei diesen, wie bei allen streng entwickelten
Theorien (man muß dies Wort allerdings auch im echten Sinne nehmen) die einzig wissenschaftliche ist, die einzige, welche systematische Geschlossenheit und Vollendung, welche Übersicht über alle möglichen Fragen und die möglichen Formen ihrer Lösung bietet.
Gehört aber die Bearbeitung aller eigentlichen Theorien in die Domäne der Mathematiker, was bleibt dann für den Philosophen übrig? Hier ist zu beachten, daß der Mathematiker in Wahrheit nicht der reine Theoretiker ist, sondern nur der ingeniöse Techniker, gleichsam der Konstrukteur, welcher, in bloßem Hinblick auf
matiker Theorien der Zahlen, Größen, Schlüsse, Mannigfaltigkeiten, ohne dazu letzte Einsicht in das Wesen von Theorie überhaupt und in das Wesen ihrer sie bedingenden Begriffe und Gesetze besitzen zu müssen. Ähnlich verhält es sich ja bei allen "Spezialwissenschaften". Das πρότερον δὲ τῇ φύσει ist eben nicht das
πρότερον πρòς ήμάς. Die wesenhafte Einsicht ist es zum Glück nicht, welche die Wissenschaft im gemeinen, praktisch so fruchtbaren Sinne möglich macht, sondern wissenschaftlicher Instinkt und Methode. Eben darum bedarf es neben der ingeniösen und methodischen Arbeit der Einzelwissenschaften, welche mehr auf
praktische Erledigung und
Forschung setzt ganz andere Methoden und Dispositionen voraus, wie sie sich ganz andere Ziele stellt. Sie will dem Spezialforscher nicht ins Handwerk pfuschen, sondern nur über Sinn und Wesen seiner Leistungen in Beziehung auf Methode und Sache zur Einsicht kommen. Dem Philosophen ist es nicht genug, daß wir uns
in der Welt zurechtfinden, daß wir Gesetze als Formeln haben, nach denen wir den künftigen Verlauf der Dinge Voraussagen, den vergangenen rekonstruieren können; sondern was ┌das Wesen von "Ding", "Vorgang", "Ursache", "Wirkung", "Raum", "Zeit" u. dgl. ist┐
Wesen für wunderbare Affinität zu dem Wesen des Denkens hat, daß es gedacht, des Erkennens, daß es erkannt, der Bedeutungen, daß es bedeutet sein kann, usf┐
haupt möglich macht u. dgl. Erst die philosophische Forschung ergänzt die wissenschaftlichen Leistungen des Naturforschers und
Ziehungen umspannende┐
Die nachfolgenden Einzeluntersuchungen zur Vorbereitung unserer Disziplin nach ihrer philosophischen Seite werden übrigens offenkundig machen, was der Mathematiker nicht leisten will und kann, und was doch geleistet werden muß.
Der Begriff der reinen Logik, wie wir ihn bisher entwickelt haben, umfaßt einen theoretisch geschlossenen Kreis von Pro
Sofern keine Wissenschaft möglich ist ohne Erklärung aus Gründen, also ohne Theorie, umspannt die reine Logik in allgemeinster Weise die idealen Bedingungen der Möglichkeit
dingungen der Erfahrungswissenschaft überhaupt als speziellen Fall in sich schließt. Die Frage nach diesen Bedingungen ist allerdings die eingeschränktere; Erfahrungswissenschaft ist auch Wissenschaft, und selbstverständlich untersteht sie nach ihrem Gehalt an Theorien den Gesetzen der oben abgegrenzten
Sphäre. Aber Idealgesetze bestimmen die Einheit der Erfahrungswissenschaften nicht bloß in Form der Gesetze deduktiver Einheit; wie denn Erfahrungswissenschaften ja auch nicht auf ihre bloßen Theorien je zu reduzieren sind. Die Theoretische Optik┐
Wissenschaft der Optik; die mathematische Mechanik ist ebenso nicht die ganze Mechanik usw. Nun steht aber der ganze komplizierte Apparat von Erkenntnisprozessen, in welchen die Theorien der Erfahrungswissenschaften erwachsen und sich vielfach im Laufe des wissenschaftlichen Fortschritts modifizieren, ebenfalls
Alle Theorie in den Erfahrungswissenschaften ist bloß suppo-nierte Theorie. Sie gibt nicht Erklärung aus einsichtig gewissen, sondern nur aus einsichtig wahrscheinlichen Grundgeset
zen. So sind die Theorien selbst nur von einsichtiger Wahrscheinlichkeit, sie sind nur vorläufige, nicht endgültige Theorien. Ähnliches gilt in gewisser Weise auch von den theoretisch zu erklärenden Tatsachen. Von ihnen gehen wir zwar aus, sie gelten uns als gegeben, und wir wollen sie bloß "erklären". Indem wir
aber zu den erklärenden Hypothesen aufsteigen, sie durch Deduktion und Verifikation — eventuell nach mehrfacher Umänderung — als wahrscheinliche Gesetze annehmen, bleiben auch die Tatsachen selbst nicht ganz unverändert bestehen, auch sie wandeln sich im fortschreitenden Er
kenntniszuwachses der als brauchbar befundenen Hypothesen dringen wir immer tiefer in das "wahre Wesen" des realen Seins ein,
der Wahrnehmung (und ähnlich im Sinne der Erinnerung) "gegeben". In der Wahrnehmung stehen uns die Dinge und Vorgänge vermeintlich selbst gegenüber, sozusagen scheidewandlos erschaut und ergriffen. Und was wir da anschauen, sprechen wir in Wahrnehmungsurteilen aus; dies sind die zunächst "gegebenen Tat
Sachen" der Wissenschaft. Im Fortschritt der Erkenntnis modifiziert sich dann aber, was wir den Wahrnehmungserscheinungen an "wirklichem’’ Tatsachengehalt zugestehen; ┌die anschaulich gegebenen Dinge — die Dinge der "sekundären Qualitäten" — gelten nur noch als "bloße Erscheinungen" ; ┐
men, was in ihnen das Wahre ist, mit anderen Worten: um den empirischen Gegenstand der Erkenntnis ┌objektiv┐1 zu bestimmen, bedürfen wir ┌einer dem Sinn dieser Objektivität angepaßten Methode und eines durch sie zu gewinnenden┐
┌In allem empirischen Verfahren objektiver Tatsachenwissenschaft herrscht aber, wie schon Descartes und Leibniz er
gebe, und zwar für jede erreichte Stufe der Wissenschaft. Wenn sich durch Zufluß neuer empirischer Instanzen eine wahrscheinliche Gesetzlichkeit oder Theorie als unhaltbar herausstellt, so schließen wir daraus nicht, daß die wissenschaftliche Begründung dieser Theorie eine falsche gewesen sein mußte. Im Bereiche
früherer Erfahrung war die frühere, im Bereiche der erweiterten Erfahrung ist die neu zu be|gründende Theorie die "einzig richti-
einem anderen, objektiv berechtigten Wege herausstellt, daß sie bei dem gegebenen Stande der Erfahrungserkenntnis die einzig angemessene ┌ist┐
geben muß, in denen die Möglichkeit der empirischen Wissenschaft ┌überhaupt, der Wahrscheinlichkeitserkenntnis von Realem┐
einheit┐
In den folgenden Einzeluntersuchungen beschränken wir uns
auf das engere und, in der wesentlichen Ordnung der Materien, erste Gebiet.
Husserl, Edmund, Logische Untersuchungen. Erster Teil: Prolegomena zur reinen Logik. Halle a. S., Max Niemeyer,
Die Prolegomena zur reinen Logik, welche den einleitenden Teil der Logischen Untersuchungen bilden, wollen einer neuen Auffassung und Behandlung der Logik den Weg bahnen. Sie versuchen zu zeigen, daß die ausschließlich psychologische Fundierung der Logik, welcher unsere Zeit so großen Wert beimißt, auf einer
Vermengung wesentlich verschiedener Problemschichten, auf prinzipiell irrigen Voraussetzungen über den Charakter und die Ziele zweier hier beteiligten Wissenschaften — der empirischen Psychologie und der reinen Logik — beruhe. In eingehenden Analysen werden die erkenntnistheoretischen und zumal die skep
tischen Unzuträglichkeiten, welche der psychologistischen Logik notwendig anhaften, bloßgelegt und dabei auch der Nachweis geführt, daß in der Verkennung der wesentlichsten Fundamente und Probleme die inadäquate Behandlungsweise der bisherigen Logik, ihr Mangel an Klarheit und theoretischer Strenge gründe. Gegen
den herrschenden Psychologismus gewendet, suchen die Prolegomena also die Idee einer reinen Logik neu zu beleben, aber auch neu zu gestalten. Sie führen zur Abgrenzung einer theoretischen von aller Psychologie und Tatsachenwissenschaft unabhängigen Wissenschaft, welche in ihren natürlichen Grenzen die gesamte
reine Arithmetik und Mannigfaltigkeitslehre mit umfaßt. Ihr Verhältnis zur Logik als Methodologie, als Kunstlehre des
reinen Logik finden sich die wesentlichsten theoretischen Fundamente der logischen Kunstlehre.
Diese reine Logik ist nichts weniger als eine bloße Erneuerung der traditionellen formalen Logik, oder auch der reinen Logik der Kantschen und Herbartschen Schulen. Läßt der Verf<asser>
diese letzteren und noch nicht vergessenen Bestrebungen auch als wertvolle Vorstufen gelten, so fehlt es ihnen, nach seiner Überzeugung, an hinreichender Klarheit über die Ziele und Grenzen der fraglichen Disziplin; sie verbleiben noch in unsicherem Schwanken zwischen theoretischen und praktischen, psycholo
gistischen und rein idealen Tendenzen.
Die reine Logik ist das wissenschaftliche System der idealen Gesetze und Theorien, welche rein im Sinne der idealen Bedeutungskategorien gründen, d.h. in den fundamentalen Begriffen, welche Gemeingut aller Wissenschaften sind, weil sie in allge
meinster Weise das bestimmen, was Wissenschaften in objektiver Hinsicht überhaupt zu Wissenschaften macht, nämlich Einheit der Theorie. In diesem Sinne ist die reine Logik die Wissenschaft von den idealen "Bedingungen der Möglichkeit", von Wissenschaft überhaupt, oder von den idealen Konstituentien der Idee
Theorie.
Eine ausreichende Klärung der reinen Logik, also eine Klärung ihrer wesentlichen Begriffe und Theorien, ihrer Beziehung zu allen anderen Wissenschaften und der Art, wie sie diese regelt, erfordert sehr tiefgehende phänomenologische (d.h. rein
deskriptiv-, nicht genetisch-psychologische) und erkenntnistheoretische Untersuchungen. Man kann sagen, daß diese Aufgabe einer erkenntnistheoretischen Aufklärung der Logik sich in der Hauptsache mit der kritischen Aufklärung von Denken und Erkennen überhaupt, also mit der Erkenntnistheorie selbst deckt.
Im II. Teile folgen nun phänomenologische und erkenntnistheoretische Einzeluntersuchungen, welche die Hauptprobleme einer Aufklärung von Logik und logischem Denken zu lösen suchen.
Die Prolegomena sind textlich seit Ende November 1899 gedruckt und kommen infolge zufälliger Umstände sehr verspätet 40 zur Ausgabe. Der II. Teil ist im Druck und wird noch in diesem Winter ausgegeben werden.
Logische Untersuchungen, I. Teil bzw. Band
Zu Lebzeiten Husserls, d.h. mit seiner Autorisierung, erschienen 4 deutschsprachige Auflagen und 2 Übersetzungen des I. Teiles bzw. Bandes der Logischen Untersuchungen:
1. Logische Untersuchungen von Edmund Husserl.
Erster Theil: Prolegomena zur reinen Logik.
Halle a. Saale, Max Niemeyer, 1900. (22 x
cm, XII — 257 <258 > S.)
2. <idem>
Erster Band: Prolegomena zur reinen Logik.
Zweite, umgearbeitete Auflage.
Halle a.d. Saale, Max Niemeyer, 1913. (23x15 cm, XXII — 257 S.)
3. <idem>
Dritte <, > unveränderte Auflage.
<idem>, 1922.
4. <idem>
Vierte Auflage (Unveränderter Abdruck der 2. <, > umgearbeiteten Auflage).
<idem>, 1928.
5. Edmund" Gusserl', Logičeskija izsledovanija.
Čast' pervaja. Prolegomeny k" čistoj logike.
Razrešennyj avtorom" perevod" s'' nemeckago E. A. Berštein" pod" redkciej i s" predisloviem" S. L. Franka.
Knigoizdatel'stvo "Obrazovanie" Spb. 1909. (22 x
cm, XVI — 224 S.)
6. Edmundo Husserl, Investigaciones logicas.
Traduccion del Aleman por Manuel G. Morente y Jose Gaos. Tomo primero: Prolegomenos a la Logica pura.
Madrid, Revista de Occidente, Avenida de Pi y Margall, 7, <1929>. (22 x
cm, 265 S.)
ad 1: Die Edition der 1. Auflage hatte anfänglich der Verlag von Veit & Comp. in Leipzig übernommen. Von dieser Veit-Ausgabe gingen nach Husserls Angaben
ad 2: Die Umarbeitung bezieht sich auf den Inhalt, die stilistische Formulierung, die Anpassung an die 1902 für das gesamte deutsche Reichsgebiet verbindlich erklärte "einheitliche deutsche Rechtschreibung" und die Ausmerzung von Druckfehlern.
ad 3: Einige Druckfehler der 2. Auflage werden berichtigt
ad 4: Ein Teil der in der 3. Auflage berichtigten Druckfehler der 2. Auflage erscheint wiederum in der 4. Auflage,
ad 5: Übersetzung der Titelseite:
Edmund Husserl, Logische Untersuchungen.
Erster Teil: Prolegomena zur reinen Logik.
Autorisierte Übersetzung aus dem Deutschen von E. A. Berštein unter der Redaktion und mit einem Vorwort von S. L. Frank. Verlag "Obrazovanie" <"Bildung" >, Sankt Petersburg 1909.
Die Titelpagina und das Vorwort des Redaktors der russischen Ausgabe enthalten keinerlei Hinweis auf eine Überarbeitung des Textes der
1. Auflage, noch auf eine mündliche oder schriftliche Selbstinterpretation von seiten Husserls.
ad 6: Die Nichtberücksichtigung von in der 3. Auflage berichtigten Druckfehlern der 2. Auflage läßt schließen, daß die Übersetzung entweder der 2. oder der 4. Auflage folgte. Im Prologo a la segunda edicion, S. 20, fehlt der Hinweis auf den von R. Clemens geplanten Index (B XVII).
Von diesen 6 Ausgaben verfügt das Husserl-Archiv über
Exemplare aus Husserls Privatbibliothek:
I. 1. Auflage, 1900. Archiv-Signatur: K IX 2.
Dieses Exemplar zeigt einige Anstreichungen, von denen jedoch nicht mit Sicherheit ausgemacht werden kann, ob sie von Husserl stammen.
2. 1. Auflage, 1900. Archiv-Signatur: K IX 4.
Ein durchschossenes Handexemplar, das sich im persönlichen Besitz von Prof. H. L. Van Breda befindet, dem Husserl-Archiv jedoch zur Verfügung steht und für diesen Archiv-Gebrauch die angegebene Signatur erhalten hat. Auf dem Vorsatzblatt steht folgende Widmung von der Hand Frau Husserls: Dem gütigen Helfer in schwerer Zeit Pater Van Breda gewidmet von Malvine Husserl. Dieses Exemplar zeigt 22 Annotationen, Auseinandersetzungen mit zitierten Autoren, Literaturverweise, Korrekturen und Erwägungen von Korrekturen, von Husserls Hand. Keine dieser Eintragungen wurde in die 2. Auflage aufgenommen. Auf den letzten leeren Seiten ist ein Sonderabdruck der Selbstanzeige des II. Teiles, Vierteljahrsschrift für wissenschaftliche Philosophie,
(1901), S. 260-263, eingeklebt, der gleichfalls Annotationen von Husserls Hand zeigt. Ausserdem liegen dem Buch
lose Blätter bei, die sich auf die §§ 6 und 7 der V. Untersuchung des II. Teiles beziehen.
3. 2. Auflage, 1913. Archiv-Signatur: K IX 5.
Dieses Exemplar enthält einige Druckfehlereintragungen sowie S. XVII die Angabe: Der Satz war abgeschlossen um den 1. Juli 1913. Die ver-zeichneten Druckfehler wurden z.T. in der 3. Auflage berücksichtigt. Eine der nicht berücksichtigten Korrekturen ist sinnmodifizierend. S. XVI ist im Satz ... und auf Kompromisse möchte ich mich ... nicht mehr einlassen das Wort möchte in mochte verändert.
4. Die russische Übersetzung von 1909. Archiv-Signatur: K IX 11.
Als einzige handschriftliche Eintragung findet sich auf dem Vorsatzblatt Husserls Namenszug.
5. Die spanische Übersetzung von 1929. Archiv-Signatur: K IX 12-13.
Die vierbändige Übersetzung liegt in Husserls Privatbibliothek in zwei Bände gebunden und mit Goldschnitt versehen vor. Der erste Band umfaßt die Prolegomena sowie die Einleitung und die ersten zwei Untersuchungen des II. Bandes der deutschen Ausgabe. Als einzige handschriftliche Eintragung findet sich auf dem Vorsatzblatt des ersten Bandes die Angabe: Geschenk des Verlages Juli 1934 E. Husserl <zum 75. Geburtstag >.
Selbstanzeige
Von der Selbstanzeige des I. Teiles der Logischen Untersuchungen, Vierteljahrsschrift für wissenschaftliche Philosophie, 24 (1900) S. 511-512, fanden sich 2 Sonderabzüge als Einlage im durchschossenen Handexemplar des II. Teiles der Logischen Untersuchungen, 1901, das Husserl 1926 Heidegger übergeben hatte. Prof. Heidegger hat dieses Handexemplar mit sämtlichen Einlagen freundlicherweise dem Husserl-Archiv für die Erstellung der Neuausgabe der Logischen Untersuchungen zur Verfügung gestellt. Die Sonderabzüge zeigen keine Eintragungen von Husserls Hand.
Der Grundtext gibt im allgemeinen den Text von B wieder. Ausnahmen bilden die Stellen, bei denen die Schreibweise und die Satzzeichensetzung von A und nicht die von B den heute üblichen Regeln entsprechen, und offensichtliche Druckfehler in B. In diesen Fällen folgt der Grundtext der I. Auflage und vereinzelt auch der 3. Auflage von 1922.
Die Fußnoten Husserls sind durch Asterisken gekennzeichnet. In den Originalauflagen sind sie es durch Ziffern. Sie werden wie in diesen durch einen kurzen Strich und durch Kleindruck vom Haupttext abgetrennt.
Die Fußnoten des Hrsg. sind durch Ziffern gekennzeichnet. Sie werden durch einen sich über die ganze Seite erstreckenden Strich und durch mittelgroßen Schriftgrad vom Grundtext abgehoben. Die Fußnoten des Hrsg. vermerken die Varianten von A bzw. B, sofern sie sinnmodifizierend sind und nicht bloß die Schreibweise betreffen.
Weitere Anmerkungen des Hrsg. finden sich im textkritischen Anhang. Diese Textkritischen Anmerkungen indizieren die Abweichungen von A und/oder B in den Zitaten gegenüber dem Originaltext der angeführten Autoren. Sie enthalten ferner Ergänzungen zu den bibliographischen Daten.
Die Originalpaginierung in A und B wird in eckigen Klammern bei der entsprechenden Zeile am Rande vermerkt. Der Beginn einer neuen Seite in A bzw. B wird in der Zeile durch einen einfachen Strich |, der Beginn von neuen Seiten in A und B an der gleichen Stelle durch einen Doppelstrich || gekennzeichnet. Bei Kapitel- und Paragraphenüberschriften entfallen diese Striche.
Die Seitenüberschriften wurden sowohl ihrem Inhalt nach wie in ihrer Verteilung auf die linke und die rechte Seite aus A und B übernommen.
Die Berichtigungen, die der I. Auflage am Schluß auf einer nicht-paginierten Seite <258> beigegeben sind, werden, soweit es sich nicht um Druckfehler handelt, die in B korrigiert sind, wie Varianten an den einschlägigen Stellen mit einem entsprechenden Zusatz angeführt.
Das Inhaltsverzeichnis, das in A und B im Anschluß an das Vorwort bzw. die Vorworte folgt (A IX-XII|B XIX-XXII), wird in dieser Edition, wie in den neueren Husserliana-Bänden üblich, an den Beginn des ganzen Bandes gestellt. Es wird dabei auch nicht auf die Originalpaginierungen, sondern auf die Paginierung dieses Bandes verwiesen. Varianten in den
Es kann grundsätzlich unterschieden werden zwischen Varianten, die eine Sinnmodifikation intendieren, und solchen, die bloß die Deutlichkeit und die Lesbarkeit betreffen, die jedoch häufig eine gewisse Sinnmodifikation implizieren. Jedwede Sinnmodifikation wird in den Fußnoten des Hrsg. vermerkt. Das gilt auch für Hervorhebungen und Unterordnungen durch die Wahl eines anderen Drucks (Sperrdruck, Kleindruck) und die Einfügungen bzw. Eliminierungen von Bindestrichen und Anführungszeichen. Die Varianten werden dabei im Haupttext und in den Fußnoten des Hrsg. zwischen die Variantenzeichen ┌ ┐gesetzt. Nicht vermerkt werden stilistische Änderungen (z.B. A 51: ┌ anderseits┐; B 51: ┌ andererseits┐), Modernisierungen der Schreibweise und der Satzzeichensetzung und offensichtliche Druckfehler, sofern sie unter Mitberücksichtigung des Kontexts [vgl. A 15: ┌wiederspiegeln┐; B 13: ┌wi-derspiegeln┐) keine Sinnmodifikation nach sich ziehen.
Einen Sonderfall bilden die Großschreibungen in A bzw. Sperrungen in B von ein und seinen Abwandlungen. In A wird ein, wo es nicht als unbestimmter Artikel gebraucht wird, mit einem großen Anfangsbuchstaben geschrieben. In B ersetzt zu einem guten Teil — nicht ausschließlich — die Sperrung diese Großschreibung. Großschreibung und Sperrung können in diesen Fällen nicht nur als eine Indikation der Wortart, sondern ebenso als eine Hervorhebung betrachtet werden. Ersetzt eine Sperrung in B die Großschreibung in A, wird dies vom Hrsg. vermerkt. Hebt B die Großschreibung ohne Sperrung auf, erfolgt keine Anmerkung. Behält B die Großschreibung bei — die Modernisierung der Schreibweise wird von Husserl in der 2. Auflage auch in anderen Fällen nicht einheitlich durchgeführt —, wird sie vom Hrsg. ohne besonderen Vermerk aufgehoben.
In den Zitaten Husserls finden sich über 60 Abweichungen vom Originaltext, Sperrungen und Weglassungen von Sperrungen nicht mitgerechnet. Bei den Änderungen des Wortlautes und bei den Auslassungen ist es in den meisten Fällen schwierig zu entscheiden, ob die Modifikation als von Husserl intendiert (grammatikalische Anpassung, Verdeutlichung im neuen Kontext u. dgl.) oder als fehlerhafte Wiedergabe anzusehen ist.
In den Textkritischen Anmerkungen werden folgende Abweichungen angeführt: Sinnmodifizierende Änderungen des Wortlautes, Wortumstellungen, Einfügungen Husserls, die von ihm nicht durch Setzung in eckige Klammern [ ] als solche gekennzeichnet werden, Auslassungen, die von ihm nicht durch die Setzung von drei Punkten ... als solche markiert werden (was er gelegentlich selbst bei Auslassung von Bindewörtern wie also, dafür usw. tut, die durch den Kontext des Originals bedingt sind und auf den Sinn des zitierten Textes ohne Auswirkung bleiben), und Sperrungen. Bei Übersetzungen wird der Originaltext angeführt.
Nicht vermerkt werden stilistische und orthographische Änderungen, die
Titel von Büchern, Artikeln und Zeitschriften erhalten in A und B zum größeren Teil keine besondere Kennzeichnung, zu einem geringen Teil werden sie durch Sperrdruck, Kursivdruck oder Anführungszeichen markiert. In dieser Neuausgabe werden Titel von Büchern und Zeitschriften einheitlich durch Kursivdruck, Titel von Artikeln durch Anführungszeichen markiert. Auch die Interpunktion wird bei den bibliographischen Daten vereinheitlicht.
Fehlende Seitenangaben werden ergänzt. Bei Kants Kritik der reinen Vernunft wird die Originalpaginierung der I. (A) und der 2. (B) Auflage angeführt. Fehlerhafte Seiten- und Jahresangaben werden wie Druckfehler, d.h. ohne Anmerkung, korrigiert, problematische Fälle ausgenommen. Bei solchen werden Konjekturen vorgelegt, bei denen sich der Hrsg. soweit wie möglich auf die Annotationen Husserls in den entsprechenden Schriften seiner Privatbibliothek (aufbewahrt im Husserl-Archiv in Leuven) stützt.
Bei Verweisen auf andere Autoren werden fehlende Titelangaben, sofern sie für Husserls Argumentation aufschlußreich sind, ergänzt. Der Hrsg. stützt sich dabei wiederum auf Husserls Privatbibliothek. Die Ergänzung unterbleibt, wenn die Titel an anderen Stellen angeführt werden. Unvollständige Titelangaben werden ebenfalls nicht ergänzt, sofern sie ausreichend sind, um eine Schrift im Literaturverzeichnis des Textkritischen Anhanges zu identifizieren.
Die Zitation nach einer neuen Auflage in B wird vermerkt. Dies trifft in diesem Bande allein auf Sigwarts Logik zu. In A wird durchgehend auf die 2. Auflage, 1899, verwiesen, in B vereinzelt auf die 3. Auflage, 1904. Nicht vermerkt werden hingegen: Hinzufügungen der Ziffer I zum zitierten Titel in B, die darauf hinweisen, daß weiterhin nach der I. Auflage und nicht nach einer mittlerweile erschienenen Neuauflage zitiert wird; Hinzufügungen bzw. Weglassungen der Bandangabe bei wiederholt zitierten Werken; genauere Wiedergaben des Titels. Bei all diesen Änderungen, die Husserl nicht einheitlich durchführt, wird ohne Anmerkung die Variante B übernommen.
Die I. Auflage der Logischen Untersuchungen erschien kurz vor der offiziellen Einführung der "einheitlichen deutschen Rechtschreibung" von
(1901), S. 260-263, folgten in Abhebung zum angezeigten Text bereits der neuen Schreibweise. Die 2. Auflage von 1913 wurde prinzipiell der neuen Rechtschreibeordnung angepaßt. Gelegentlich unterblieb die Adaptation jedoch — allem Anschein nach aus bloßem Versehen. In der I. und in der 2. Auflage paßte Husserl die Zitate anderer Autoren im allgemeinen der von ihm befolgten Schreibweise an.
In dieser Neuausgabe wurde — wie in den bisherigen Bänden der Husserliana — die Schreibweise den heute geltenden Regeln angepaßt. Das betrifft auch die Satzzeichensetzung, die Schreibweise von Abkürzungen (z.B. A|B: ev.; heute: evtl.) und die Schreibweise von früher nicht einheitlich wiedergegebenen Fremdwörtern (z.B. Heterogen┌e┐ität, Subsum┌p┐tion).
In gewissen Fällen, bei denen auch eine stilistische oder idiomatische Eigenart in Frage steht, wird jedoch konservativ verfahren. So wird hieher, von Husserl durcheinander mit hierher verwendet, als ein Ausdruck, der als charakteristisch für Süddeutschland und Österreich gilt und auch heute noch gebraucht wird, belassen. Bei seinem periodischen Redestil gebraucht Husserl auch sehr oft einen Doppelpunkt, wo heute zur Abgrenzung ein Komma, ein Strichpunkt oder auch nur Anführungszeichen die Regel sind. In solchen Fällen wurde der Doppelpunkt gleichfalls als Husserlsche Stileigentümlichkeit belassen. Ein Eingriff unterblieb auch bei der von Husserl sehr unregelmäßig gehandhabten Schreibung mit großen bzw. kleinen Anfangsbuchstaben nach Doppelpunkten und bei der Setzung von Anführungszeichen (z.B. bei Beispielsätzen).
Bei Spezialdruck wird im allgemeinen die Form von A und B gewahrt. Ausnahmen sind die Kapitelüberschriften, die A und B fett drucken, die Seitenüberschriften, die A und B kursiv setzen, die Eigennamen, die A und B durch Kapitälchen hervorheben, sowie die bereits erwähnten Titel von Büchern und Zeitschriften, die A und B nicht oder unterschiedlich kennzeichnen. In Anpassung an die Gepflogenheiten der Husserliana werden die Kapitel- und Seitenüberschriften in Kapitälchen gesetzt, die Eigennamen in Sperrdruck und die Titel von Büchern und Zeitschriften in Kursivdruck wiedergegeben. Ausdrücke in fremden Sprachen und alleinstehende Buchstaben werden in A und B in der Regel durch Kursivdruck abgehoben. Die wenigen Ausnahmen, bei denen diese Regel nicht durchgeführt wurde, werden der Einheitlichkeit halber gleichfalls kursiv gesetzt.