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215792

(1970) Soziologische Aufklärung 1, Wiesbaden, Verlag für Sozialwissenschaften.

Wirtschaft als soziales System

Niklas Luhmann

pp. 204-231

Wirtschaft als ein soziales System menschlicher Interaktion zu behandeln, scheint auf den ersten Blick ein plausibles, vernünftiges, fast selbstverständliches Vorhaben zu sein. Dem zweiten Blick enthüllen sich jedoch beträchtliche Schwierigkeiten. Es gibt, von einer wichtigen Ausnahme abgesehen (l)*, bisher keine soziologische Theorie, die den Anspruch erhöbe, die Wirtschaft im Ganzen zu deuten. Theorien, die die Gesellschaft selbst als ökonomisches Unternehmen der produktiven Organisation und wechselseitigen Übervorteilung zu begreifen versuchen, leisten gerade dies nicht. Vorherrschend glauben die Soziologen, die Erforschung der Wirtschaft als solcher, d. h. als System, den Wirtschaftswissenschaften überlassen zu können. Außerdem ist die Leitvorstellung einer solchen Gesamtbetrachtung, der Systembegriff, noch weit von zureichender Klärung entfernt. Wir kennen einmal die alteuropäische Tradition, vom Ganzen zu sprechen, das aus Teilen besteht, aber als Ordnung der Teile über sie hinauswächst. Zum anderen besteht eine bis ins Spätmittelalter zurückreichende Tendenz, Systeme als Einheit eines Zusammenhanges und diese Einheit als logisch widerspruchsfreie Konsistenz zu deuten (2). Diese letztere Interpretation scheint in den Wirtschaftswissenschaften vorzuherrschen. Für die Zwecke der Soziologie sind vermutlich beide Ansätze unzureichend: der eine zu unklar, der andere zu klar, um auf hochkomplexe, sich selbst konstituierende Sinnzusammenhänge faktischer Interaktionen anwendbar zu sein.

Publication details

DOI: 10.1007/978-3-322-96984-2_10

Full citation:

Luhmann, N. (1970). Wirtschaft als soziales System, in Soziologische Aufklärung 1, Wiesbaden, Verlag für Sozialwissenschaften, pp. 204-231.

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